Orchestra | Von Manuel Epli

33 Tipps für die Probenarbeit (3)

Probenarbeit
Wenn der Taktstock oben ist, gibt es keine Ansage mehr (Foto: stokkete – stock.adobe.com

Ein Dirigent wird mit dem Alter immer besser, sagt man. Erfahrung macht da einiges aus. Doch natürlich gibt es trotzdem zahl­reiche Tipps und Tricks, wie man seine Probenarbeit verbessern beziehungsweise effektiver gestalten kann und welche Faktoren ein Miteinander erleichtern. „Aus der Praxis und für die Praxis“ nennt der Dirigent Ma­nuel Epli seinen Ansatz. Im Sommer 2019 fand bereits sein viertes Seminar zum Thema „Probenmethodik und Orchesterführung“ statt. Epli hat die wichtigsten Inhalte zusammengefasst. 

Dieser Artikel gliedert sich in drei Teile, Teil 1 (BRAWOO 3/2020) behandelte die Tipps 1 bis 11, Teil 2 (4/2020) die Tipps 12 bis 22.

23. Gib nicht zu früh auf

Viele Dirigenten haben ein Gespür dafür, was sie proben müssen. Sie erreichen meisten nur nicht das Ergebnis das möglich wäre, weil sie zu früh aufgeben. Damit eine Stelle wirklich besser wird, sind meist mindestens drei Iterationsschleifen erforderlich. Aus Angst zu weit zu gehen, gehen wir oft nicht weit genug!

24. Arbeite an deiner Ausstrahlung

Man kann lernen freundlich, offen und locker aufzutreten. Beschäftige dich mit diesem Thema! Sobald wir vor einer Gruppe stehen, kommunizieren wir. Man kann nicht nicht kommunizieren. Egal was vor der Probe passiert ist – das Orchester hat immer das Recht auf eine schöne Probe.

25. Gewöhne dir die musikalische Fachsprache an

Wenn du als Dirigent vor dem Orchester stehst, bist du der Experte und solltest dich auch dementsprechend ausdrücken. Es geht nicht darum, dass du bewusst gekünstelt sprichst oder dass du das Orchester mit musikalischen Fachtermini erschlägst. Es geht vielmehr darum, dass wir uns als Dirigenten ordentlich und professionell ausdrücken müssen.

26. Optimiere deinen Auftritt

Wenn du anfangen möchtest mit dem Orchester zu arbeiten, ist das die primäre Handlung. Es darf dann keine sekundäre, davon ablenkende, Handlung geben. Der Klassiker: Der Dirigent betritt das Podest und möchte anfangen, stellt dann aber fest, dass das Pult nicht auf der richtigen Höhe ist und muss dieses dann erst höher einstellen. Das ist ein „no go“. Erledige solche Dinge vorher und verschenke im Moment deines Auftritts keine Dramaturgie.

27. Dein Rucksack an musikalischen Ideen muss randvoll gepackt sein

Musiker möchten Musik machen. Sie möchten keinen Dirigenten haben, der ihnen die Stimme „vorliest“ und ihnen erklärt, dass sie hier Mezzoforte und dort Staccato spielen müssen. Das können sie (meistens) selbst. Gute Dirigenten haben in den Bereichen „Handwerk“ und „Kunst“ etwas zu sagen: Sie begeistern Ihre Musiker, indem sie an der Phrasierung, der Gestaltung und dem Ausdruck arbeiten – und zwar in jeder Probe! Voraussetzung dafür ist selbstverständlich die Beherrschung der Standardsituationen der Orchesterschulung und der Standardsituationen der Gestaltung. 

