Um ein Haar wäre die Karriere von „Federspiel“ vorbei gewesen, bevor sie überhaupt begonnen hat. Denn als das Ensemble 2004 bei einem Wettbewerb in Innsbruck teilnahm, bei dem drei Stücke hätten auswendig gespielt werden müssen, war man noch grandios gescheitert. Es gab Aussetzer und Hänger – aber es gab immerhin eine Teilnehmerurkunde. Der Grundstein war quasi gelegt. 20 Jahre später steht Federspiel immer noch auf den Bühnen der ganzen Welt. Zwar ohne Wettbewerb, aber erfolgreicher denn je.
Wir treffen uns vor dem Jubiläumskonzert des PalmKlang Festivals im österreichischen Oberalm im Salzburger Land. Vor dem Soundcheck sitzen Frédéric Alvarado-Dupuy (Klarinette), Philip Haas (Trompete, Flügelhorn) und Christoph Moschberger (Trompete, Flügelhorn) entspannt bei Kaffee und Keksen beisammen und plaudern über Anekdoten aus alten Zeiten, über die kommende Jubiläumstour und natürlich über das Konzept von Federspiel.
Auffällig ist, dass sich das Gespräch auch und vor allem um das Miteinander dreht, um das Zwischenmenschliche. Das muss von Anfang an das Wichtigste gewesen sein. „Wir haben einfach wirklich step by step gemerkt, dass das ankommt, was wir machen. Erst war es das lokale Weinfest, dann die Konzertbühne“, erklärt Frédéric Alvarado-Dupuy. Philip Haas pflichtet bei: „Wir hatten in der Anfangszeit nicht die großen Ziele. Es war einfach schön, dass wir alle beieinander waren, sehr viel Zeit miteinander verbracht haben in der Wachau.“ Visionen habe es keine gegeben. Erst nach der Matura, also vor dem Studium, habe Trompeter Simon Zöchbauer gefragt: „Machen wir es gescheit oder machen wir weiter so?“ Die Antwort ist 20 Jahre später bekannt.
Christoph Moschberger – der „Neue“ – bestätigt, dass neben der Musikalität die „Soft Skills“ eine nicht unerhebliche Rolle spielen. „Freundschaft, Loyalität – das spürt man einfach extrem. Bei Federspiel herrscht blindes Vertrauen und eine sehr gute Streit- oder Gesprächskultur. Federspiel ist wirklich eine gewachsene Pflanze, die auch mal knicken und wieder gekittet werden kann.“ Bei Federspiel hat Christoph Moschberger übrigens sein allererstes Probespiel absolviert, erklärt er lachend. „Und ich war schon sehr aufgeregt…“
Christoph Moschberger – der Neue
Dass Christoph Moschberger Trompete und Flügelhorn beherrscht, hatte sich auch bis in die Wachau herumgesprochen. „Doch ich hab den Christoph vorher nur aus Film und Fernsehen gekannt“, erklärt Philip Haas. „Bei diesem Vorspiel haben wir ihn dann ein bisschen kennenlernen können, und er war einer, der verstanden hatte, worum es geht. Der hat verstanden, wie wir funktionieren, was wir machen. Uns war klar: Der mag mit uns spielen.“ Doch erfolgreich sind Federspiel natürlich nicht, weil sich alle sieben Musiker so gut verstehen. Neben Frédéric Alvarado-Dupuy, Philip Haas und Christoph Moschberger sind das Christian Amstätter (Bassposaune), Roland Eitzinger (Tuba), Simon Zöchbauer (Trompete) und Thomas Winalek (Posaune/Basstrompete).
Die musikalischen Wurzeln von Federspiel liegen „irgendwo“ in der österreichischen Volksmusik. „Ziehvater“ und Impulsgeber war Rudi Pietsch, Mastermind der österreichischen Volksmusik. Der nämlich hat Federspiel von Anfang an begleitet und „uns unter seine Fittiche genommen – diese pubertierenden Wahnsinnigen“. Vor allem aber habe Pietsch die pubertäre Energie gebündelt, als er den Musikern Volksmusik gezeigt hat. „Er hat uns den Zugang gezeigt, den wir uns erhalten haben. Wir suchen nicht das Parfümierte, wie es in der Volksmusik oft vorkommt – das ist dann eher die volkstümliche Richtung, der Schlager. Wir suchen das Wahrhaftige in dieser Musik! Und auf diesen Weg hat uns Rudi Pietsch geschickt.“
Dass Federspiel sechs Blechbläser und einen Klarinettisten vereint, war auch ein bewusster Zug von Rudi Pietsch. Die Klarinette bringt eine gewisse Note rein, eine Klangfarbe, die das Ensemblespiel individuell macht, eigen und beweglich. Und tatsächlich hebt die Klarinette das monochrome Blechspiel etwas auf, bereichert es. Aber vor allem ist Rudi Pietsch Geiger gewesen und aus diesem Grund hat Federspiel anfangs sehr viel von diesem Geigen-Repertoire gespielt. »Das war schon ein totaler Bruch«, findet Frédéric Alvarado-Dupuy „Durch dieses Spezifikum sind wir von Anfang eben nicht in diese ›Blasmusik-Kerbe‹ gerutscht.“
Blasmusik losgelöst von Erwartungshaltungen
Federspiel bedeutet Blasmusik losgelöst von Erwartungshaltungen. Bedeutet bedingungslose Lust, Experimentierfreude und Liebe zur Volksmusik. Ohne Berührungsängste verbindet die siebenköpfige Bläsergruppe heimische Volksmusiktraditionen und weltmusikalische Elemente mit ihrer Experimentierfreude. Federspiels Signatur sind ihre Eigenkompositionen. Diese nehmen großteils Bezug auf die musikalischen und biografischen Wurzeln der Musiker und reizen das Spannungsfeld aus Tradition und Moderne aus. Die Lust am Neuen, am Persönlichen und Unverwechselbaren, kombiniert mit ihrer für das Publikum so spürbaren grenzenlosen Spiellust, macht Federspiel zu einem der innovativsten und interessantesten Klangkörper der europäischen Blasmusikszene. In eine Schublade kann man Federspiel nur sehr schwer verräumen. „Wir müssen uns wahrscheinlich eine eigene Schublade zimmern“, lacht Philip Haas.

