Benny Goodman war einer der brillantesten Klarinettisten des Jazz. Mit seiner Bigband entfachte er 1935 die Swing-Begeisterung, die die USA aus der Großen Depression führen sollte. Seine Plattenfirma steigerte ihren Umsatz damals innerhalb eines Jahres um sagenhafte 300 Prozent.
Seine Autobiografie veröffentlichte Benny Goodman 1939. Zwar war er erst 30 Jahre alt, fühlte sich aber erschöpft. Er spürte, dass der Höhepunkt seiner Karriere als “King of Swing” bereits hinter ihm lag. Tatsächlich traten die Bigbands des Swing gerade ihren Abstieg an – und die ökonomischen Bedingungen der Kriegszeit sollten ihn noch beschleunigen. Drei Jahre später hatte Goodman die Idee, seine Autobiografie sogar verfilmen zu lassen – er soll eigenhändig ein Drehbuch dafür entwickelt haben.
Wichtiger als die historische Genauigkeit ist ein gutes Drehbuch.
Als dieses Projekt nicht zustande kam, hat er den Plan nicht weiter verfolgt. Erst als 1954 der Kinofilm “The Glenn Miller Story” erfolgreich war, wurde auch das Projekt eines “Biopic” über Goodman wieder aktuell. “Ich kannte Glenn Miller sehr gut”, sagte Goodman damals, “und ich hätte nie gedacht, dass man aus seiner Geschichte einen solchen Film machen kann. Ich sah den Film und dachte die ganze Zeit, er sei lächerlich – aber dennoch habe ich geglaubt, was ich auf der Leinwand sah. Nachdem ich den Produzenten getroffen hatte, gab ich ihm freie Hand.”
Auch in den 1950er Jahren wusste man: Hollywood-Filme sind keine Dokumentationen. Wichtiger als die historische Genauigkeit ist ein gutes Drehbuch. Dennoch wurde im Vorfeld des Goodman-Films kräftig über historische Details gestritten, als ginge es um ein Werk der Geschichtsschreibung. Viele der Personen, die im Film vorkommen, waren ja noch am Leben. Einige von ihnen, die für die erzählte Story eher nebensächlich sind, meldeten sogar ernsthafte Einwände gegen das Drehbuch an – was allerdings meist zur Folge hatte, dass die Auftritte ihrer Figur gekürzt oder ganz gestrichen wurden. Der Journalist Matiás Rinar zog 60 Jahre später dieses Fazit: “Der größte Teil des Plots ist entweder fehlerhaft oder eine völlig geschönte Version der Wahrheit.” Aber immerhin: Der Film enthält Motive, die der biografischen Wahrheit nahekommen.
Die Fakten im Film
Der Film beginnt damit, wie Vater Goodman seinen drei Söhnen im Jahr 1919 Musikinstrumente besorgt. Der Älteste (Harry) bekommt ein Eufonium, der Jüngste (Benjamin oder Benny) die Klarinette. Wir erfahren, dass Benny bei Franz Schoepp Unterricht nimmt, einem deutschstämmigen Klarinettisten des Chicago Symphony Orchestra. Wir sehen, wie er auf den Tanzschiffen auf dem Lake Michigan den Jazz kennenlernt und wie er Mitglied in der Band des Schlagzeugers Ben Pollack und ein gefeierter Solist wird. Und wir erleben, dass sich Goodman selbstständig macht und dass John Hammond und Willard Alexander seine Agenten werden.
Dann geht es Schlag auf Schlag. 1934 sucht die Werbe-Radiosendung “Let’s Dance” eine Studioband – Goodman bewirbt sich. Als die Sendung nach einigen Monaten wieder eingestellt wird, ist damit auch Goodmans Band am Ende – es sei denn, sie würde auf Tournee gehen. Die Tourneekonzerte sind aber wenig erfolgreich, bis man nach Kalifornien kommt. Wegen der Zeitverschiebung waren Goodmans Radioauftritte dort schon am frühen Abend gelaufen – es hatte sich unbemerkt eine junge Fan-Gemeinde gebildet. Der Auftritt im Palomar Ballroom in Los Angeles im Sommer 1935 führt dann ziemlich überraschend zum Ausbruch des Swing-Fiebers. 1937 erobert Goodman auch das Paramount Theatre in New York. Das Konzert in der Carnegie Hall 1938 ist Höhepunkt seiner Karriere und das Ende des Films. (Bis heute ist das Carnegie-Hall-Konzert legendär. Zufällig wurde es damals mitgeschnitten und erschien 1950 erstmals auf Schallplatte.)
