Der Tag war noch trübe und grau, als ich gegen 10 Uhr die Autobahn an der Ausfahrt Karlsruhe Bruchsal verließ. Es lagen nur noch wenige Kilometer vor mir, bis ich Münzesheim erreichen sollte. Schon früh war ich im Rheinland aufgebrochen und befand mich nun in der Region, die sich Kraichgau nennt. Was würde mich hier gleich erwarten? Nun ja, es wird wohl schon ein größerer Laden sein, der HeBu Musikverlag. Schließlich haben die ja irgendwie fast alles, was in Sachen Noten für Blasorchester so auf dem Markt ist. Auf jeden Fall können sie immer alles besorgen.
Die Landschaft, nach der Monotonie der Autobahn, wurde beschaulicher und konturenreicher. Die Straßen wieder enger, viel Gegend, lokaler badischer Charme, ländlich. Na ja, es werden sicher Büroräume sein, ein Lagerraum und Computer. Da geht sicher vieles auf Knopfdruck, und dann ab die Post.
Dann befahl mir mein Navi abzubiegen, abzubiegen in etwas, das wie ein kleines Industriegebiet aussah. Aha, vorbei mit Beschaulichkeit. Große Hallen und ausladende Betriebe. Da erklang aus meinem Navi: »Sie haben Ihr Ziel erreicht.« Vor mir eine große Lagerhalle. An der Eingangstür das mir bekannte Logo. Das kann doch nicht sein? Ich suche ein Notengeschäft, einen Musikverlag, aber doch keine Werkshalle.
Vor 25 Jahren, da konnte wahrlich noch keiner ahnen, was aus einer Laune, aus einer verrückten Idee zweier Musikstudenten der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf werden sollte. Im Jahr 1991 fassten Guido Henn und Christian Buss den Plan, einen eigenen Musikverlag zu gründen. Dieser wollte sich in erster Linie auf traditionelle Musik konzentrieren, und zunächst sollten die Kompositionen von Guido Henn im Mittelpunkt stehen. In einem Raum, nicht größer als eine Garage, nahm dann alles seinen Lauf.
Von der Garage zum Verlagshaus
Selbstverständlich war mir klar, dass der Verlag diesem Stadium längst entwachsen war, doch habe ich nicht schlecht gestaunt, als Geschäftsführer Alexander Knam mich zunächst einmal durch die komplette Firma führte. Nun wollen wir mal nicht gleich übertreiben, und HeBu ist sicher auch nicht der einzige Noten-Grossist in Deutschland, doch die Dimension des Betriebs übertraf meine Erwartungen.
Zugegeben, die Erwartungen eines Nutzers, der sich noch nie wirklich Gedanken über die Leistungsanforderungen gemacht hatte, die an ein solches Haus gestellt werden. Ein Leistungsspektrum, das von sichten, kooperieren, pflegen und lagern über beraten und vertreiben bis hin zu bearbeiten, editieren und herausgeben geht.
»Unser Team besteht heute aus fünf Vollzeitangestellten, einem Freiberufler und einer Teilzeitkraft«, so Geschäftsinhaberin Sandra Buss. »Alle Mitarbeiter sind aktive Musiker. Instrumentalisten, Dirigenten oder Musikerzieher. Wir legen Wert darauf, im Team die Arbeitsbereiche mit Fachkenntnis und viel Verständnis für die Wünsche und Fragen von Musikvereinen, Dirigenten, Musiklehrern, Schülern und auch Geschäftspartnern abdecken zu können.«
Sichten, kooperieren, pflegen, lagern
Man braucht nicht nur Kontakte, nein, man braucht auch Platz, Übersicht, Kreativität und Weitblick, um ca. 750 000 Artikel grundsätzlich lieferbar zu haben, rund 20 000 Artikel ständig auf Lager zu haben und zudem seinen eigenen Verlagskatalog weiterzuentwickeln, der mittlerweile um die 640 Titel umfasst. Ständig muss das Lager umgestaltet (Waren vereinnahmt, kommissioniert, versendet) und der Ausstellungsraum aktualisiert werden.
Das dort ansichtige Angebot erstreckt sich von sinfonischen, unterhaltenden und traditionellen Blasorchesterwerken, Werken für Streicher, Bläserkammermusik, Schülerliteratur, Bigband- und Jazz-Ausgaben, Büchern und CDs bis hin zu Taktstöcken, Notenständern und Accessoires. Unter anderem für Dirigenten ist eigens ein Zimmer mit einem Medienportal eingerichtet, in dem man ungestört Aufnahmen anhören und sich ausgiebig dem Partiturstudium widmen kann.