Christoph Moschberger bewundert den kammermusikalischen Ansatz von Federspiel, der in der Blasmusik oft nicht vorhanden ist. Mit dieser kammermusikalischen Idee spielen wir komplett akustisch, gemeinsam, extrem dynamisch und musizieren ganz fein.“ Trotzdem bleibt das Musikantisch-Spritzige mit einem Augenzwinkern erhalten. Das ist das große Plus von Federspiel.
Für 2024 ist das „20 Jahre Federspiel“ Jubiläums-Programm samt Live-Album in Vorbereitung. Die offizielle Feier samt Album-Präsentation findet am 9. Oktober im Wiener Konzerthaus statt.
Jubiläumsprogramm von Federspiel
„Das Programm ist in einem Prozess entstanden“, erzählt Philip Haas. „Wir haben gewusst, dass 2024 kommen wird und dass wir etwas Besonderes machen wollen.“ Das Jubiläumsprogramm wird teilweise eine Rückschau sein, aber auch neue Kompositionen enthalten. „Welche Stücke wollen wir da präsentieren? Welche Seiten wollen wir von uns zeigen? Wir haben im Vorfeld einfach gemeinsam Musik gehört, die wir halt vor Jahren aufgenommen haben.“
Frédéric Alvarado-Dupuy fügt hinzu: „Wir haben die Schatulle geöffnet und uns die Rosinen rausgepickt.“ Man erinnerte sich beim Hören an Konzertorte, tauschte Anekdoten aus, lachte viel miteinander. „Wir haben uns dann nach und nach auf unsere Favoriten geeinigt und die so angeordnet, dass es eine runde Sache ergibt.“ In den Konzerten wollen Federspiel zunächst die „neuen“ Mitglieder – neben Moschberger ist das der Posaunist Christian Amstätter – vorstellen, aber dann auch zurück zu den Anfängen wandern. „Wir werden unter anderem einen traditionellen ungarischen Czardas spielen, die Geigenmusik der ersten Stunde. Aber dann kommt es auch zum Bruch, wenn wir eine Joe-Zawinul-Nummer präsentieren.“ Im Jahr 2012 hatte Federspiel nämlich bei einem Gedenkkonzert anlässlich des fünften Todestags Zawinuls ein Stück präsentieren dürfen. „Und das zeigt gleich eine ganz andere Welt.“
Die Tour wird verschiedene Facetten von Federspiel aus den vergangenen zwei Dekaden zeigen, genauso aber auch eine neue Richtung vorgeben. Ein Ensemble wie Federspiel lebt auch von ständigen Einflüssen, die verarbeitet werden. Das Publikum darf sich definitiv freuen, auf zahlreiche Konzerte, auf, wie Philip Haas abschließend anmerkt, „eine sehr schöne Revue“.

On Tour
- 26.05. AT-St. Pölten Festspielhaus
- 06.06. Duderstadt Festival aufm Platz
- 07.06. Rinteln Festival aufm Platz
- 08.06. Melle Rathausplatz
- 19.06 I-Bozen KLANGfeste Runkelstein
- 20.06. Unterföhring Bürgerhaus
- 21.06. Niedernhall Kelterhof
- 22.06. Werneck Schlosspark
- 23.06. Weilburg Schlosskonzerte
- 07.07. CH-Zug Park des Zurlaubenhofs
- 11.08. AT-Gampern Attergauer Kultursommer
- 12.09. Dortmund Konzerthaus
- 13.09. Parchim Solitär
- 24.09. Frankfurt Alte Oper
- 25.09. Frankfurt Alte Oper
- 28.09. AT-Trattenbach Gemeinschaftshaus
- 09.10. AT-Wien Konzerthaus Jubiläumskonzert
Foto: Felix Groteloh