28. Lobe nur dann, wenn etwas auch wirklich gut war

Viele Dirigenten verstehen unter „pädagogischem Handeln“, dass oft gelobt wird. Ja, es stimmt – wir Dirigenten neigen dazu, dass wir unsere Musiker zu wenig loben. Es gibt nur ein Problem: Wenn wir das Orchester für etwas loben was nicht gut war, erkennen das die Musiker sehr schnell. Wir verlieren in diesem Moment unsere Glaubwürdigkeit und das Lob nutzt sich ab. Darum: Es wird nur dann gelobt, wenn es auch wirklich gut war. Es gibt kein „pädagogische Alibi-Lob“!

29. Werde ein Experte für die Intonationsarbeit

Die Intonationsarbeit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit als Dirigent. Es gibt zahlreiche Glaubensgrundsätze, die sich in der Szene seit Jahren halten, die aber einfach falsch sind. Hier einekleine Auswahl:

  • Das Nachspielen eines Tones (= Stimmen) verbessert die Intonation.
  • Das Orchester wird nach der Tuba eingestimmt.
  • Die größte Ursache aller Intonationsprobleme ist, dass die Musiker nicht gut „hören“.

30. Vermeide den größten Fehler bei der Arbeit mit einem Blasorchester: Du spielst und probst immer alles nur im Tutti.

  • Variante 1: Du legst den Fokus nie auf eine bestimmte Lage (z. B. die Bass-Gruppe).
  • Variante 2: Du legst den Fokus nie auf eine bestimmte Registrierung (z. B. Alt-Sax + Horn).
  • Variante 3: Du legst den Fokus nie auf einen bestimmten Satz (z. B. die Trompeten).

31. Gestalte nicht nur Melodien, sondern auch die Begleitung

Denke immer daran: Wenn eine Melodie gestaltet wird, muss auch die Begleitung gestaltet werden. Wenn in den Posaunen eine akkordische Begleitung zu einem Trompeten-Solo liegt, müssen die Posaunen mit dem Solisten mitphrasieren.

32. Werde ein Experte für die Instrumente des Blasorchesters

Warum ist das wichtig? 

Erstens weißt du, wo was schwierig ist und woran du arbeiten muss. Du bekommst also Ansatzpunkte für die Probenarbeit. 

Zweitens kannst du deinen Musikern helfen, instrumentenspezifische Probleme zu lösen. Hier ein paar Fragen, um dein Wissen zu testen:

  • Was ist ein H-Fuß?
  • Welche Töne stimmen auf der Oboe nicht?
  • Was sind Schleifklappen?
  • Was ist eine Bechermechanik?
  • Welches Problem gibt es auf dem Saxofon mit dem kleinen Finger
  • Wie verändert sich die Stimmung des Horns beim Stopfen?
  • Ist ein dis‘‘ auf der Trompete eher zu hoch oder zu tief?
  • Warum kann nicht jeder Posaunist ein H1 spielen?
  • Wie funktioniert das Kompensationssystem auf dem Eufonium?
  • Was ist das Wiener-System auf der Tuba?
  • Was ist ein Flageolett auf dem Kontrabass?
  • Auf welcher Pauke kann man ein D spielen?

33. Lege die „Beißhemmung“ vor deinem Orchester ab

Viele Dirigenten trauen sich nicht, dem Orchester ein klares Feedback zu geben und arbeiten stattdessen mit „verklausulierten“ Formulierungen. Es gibt in einer Probe kein „man müsste“, „ihr solltet“ oder „man könnte“ – Orchester brauchen inhaltlich klare Ansagen. Diese Ansagen müssen vom Dirigenten kommen. Freundlich im Ton aber, hart in der Sache.

Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2.

Manuel Epli studierte Dirigieren am Vorarlberger Landeskonservatorium sowie an der Kunst- und Musikhoch­schule von Arnheim, Enschede und Zwolle (Niederlande). In Salzburg schloss er sein Dirigierstudium mit dem Master of Arts ab.  

Bis vor kurzem war Manuel Epli musi­kalischer Leiter der Bläserphil­harmonie der Stadt Blaustein. Er unterrichtet ­heute als Studienrat an der Friedrich-List-Schule Ulm.

manuelepli.de