Geschäftsphilosophie
In den Anfangszeiten erarbeitete sich HeBu in Sachen Vielfalt durchaus ein erstes Alleinstellungsmerkmal. Das Firmencredo: Bei uns erhalten Sie alles, was die Blasorchesterwelt zu bieten hat. Zudem beraten wir Sie gerne und auf Ihr Orchester zugeschnitten, denn wir wissen, welche Arrangements und Kompositionen der internationale Markt für Sie bereithält.
»Das machen wir heute selbstverständlich immer noch so, aber sind wir damit sicher nicht mehr allein. Was wir aber über die Jahre mit zunehmendem Mehrwert zusätzlich geschafft haben, ist, an sich konkurrierende Musikverleger im Konsens an einen Tisch zu bekommen und sinnvolle Kooperationen zu schmieden. Da ist zum Beispiel das Netzwerk ›4Winds‹, mit dem wir Demo-CDs hergestellt haben, die jeder Partner in seinem jeweiligen, weit gestreuten Territorium den Kunden anbieten konnte.
HeBu hat auch immer die Meinung vertreten, dass jeder einzelne Blasmusikverlag mit einem kleinen Stand bei den Fachmessen nicht gebührend wahrgenommen werden kann. Aus diesem Grund wurden wir zum Beispiel auf der internationalen Musikmesse Frankfurt zum Organisator eines Gemeinschaftsstandes. Durch Synergien schaffen wir es, die Kosten für jeden einzelnen Anbieter massiv zu reduzieren, und mehr als nur ein Nebeneffekt ist auch die Tatsache, dass Verlage, die schon keine Aussteller mehr waren oder mit dem Gedanken gespielt hatten, nicht mehr auszustellen, sich an unserem Gemeinschaftsstand beteiligt haben. Die Vielfalt unserer Szene kann somit weiter dargestellt werden.«
So Alexander Knam, der als umtriebiger Motor dieses Konzepts zufrieden hinzufügt: »Durch diese Herangehensweise wurden aus vermeintlichen Konkurrenten Mitglieder einer großen Verlegerfamilie, die sehr freundschaftlich und wertschätzend miteinander umgehen. Mittlerweile betreiben wir das Konzept des Gemeinschaftsstandes auch auf der ›Music Austria‹ im oberösterreichischen Ried im Innkreis und erst kürzlich auch beim Internationalen Blasmusik Kongress (IBK) in Neu-Ulm.«
Beraten und vertreiben
Ein Anruf, ein Fax oder eine E-Mail landet in der Regel zunächst bei Norbert Braun oder Matthias Falke. Die Kundenanfrage wird analysiert und im Gespräch werden Vorschläge erarbeitet, welches Arrangement oder welche Komposition im gerade besprochenen Zusammenhang sinnvoll und zielführend für das Orchester, das Ensemble oder den Schüler ist. Es gilt Besetzungslisten zu checken, Demo-Aufnahmen zu empfehlen und gegebenenfalls Probestimmen zu versenden. Es soll an nichts fehlen.
Ist die Beratung abgeschlossen, geht’s entweder ins Lager oder auf kürzestem Wege zum Verlagskollegen. In jedem Fall wird schnell und unkompliziert nach Kundenwunsch organisiert. Zügig verpacken, Rechnung schreiben, »labeln« (früher hieß das etikettieren), denn der Lkw der Deutschen Post/DHL steht um 16 Uhr vor der Tür.
Nicht nur Fragen zu beantworten, auch Appetit machen und Fragen stellen gehört zum Konzept des Verlags. Palettenweise Kataloge von Mitbewerbern sammeln, Werbeaktionen zusammenstellen, nicht nur »Frühjahrs- und Sommermailings« fertig machen, sondern auch Ausstellungen, Messen und Kongresse (Neu-Ulm, Ried, Frankfurt, Chicago) vorbereiten gehört zum regelmäßigen Aufgabenkatalog. Und dazu noch das »bisschen Haushalt« von Buchhaltung bis Reklamations-Management.
Bearbeiten, editieren und herausgeben
HeBu hat zudem nach wie vor einen wachen Blick auf neue, vielversprechende Komponisten und Arrangeure. Was mit Guido Henn und dem »Borgsdorfer Kreis« einst begann, wurde zum Beispiel mit Wolfgang Wössner, der schon seine Erstlingswerke im Verlag platziert hat, weiterentwickelt und aktuell zum Beispiel mit Alexander Reuber, den HeBu nach Kräften fördern möchte, fortgesetzt.
