Orchestra | Von Manuel Epli

33 Tipps für die Probenarbeit (2)

Probenarbeit
Wenn der Taktstock oben ist, gibt es keine Ansage mehr (Foto: stokkete – stock.adobe.com

Ein Dirigent wird mit dem Alter immer besser, sagt man. Erfahrung macht da einiges aus. Doch natürlich gibt es trotzdem zahl­reiche Tipps und Tricks, wie man seine Probenarbeit verbessern beziehungsweise effektiver gestalten kann und welche Faktoren ein Miteinander erleichtern. „Aus der Praxis und für die Praxis“ nennt der Dirigent Ma­nuel Epli seinen Ansatz. Im Sommer 2019 fand bereits sein viertes Seminar zum Thema „Probenmethodik und Orchesterführung“ statt. Epli hat die wichtigsten Inhalte zusammengefasst. 

Dieser Artikel gliedert sich in drei Teile, Teil 1 (BRAWOO 3/2020) behandelte die Tipps 1 bis 11, die Tipps 23 bis 33 folgen in der Mai-Aus­gabe.

12. Kein Abbruch ohne Feedback

Eine häufig anzutreffende Unsitte ist das „Jetzt haben wir es mal gespielt und spielen es einfach nochmal bis mir etwas einfällt was ich sagen kann“-Prinzip: Wenn du abbrichst, musst du etwas zu sagen haben. Wenn du dir nicht sicher bist und du noch an der Formulierung arbeiten musst, dann lasse lieber ein paar Takte weiterspielen und breche erst dann ab. Sobald du aber abbrichst, muss auch fachlich und inhaltlich fundiertes Feedback kommen. Ein gutes Hilfsmittel sind hier die Standardsituationen der Orchesterschulung: Die Fehler, die ein Orchester häufig macht, kann man in Fehlerklassen kategorisieren und die Erarbeitung bzw. Korrektur der Fehler auch systematisieren.

13. Sei als Dirigent immer ein Vorbild

Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene lernen durch das Nachahmen und Imitieren von Modellen. Darum ist es wichtig, dass du all das, was du von deinen Musikern haben möchtest, auch immer selbst vorlebst. Du willst, dass deine Musiker immer vorbereitet sind? Dann musst du auch selbst immer gut vorbereitet sein. Du willst, dass deine Musiker pünktlich zur Probe kommen? Dann musst auch du jede Probe 15 Minuten vorher da sein. Du findest dafür sicherlich noch zahlreiche weitere Beispiele.

14. Vorbereitung ist alles – ohne Vorbereitung ist alles nichts

Ob eine Probe gut wird, entscheidet sich schon Tage vorher. Ich kenne sogar Kollegen, die behaupten, dass sich in der spielfreien Zeit im August entscheidet, ob ein Konzert im Dezember gut wird. Voraussetzung für eine hohe Abbildungstiefe der Partitur durch das Orchester im Konzert ist eine hohe Durchdringungstiefe der Partitur durch den Dirigenten bei der Partiturvorbereitung. Sind die Tempi klar? Ist die Harmonik notiert? Sind die kritischen Töne eingetragen? 

Gute Dirigenten wissen bereits im Vorfeld, an welchen Stellen das Orchester Fehler machen wird und wie sie diese Fehler in der Probe be­heben werden (∧ Standardsituationen der Orchesterschulung).

15. Die Stimmung in der Probe darf nie kippen

Achte darauf, dass die Stimmung in deiner Probe nicht kippt. Es gibt zwei Richtungen, die sehr gefährlich sind: Die erste ist, dass das Orchester alles lustig findet. Die zweite Richtung ist, dass die Stimmung, zum Beispiel durch unbedachte Äußerungen, ins Negative kippt.

16. Singe immer so vor, wie die Musiker anstoßen

Ich erlebe immer wieder Dirigenten, die mit der Silbe »ba« vorsingen. Auf keinem Instrument stößt ein Musiker mit »ba« an. Die Musiker stoßen im Idealfall mit der Silbe »da« an. So solltest du deinem Orchester auch vorsingen.

