Orchestra, Schwerpunktthema | Von Manuel Epli

10 Fehler, die Sie das beste Prädikat im Wertungsspiel kosten

Wertungsspiele. Eine Thematik, über die in Musikvereinen und Kapellen oft kontrovers diskutiert wird. Es geht ums "Tun" oder "Lassen", es geht um die Vorbereitung, die Durchführung und die Ergebnisse.

Wertungsspiele tragen durch die Beurteilung einer unabhängigen Jury und einer intensiven Vorbereitung sowie durch die Auseinandersetzung mit ausgewählter Literatur und dem Vergleich mit anderen Musiziergemeinschaften dazu bei, dass die Leistungsfähigkeit im Orchester verbessert wird. Ein nicht optimales Ergebnis kann dann natürlich die Laune und die Motivation verhageln. Diese zehn Fehler kosten Sie das beste Prädikat im Wertungsspiel.

Fehler 1: Sie stimmen das Orchester auf der Bühne ein

Regelmäßig erlebe ich als Juror, dass es immer noch Dirigenten gibt, die das Orchester auf der Bühne einstimmen. Die Kollegen unter den Dirigenten kennen hier keine Gnade. Jeder Musiker des Orchesters muss einen Ton spielen, der dann vom Dirigenten mit dem Stimmgerät kritisch kontrolliert wird.

Trotz meist knapper Bühnenzeit werden Orchester jeder Besetzungsgröße fröhlich durchgestimmt. Von 15-köpfigen Jugendorchestern in der Grundstufe bis hin zu Höchststufenorchestern mit mehr als 70 Musikern. Darauf angesprochen, konnte mir noch keiner einen vernünftigen Grund für dieses Vorgehen nennen.

Häufigste Antwort: "Wenn ich im Einspielraum einstimme, dann stimmt es doch auf der Bühne nicht, oder?" Doch, schon. Und zwar ziemlich gut. Es gibt nur zwei Instrumente, die nicht im Einspielraum gestimmt werden: die Tuba und der Kontrabass.

Die Instrumente werden frühestmöglich auf die Bühne gebracht, um sich an die Raumtemperatur anzupassen. Dann spielen sich die Musiker auf der Bühne ein (während beispielsweise das restliche Orchester aufbaut) und stimmen die Instrumente auch dort ein.

Meine zweite Frage ("Was denken Sie, wie sich das zehnjährige Mädchen oder der Senior des Orchesters mit seinen 65 Jahren fühlen, wenn sie vor versammeltem Publikum ‚vorspielen‘ müssen?") wird dann oftmals nur ausweichend beantwortet.

Fazit: Stimmen Sie das Orchester im Einspielraum ein und dann geht es auf die Bühne zum Musizieren. Auf das Nachspielen eines Tones durch das ganze Orchester ("stimmen") können Sie im Laienbereich auch verzichten. Die wenigsten Orchester hinterlassen dabei einen guten Eindruck, da die Grundstimmung aus verschiedensten Gründen, wie zum Beispiel Nervosität, oftmals nicht ideal ist. Ich habe außerdem auch nur wenige Orchester erlebt, bei denen diese Art des "Stimmens" in dieser Situation den gewünschten Erfolg gebracht hat und die Grundstimmung danach besser war.

Fehler 2: Sie spielen sich mit einem Choral ein

Ja, Choräle sind schön. Es gibt auch zahlreiche andere schöne langsame Werke. Die können Sie auch gerne spielen – nur nicht bei einem Wertungsspiel als Einspielstück. Ein Choral – nehmen wir diesen mal stellvertretend für alle anderen langsamen Stücke her – hat einige "Problemzonen", über die sich nicht alle Dirigenten im Klaren sind.

Das gute Stück muss zusammen losgehen. Also wirklich zusammen. Nicht die Trompeten minimal vor den Klarinetten. Das Timing des Ensembles muss zu 100 Prozent gleich sein. Gerade bei langsamen Werken hört man, ob das Orchester in einem gemeinsamen Tempo fühlt und spielt. Der Quotient aus gespielten Noten pro Schlag ist bei einem Choral minimal klein. Je kleiner er ist, umso mehr hört man Intonationsabweichungen.

Letzten Endes ist ein Choral nichts anderes als eine Melodie, die vierstimmig ausgesetzt ist. Also geht es um Gestaltung. Darauf kommen wir später auch noch zu sprechen. Kernfrage: Machen Sie etwas aus der Melodie?

Dann, zu guter Letzt, die Paradedisziplin eines jeden sinfonischen Blasorchesters: die chorische Atmung. Manchmal ist es notwendig und musikalisch sinnvoll, dass das Orchester 8, 16, 24 oder auch mehr Takte gar nicht atmet und diesen Abschnitt mit chorischer Atmung spielt. Haben Sie das mit dem Orchester geprobt und einstudiert?

Eine zusätzliche Herausforderung ist die, dass ein Choral vor allem für die Blechbläser des Orchesters meist sehr anstrengend ist. Es wird bläserische Kondition gefordert und mitunter unnötig verbraucht, obwohl sie bei den eigentlichen Werken des Wertungsspiels dringend benötigt würde.

Ein weiterer Nachteil aus bläserischer Sicht ist, dass die Zunge nicht richtig aktiviert wird. Das steht im Widerspruch zu dem, was über alle Stufen hinweg in fast allen Wertungsspielstücken gefordert wird: eine schnelle Zunge.