Lektor Oliver Grote sichtet zu diesem Zweck beständig aktuelle Werkeinreichungen. Bis heute ist die Intention des Verlags aus der Gründungszeit erhalten, acht bis zehn sinfonische und traditionelle Blasorchesterwerke deutscher Komponisten herauszugeben. Sie werden im Hause selbst gedruckt, geschnitten und gepresst sowie mit eigenen Newslettern wie »HeBu aktuell« beworben.
Musik und Digitalisierung
Da ging vor Jahren ein Rauschen durch den Blätterwald. Das »eBook« ist da! Ade Papierdruck? Derzeit kann man nicht behaupten, dass dieses elektronische Medium das »klassische Buch« abgelöst oder gar vertrieben hätte. Aber sicher ergänzt es den Markt. Auch in der Musikwelt »digitalisiert« es gewaltig. In kürzester Zeit gab es eine enorme Entwicklung beispielsweise von Tonband und Musikkassette über die CD bis hin zu USB-Stick und Festplatte.
Musiknoten auf digitalem Weg zu erstellen ist ja längst die Regel. Aber wird auch bald der Vertrieb so abgewickelt? Selbstverständlich hat sich auch Alexander Knam seine Gedanken darüber gemacht. Er ist Praktiker in Sachen Rechte und Lizenzen, Praktiker im Erstellen, Verlegen und Vertreiben von Musik und auch praktizierender Endverwerter am Instrument. Zum Thema Digitalisierung legt er die Stirn noch etwas in Falten.
»›Hoffentlich nicht so bald‹ kann hier nur meine erste Antwort sein. Der Markt ist im Wandel, und natürlich werden die Rufe nach ›digitalen Noten‹ immer lauter. In der Nische Blasmusik ist das aber nicht so ganz einfach. Bei vielfach gewünschten Pop-Titeln zum Beispiel haben die Blasmusikverlage zunächst definitiv nicht die Rechte, diese digital zu vertreiben. Sie besitzen nur Abdruckgenehmigungen für eine gewisse Auflage, die auf Papier gedruckt werden darf.
Es stellt sich auch immer mehr die Frage: Warum will der Kunde die Digitalausgabe? Weil er sie schnell zu Hause, noch kurz vor Beginn der Probe, ausdrucken will? Hier spreche ich von ›digitaler Distribution‹, denn es wird ja lediglich die Lieferzeit verkürzt. Die endgültige Nutzung bleibt aber ›analog‹, also auf Papier.
Hier können dann aber auch schnell Probleme in Sachen Praktikabilität auftreten. Allein schon, wenn es ums Papier geht, denn Verlage machen sich durchaus Gedanken über Grammatur (Flächengewicht), Lichtreflexe und Haltbarkeit ihrer Papiere.«
Oder haben Musikvereine tatsächlich inzwischen vermehrt Dirigenten und Musiker, die das Tablet oder ein sonstiges elektronisches Gerät für sich entdeckt haben? Oder spielt gar das ganze Orchester in einem »Netzsystem«?
Die vollständige digitale Nutzung könnte nach Meinung von Alexander Knam sogar positiv für Verlage sein, denn dadurch könnten sich komplett neue und für die Musikvereine individuell zugeschnittene Liefer- und Preismodelle ergeben. Wenn ein Verlag/Händler weiß, wie viele elektronische Geräte (Tablets, digitale Notenständer) in diesem Musikverein vorhanden sind, könnte der Preis für die Lieferung der entsprechenden Stimmen genau angepasst werden. Musikvereine hätten dann im Gegensatz zur Papierausgabe weder zu viele noch zu wenig Stimmen.
Hier stehen aber sicher noch enorme gedankliche und finanzielle Investitionen in Sachen Praktikabilität und Hardware an. Dass »es« möglich ist, steht außer Frage. Inwieweit »es« derzeit aber schon sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt, bzw. Tablet.
Kompetenz, Loyalität, Kollegialität
»Allein aufgrund von viel Arbeit, Schaffenskraft und klugen Zukunftsgedanken ist es uns sicher nicht gelungen, die 25 Jahre so erfolgreich zu erleben.« Sandra Buss macht keinen Hehl daraus, dass Loyalität, Respekt und Freundschaft der Mitarbeiter, der Verlagskollegen und auch der Kunden die Geschicke des Verlages beständig getragen haben. »Darüber bin ich nicht nur sehr glücklich, ich möchte auch allen ganz herzlich ›Dankeschön‹ sagen.«