17. Breche nicht vor Höhepunkten ab

Vor einem Höhepunkt ist ein Orchester nur schwer zu stoppen – wenn du hier abbrichst, kostet das dich und das Orchester sehr viel Energie und es kommt bei den Musikern nicht gut an. Die Musiker sind »im Fluss« und wollen den Höhe­punkt erreichen. Darum: Lass das Orchester bis zum Höhepunkt spielen und breche dann ab.

18. Gib keine redundanten Informationen

Ich erlebe immer wieder Dirigenten, die dem Orches­ter beispielsweise die Phrasierung vor­singen und zwei Sekunden später auch noch über die Dynamik erklären. Entscheide dich in der »1. Runde« für eine Variante – entweder ­vorsingen oder über die Dynamik erklären. Die Variante, die du nicht gewählt hast, verwendest du in der »2. Runde«, wenn es die Musiker nach Runde 1 noch nicht verstanden haben.

19. Singe nicht in der Kopfstimme vor

Viele Dirigenten von Blasorchestern haben keine professionelle Gesangsausbildung. Aus diesem Grund ist ihre Kopfstimme zu wenig ausgebildet und klingt damit wenig überzeugend. Mein Tipp: Singe deinem Orchester immer mit der Bruststimme vor. Wenn du an einer Stelle von der Lage in die Kopfstimme gehen müsstest, oktaviere nach unten und singe in der tiefen Lage weiter. Wenn du das ein paar Mal übst, funktioniert das gut. Wir haben vor dem Orchester nur unsere Stimme, um musikalische Zusammenhänge abbilden zu können. Übe daher, dass du dem Orchester eine Melodie, Phrase oder ein Motiv ordentlich vorsingen kannst.

20. Fordere bei »leichter Musik« Disziplin ein

Ich habe es beim Wechsel vom Konzert- auf das Sommerprogramm jahrein, jahraus wieder erlebt: Beim Konzertprogramm spielt das Orchester sehr diszipliniert. Mit dem Auflegen der ersten Polka oder des ersten Marsches scheinen dann andere Regeln zu gelten. Nein, nein und nochmals nein! Eine Polka und einen Marsch kann man genauso kultiviert musizieren wie ein Konzertwerk. Es darf hier kein »Mindshift-Wechsel« im negativen Sinne erfolgen.

21. Mache gute Proben

Ja, das ist die Gretchenfrage des Dirigierens: Wann ist eine Probe gut? Das ist schwierig zu definieren.

Trotzdem wage ich hier einen kleinen Versuch:

  • Absolute Basis: Das Orchester spielt das Werk nach einer zweistündigen Probe besser als am Anfang der Probe.
  • Du lieferst in jeder Probe Input, Input, Input…
  • Du erkennst die Fehler, die das Orchester macht (und korrigierst diese in einer priorisierten Reihenfolge).
  • Du verschwendest in der Probe keine Zeit und kommst zügig von A nach B.
  • Die Stimmung (= Atmosphäre) ist gut (= kon­struktiv).

22. Sprich vor dem Orchester „musikerisch“ und nicht „dirigentisch“

Es gibt immer zwei Ebenen: Die dirigentische Vorstellungsebene und die praktische Umsetzung auf Musikerebene. Ja, es ist sinnvoll, wenn wir uns als Dirigenten das ein oder andere im Kopf auf der Vorstellungsebene überlegen. Wichtig ist dann aber die Transformation dieser Gedanken und die Aufbereitung in eine verbale Anweisung, mit der die Musiker etwas anfangen können. Musiker lieben pragmatische Anweisungen. Wenn du auf diese Art mit deinem Orchester kommunizierst, wirst du sehr schnell zum Ziel kommen.

Hier geht es zu Teil 1 und Teil 3.

Manuel Epli studierte Dirigieren am Vorarlberger Landeskonservatorium sowie an der Kunst- und Musikhoch­schule von Arnheim, Enschede und Zwolle (Niederlande). In Salzburg schloss er sein Dirigierstudium mit dem Master of Arts ab.  

Bis vor kurzem war Manuel Epli musi­kalischer Leiter der Bläserphil­harmonie der Stadt Blaustein. Er unterrichtet ­heute als Studienrat an der Friedrich-List-Schule Ulm.

manuelepli.de