Dieses Jahr jährte sich der Geburtstag des Komponisten Alfred Reed, der am 25. Januar in New York unter dem Namen Alfred Friedman als Sohn im 1. Weltkrieg aus Österreich-Ungarn eingewanderter Eltern geboren wurde, zum hundertsten Male. Ein guter Anlass, sich in besonderer Weise an diesen vielseitigen Komponisten zu erinnern, dem wir in der Blasmusikszene viele nachhaltig verbleibende Kompositionen, um nicht zu sagen Meisterwerke, verdanken.
Ich kam mit seinen Werken schon sehr früh in den späten 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Berührung und das auf zwei sehr unterschiedlichen Wegen. Damals waren Alfred Reed und seine Werke hierzulande praktisch unbekannt – die Blasorchester hatten meist ein sehr anderes Repertoire. Nachdem ich 1978 mein Akademisches Blasorchester München aus der Taufe gehoben hatte und damals fast ausschließlich Bearbeitungen leichterer Klassik spielte, begann ich auf Empfehlung eines Musikerkollegen meine Sommerferien in der Summer School of Music in der Nähe des englischen Bournemouth zu verbringen und lernte dort zum ersten Male durch den Dirigenten David Kendall originale Werke aus dem angelsächsischen Bereich kennen und schätzen.
Neben den zwei Suiten von Gustav Holst und anderen Klassikern tauchte da im 2. Jahr meiner Besuche ein Werk auf, das mich sofort in den Bann schlug: die “Armenischen Tänze Teil 1”. Ich war fasziniert von den tollen Klängen, die sich rund um meine Tuba einstellten und die opulente Klangsprache dieses amerikanischen Komponisten. Das Werk blieb über meine ganze Laufbahn immer im Fokus und ich habe es viele Male bei unterschiedlichen Gelegenheiten einstudiert und gerne aufgeführt. Alle Musiker sind mit interessanten Partien beschäftigt und auch ein konventionell eingestelltes Publikum hat diese Musik immer begeistert gehört.
Empfehlung: “Festive Prelude”
Das zweite Treffen mit Reeds Musik passierte knapp später auf einer gänzlich anderen Ebene durch den unvergessenen Leiter der Werkskapelle der Wacker Chemie Burghausen, meinem langjährigen Freund Franz Stangl. Ich wurde mittlerweile auf Betreiben von Heinz Wohlmuth ziemlich unerwartet Bundesdirigent des Musikbundes von Ober- und Niederbayern und war in dieser Funktion auch für die Auswahl der Pflichtstücke für die Wertungsspiele zuständig. Auf einem der damals sehr geschätzten Dirigentenkongresse in der neuen Bayerischen Musikakademie Marktoberdorf empfahl mir Stangl das kurze aber wegen vielen Übergangen sehr gut geeignete “Festive Prelude” als Herausforderung für die Oberstufe. Zu meiner Überraschung wurde das Stück sehr oft ausgewählt und wurde auch in Konzerten immer öfter gehört. Und so begann die lange Erfolgsgeschichte von Alfred Reed im südbayerischen Raum.
Nach diesen Initialzündungen und dem Umstand, dass meine zahlreicher werdenden Orchester nach immer mehr Werken von diesem sehr produktiven Komponisten fragten, kamen im Laufe der Zeit viele Werke von ihm auf meine Pulte – sei es dem Akademischen Blasorchester München, der Deutschen Bläser Philharmonie und meinen Vereinsorchestern oder dem bald eingerichteten “Sommerkurs für sinfonisches Blasorchester” in Marktoberdorf. Besonders herausragend empfand ich die “Russian Christmas Music“, die “Hounds of Spring”, “El Camino Real“, “The Music Makers” und alle sieben Suiten – darunter besonders die “Second Suite – Latino Mexicana” und die “Fifth Suite (International Dances)”. Aber auch meine Jugendkapelle Wasserburg spielte die relativ leichte “Little Concert Suite” oft und mit großem Erfolg. Bis heute schaue ich bei Programmgestaltungen immer wieder gerne in die umfängliche Werksauswahl von Reed – viele Entdeckungen sind dort noch zu finden.
Reeds Musik ist zugänglich und sensationell gut zu spielen
Persönlich fand ich Reed immer am besten, wenn er den Topos der “Unterhaltung” bearbeitete. Hier konnte er auch gegenüber der zeitgenössischen “seriösen” Musik sein Feld behaupten. Seine Musik ist zugänglich und sensationell gut zu spielen. Ausführende und Hörer sind beide voll angesprochen und haben großes Vergnügen damit. Mit seinen ambitionierten Werken wie seinen verschiedenen Symphonien konnte ich nie viel anfangen. Zwangsläufig begibt man sich als Komponist auf diesem Felde in massive Konkurrenz zu der sogenannten “E-Musik” und wenn die Klangsprache dann etwa 100 Jahre zu spät zum Einsatz kommt und alles einfach zu konventionell und “spätromantisch” klingt, ist ein Sieg auf diesem Felde beinahe unmöglich. Das 20. Jahrhundert hat Komponisten wie Prokofiev, Schostakowitsch, Hindemith, Ravel, Bernstein und viele, viele andere hervorgebracht. Und gegen diese Übermacht gibt es kein Entkommen.
Aber: dies spielt angesichts meiner Begeisterung für die “anderen” Werke für mich überhaupt keine Rolle. Ich bin ihm sehr, sehr dankbar für die viele schöne Musik, die wir alle noch lange spielen dürfen. Bei den „Eifeler Musiktagen“ hätten sich unsere Wege beinahe nach einem kurzen Treffen in Kansas City ein zweites Mal gekreuzt. Ich war allerdings bei der Musikwoche parallel mit der Deutschen Bläser Philharmonie im Einsatz. Eine geplante Gasttätigkeit von ihm bei der “Internationalen Sommerakademie für sinfonisches Blasorchester” in Marktoberdorf kam dann aus Gesundheitsgründen leider nicht mehr zustande.
Danke, Maestro!