Das Burnout-Syndrom ist inzwischen bei etwa 60 Berufen und Personengruppen beschrieben worden. Dazu gehören auch Musiker. Was aber kann man tun, um es gar nicht erst soweit kommen zu lassen? CLARINO sprach mit Professor Dr. Gerd Schnack über eine neue und zugleich alte Methode: Die Meditation.
Herr Schnack, was ist Burnout eigentlich?
Burnout ist die Fortsetzung einer psychosomatischen Funktionsstörung. Durch die hohe Flut von Informationen, die vom zentralen Nervensystem in der modernen Online-Gesellschaft bewältigt werden muss, kommt das Gehirn nicht mehr zur Ruhe. Letztendlich ist es die Fortsetzung der Diagnose vegetative Dystonie. Das vegetative Nervensystem spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle. Dieses ist für wesentliche Funktionen unseres Körpers wichtig – zum Beispiel Atmung, Kreislauf, Verdauung, Regeneration – und wird überfordert.
Der Begriff Burnout scheint eher eine neumodische Erscheinung zu sein…
Es ist aber eigentlich eine uralte Thematik. Burnout hat es schon immer gegeben. Allerdings hat die Informationsdichte in der Online-Gesellschaft dramatisch zugenommen. Wir leben in einer lauten, schnellen, aber auch in einer hellen Welt. Die Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Entspannung oder zwischen Erregung und Erholung ist aus dem Gleichgewicht geraten – da ist die Balance verlorengegangen.
Im Zusammenhang mit Burnout kommt auch immer wieder das Thema Depression auf. Wie unterscheiden sich Burnout und Depression?
Burnout ist eigentlich keine richtige Diagnose. Die Depression ist der medizinische Begriff. Der Mensch verfällt in dem Zustand des Ausgebranntseins in die symptomatische Depression. Wir kennen die sogenannte endogene Depression, die eine innere Ursache hat, und auch die exogene Depression. Heute haben wir es hauptsächlich mit der exogenen Depression zu tun. Äußere Faktoren sind entscheidend und sorgen dafür, dass die Leistungsreserven aufgebraucht werden und dass der Mensch in ein Tief verfällt, verbunden mit einer negativen Denkweise.
Daraus ergeben sich Konsequenzen auf das Hormonsystem, das sehr eng mit dem vegetativen Nervensystem verbunden ist. Die Leistungshormone verlieren an Wirkung und die Antriebshormone – wie zum Beispiel das Adrenalin – können sich nicht mehr durchsetzen. Dann entsteht diese gravierende Leistungsschwäche beziehungsweise diese depressive Stimmungslage. Der Betroffene traut sich nichts mehr zu. Das geht soweit, dass man nicht mehr aus dem Bett kommt. Man hat keine Entschlussfreude mehr. Und das ist eng verknüpft mit dieser depressiven Stimmungslage, weil im Körper die sogenannten Glückshormone – also Endorphin, Serotonin und Dopamin – nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen.
Am Arbeitsplatz kommt dann eine Antriebsschwäche dazu. Man ist nicht mehr leistungsbereit, man ist schlecht drauf, die Kollegen dürfen einen kaum ansprechen… Auf Dauer verliert man im Zuge von Burnout oder der Depression also mit Sicherheit seinen Arbeitsplatz – man ist nicht mehr konkurrenzfähig, weil man keine Leistung mehr bringt.
Gibt es Risikogruppen, die für Burnout besonders anfällig sind?
Es sind fast immer Leistungsträger, die betroffen sind. Häufig auch Pädagogen. Und Burnout ist inzwischen auch im Orchester angekommen. Der Leistungsdruck in den deutschen Orchestern ist stärker geworden. Betroffen sind vor allem Solisten. Wenn in einem guten Orchester eine Stelle ausgeschrieben wird, hat man heutzutage bis zu 1000 Bewerber.
Was sind speziell bei Musikern mögliche Auslöser?
Die Orchester spielen heute wesentlich lauter als früher. Musiker haben also mit Lärmbelastung zu kämpfen. Hinzu kommt die Enge im Orchestergraben. Auch das ist ein Stressfaktor. Der Druck beginnt aber schon in der Kindheit, in der die Berufsausbildung von Musikern anfängt: Ehrgeizige Eltern wollen ihre begabten Kinder fördern. Die Kinder nehmen schon früh an Wettbewerben teil. Oft haben sie dann gar keine Zeit mehr, zu spielen. Mit der Zeit kommt dann immer mehr dazu. Ein Musiker, der an die Spitze will, muss ehrgeizig sein. Dieser Ehrgeiz kann aber auch schädlich sein.