Die Hauptfiguren
Für die Hauptrolle in “seinem” Film hatte sich Goodman den Schauspieler Tony Curtis gewünscht. Doch die Wahl fiel erstaunlicherweise auf Steve Allen (1921 bis 2000), einen populären Fernsehmoderator, der als jazzkompetent galt. Allen soll für die Rolle drei Monate lang Klarinettenunterricht genommen haben – dennoch ist nicht zu übersehen, dass er das Klarinettenspiel im Film lediglich mimt. Schauspielerische Erfahrung hatte er auch kaum. Doch seine kühle, etwas eckige Distanziertheit passt über weite Strecken gar nicht schlecht zur Hauptfigur.
Diese “Kühle” bietet auch die Basis der etwas mühsamen Liebesgeschichte, ohne die ein solcher Hollywood-Film nicht funktionieren würde. Bei der Romanze zwischen Goodman und seiner späteren Frau Alice (der Schwester seines Agenten Hammond) haben die Drehbuchschreiber wohl am meisten Fantasie entwickelt. Dass Alice Hammond (gespielt von der wunderbaren Donna Reed) damals bereits verheiratet und Mutter dreier Kinder war, wird im Film natürlich verschwiegen. Es passte nicht ins spießige Hollywood-Schema.
Die Musik
Das Allerbeste an diesem Film ist erfreulicherweise die Musik. Für den Soundtrack wurden 21 “Klassiker” aus Goodmans Karriere komplett neu aufgenommen. Goodman hatte dabei die musikalische Leitung und spielte alle Klarinettensoli selbst. Und er stellte für die Aufnahmen seine legendären Formationen wieder auf die Beine: das Trio und Quartett in Originalbesetzung (mit Teddy Wilson, Lionel Hampton, Gene Krupa) sowie die Bigband mit einigen Veteranen darin und einigen Newcomern.
Goodmans Musik erklingt im Film nicht als “Background”, sondern steht selbst im Vordergrund: Die Auftritte der Goodman-Bands sind Teil der Story. Alle Musiker werden im Bild gezeigt und nicht gedoublet. Gefilmt wurde offenbar zum Playback der vorher entstandenen neuen Tonaufnahmen. Manche Solisten hatte man dazu angehalten, ihre historischen Improvisationen aus den 1930er Jahren “nachzuspielen” – danach mussten sie sie vor der Kamera auch noch entsprechend mimen. Dennoch sind für den Soundtrack Einspielungen entstanden, die zu Goodmans besten gehören.
Am Ende störte es Goodman übrigens, dass seine Kollegen alle persönlich im Film auftreten, er selbst aber komplett durch einen Schauspieler ersetzt ist.
Einige der Musiker – vor allem die Mitglieder des legendären Goodman-Quartetts – haben im Film auch kleine Sprechrollen. Sie spielen sich quasi selbst, obwohl sie inzwischen 20 Jahre älter geworden waren. Auch der Posaunist Kid Ory und der Schlagzeuger Ben Pollack treten als sie selbst auf. Der Arrangeur Fletcher Henderson dagegen, der 1952 gestorben war, wird von Sammy Davis Sr. verkörpert, dem Vater des Sängers Sammy Davis Jr. Interessant ist der Umgang des Films mit dem Thema Hautfarbe.
Dass Goodman in den 1930er Jahren als einer der Ersten im Jazz die “Rassenschranke” durchbrochen hat, wird hier nicht weiter thematisiert. “Gemischte” Bands scheinen im Film ganz normal zu sein. Gleichzeitig aber ist der Film nicht frei von rassistischen Stereotypen. Teddy Wilson spricht lediglich “Jazzslang” und Lionel Hampton erscheint als eine Art “musizierender Kellner”. Am Ende störte es Goodman übrigens, dass seine Kollegen alle persönlich im Film auftreten, er selbst aber komplett durch einen Schauspieler ersetzt ist. Er schlug deshalb vor, in einem Prolog oder Epilog zum Film ein paar Worte vor der Kamera zu sprechen. Die Produzenten haben das abgelehnt.
Nachspiel
Der Soundtrack erschien damals auf zwei LPs bei der Plattenfirma Decca. Benny Goodman war als Musiker jedoch beim Konkurrenten Capitol Records unter Vertrag. Um von der Publicity des Films zu profitieren, ließ man ihn bei Capitol ein ähnliches Programm aufnehmen und veröffentlichte die Schallplatte unter einem ähnlichen Namen: “Mr. Benny Goodman – The Benny Goodman Story”. Bei den anderen beteiligten Musikern hatte sich Decca nicht groß um deren Plattenverträge gekümmert. Manche waren zum Beispiel beim Produzenten Norman Granz verpflichtet, der mehrere Labels betrieb. Granz hielt damals still, bis die Soundtrack-LPs erschienen waren. Dann bot er an, auf eine Klage zu verzichten, falls Decca die Sängerin Ella Fitzgerald aus ihrem Vertrag entlassen würde. Granz war seit Jahren der Agent von Fitzgerald und plante für sie eine große Karriere. Dank dem Goodman-Film konnte er sie loseisen und startete mit ihr sein neues Label Verve.