Für die Schlagzeuger des Orchesters stellt ein Choral hingegen meistens überhaupt kein Problem dar: Sie haben in vielen Fällen einfach tacet. Wählen Sie einen Choral als Einspielstück, so nehmen Sie den Schlagzeugern die Möglichkeit, sich warmzuspielen. Als Dirigent verlieren Sie zusätzlich die Möglichkeit, die Balance zwischen dem Schlagzeug und den Bläsern zu beurteilen – ein weiterer Grund, der gegen die Verwendung eines Chorals als Einspielstück spricht.

Zu allen oben aufgeführten Punkten kommt noch ein wichtiger Punkt hinzu: Die Juroren haben in keinem Moment des Wertungsspiels so viel Zeit, sich einen Gesamteindruck des Orchesters zu verschaffen, wie beim Einspielstück. Die vorherige Wertung ist abgeschlossen. Die neue, bei der man dann wieder aktiv zuhören, Notizen und Eintragungen in die Partitur machen muss, hat noch nicht begonnen. Also hat man Zeit, um das Orchester im gesamten (grob) zu beurteilen.

Natürlich wird das Einspielstück nicht mitbewertet. Das steht so in vielen Wertungsspielordnungen. Stellen Sie sich aber bitte eine Frage: Glauben Sie, dass auch nur ein Juror komplett ausblenden kann, was Sie beim Einspielen auf der Bühne tun? Ich glaube das nicht.

Fazit: Nehmen Sie zum Einspielen etwas Flotteres. Grundtempo: Andante plus. Eine Fanfare. Oder warum auch nicht einen schönen Konzertmarsch?

Fehler 3: Sie dirigieren alles gleich

Ganz klar: Nicht jeder Dirigent eines Blasorchesters muss und kann Dirigieren studiert haben. Aber: Auch Amateurdirigenten sollten in der Lage sein, das, was das Orchester spielen soll, dirigiertechnisch abbilden zu können. Viele Laiendirigenten können das auch, in jedem Fall müssen Sie es als Dirigent aber versuchen.

Ein paar Beispiele:

  • Es gibt keinen Grund, eine Fortissimo-Stelle mit der gleichen Amplitude zu dirigieren wie eine Stelle im Piano. Zeigen Sie dynamische Veränderungen an.
  • Geben Sie Einsätze. Einen Einsatz der Trompeten im Mezzoforte realisiert man anders als einen der Flöte im Pianissimo.
  • Führen Sie bei einer Tempoveränderung klar. Schlagen Sie hier nicht hinter dem her, was das Orchester gerade spielt, sondern leiten Sie die Tempoveränderung künstlerisch wertvoll über die Schlagtechnik an.
  • Eine Stelle im schönsten Legato muss man anders schlagen als eine im Staccato. Phrasierung und Artikulation kann man zeigen. Nicht nur das Orchester verbal dazu auffordern, sie zu spielen.

Ich glaube, es ist klar, was ich meine.

Jeder von uns Dirigenten empfindet etwas, wenn er ein Werk dirigiert. Es ist dabei ziemlich gleichgültig, ob es sich um einen Marsch, ein Werk aus dem Bereich der gehobenen Unterhaltungsmusik oder um ein sinfonisches Werk handelt. Zeigen Sie diese Emotionen. Werden Sie zur "Rampensau". Reißen Sie Ihr Orchester – und auch das Publikum – mit.

Fazit: Bilden Sie alle musikalischen Parameter und das, was Ihnen Ihr Herz sagt, über die Schlagtechnik ab. Noch einmal – ich werde nicht müde, das festzustellen: Es gibt zahlreiche Amateurdirigenten mit einer sehr guten Ausbildung, die einen hervorragenden Job machen. Das mathematische Komplement gibt es aber (leider) auch: Profidirigenten, die unklar schlagen, nicht proben können usw. Also: Schauen Sie, dass Sie zu den "Guten" gehören. Egal ob Laie oder Profi.

Der Autor Manuel Epli

Manuel Epli studierte Dirigieren und Instrumentation am Vorarlberger Landeskonservatorium, der Kunst- und Musikhochschule von Arnheim, Enschede und Zwolle sowie der Musikuniversität Mozarteum Salzburg. Seine Studien schloss er mit dem Master of Arts ab.

Wertvolle Impulse erhielt Epli durch Meisterkurse und Privatstudien bei Prof. Pierre Kuijpers, Andreas Spörri, Prof. Maurice Hamers, Ed de Boer und Johan de Meij. Beim Blasorchesterwettbewerb "Internationales Musikfestival Prag" wurde er 2009 als bester Dirigent des Wettbewerbs ausgezeichnet. Als Juror ist er für die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, den Bayerischen Blasmusikverband und den Schweizer Blasmusikverband tätig.

Seit 2004 ist Manuel Epli der musikalische Leiter der Bläserphilharmonie der Stadt Blaustein. Beim Deutschen Orchesterwettbewerb 2016 erspielte sich die Bläserphilharmonie unter seiner Leitung in der höchsten Wettbewerbskategorie B1 mit 24,6 von 25 möglichen Punkten den 1. Platz in der Gesamtwertung.

An der Universität Ulm studierte Manuel Epli außerdem die Fächer Mathematik, Informatik, Pädagogik und Psychologie. Nach dem Abschluss seiner Studien mit der zweiten Staatsprüfung unterrichtet er als Studienrat im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg.

www.manuelepli.de

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