Orchestra | Von Klaus Härtel

Ausgefallene Uraufführung des “Tuba Concerto” in Wangen

Stadtkapelle Wangen
Foto: Stadtkapelle Wangen

Eigentlich wäre es am 10. Mai so weit gewesen: Der Weltklasse-Tubist Andreas Martin Hofmeir wäre bei der Stadtkapelle Wangen im Allgäu zu Gast gewesen um gemeinsam die Welt-Uraufführung des “Tuba Concerto” des amerikanischen Komponisten Stephen Melillo. Corona machte auch hier einen Strich durch die Rechnung. Wir sprachen – vor Corona – mit den Protagonisten und die Antworten sind einfach zu gut, um sie zu unterschlagen. Außerdem steht nun der neue Konzerttermin fest: 28. März 2021 (Palmsonntag).

Andreas Hofmeir wird gemeinsam mit der Stadtkapelle Wangen im Allgäu im nächsten Jahr im Festsaal der Freien Waldorfschule Wangen auf der Bühne stehen. Das Konzert beginnt um 17 Uhr und verspricht besondere Höhepunkte, allen voran im ersten Teil die Welt-Uraufführung des “Concerto for Tuba” von Stephen Melillo, interpretiert vom musikalischen Tausendsassa An­dreas Hofmeir.

Das Projekt wird in enger Zu­sammenarbeit mit dem Musikverlag Rundel realisiert. Dirigent Tobias Zinser wird um dieses Werk ein passendes und anspruchsvolles Konzertprogramm zusammenstellen. Es werden weitere Werke aufgeführt, die im blas­orches­tralen Konzertsaal nur sehr selten zu hören sind.

Drei Fragen an Stephen Melillo

Stephen Melillo, kennen Sie Andreas Hofmeir? Kennen Sie das Orchester? Und warum ist das beim Komponieren des Stücks relevant (bzw. wa­rum nicht)?

Ich habe erst von Andreas Hofmeir gehört, als ich das Konzert für Tuba schrieb. Und auch das Orchester kenne ich nicht persönlich, aber ich kenne natürlich Tobias Zinser. Er dirigierte die Premiere von “The Prayer of Our Lord”. Ich schätze ihn und seine Arbeit sehr. Und ob das relevant ist? Diese Frage gefällt mir sehr gut. Wenn man ein Konzert schreibt, gibt es im ­Idealfall tatsächlich Aspekte, die für alle hoch­karätigen Tubisten “universell” sein sollten.

Bei der persönlicheren Erstellung eines Konzerts schreibt man jedoch für den jeweiligen Musiker. Also ja, ich habe das Konzert geschrieben, bevor ich wusste, dass ­Andreas Hofmeir die Premiere spielen würde. Es war eine Anfrage eines amerikanischen Universitätsdirektors, der später aus dem Prozess ausstieg. Anstatt mich um die von jemand anderem beschriebenen Parameter zu kümmern, schrieb ich, was ich von einem versierten Tubisten hören wollte. Ich begann mit dem 2. Satz und bat den Musiker im Wesent­lichen, die hornartige Farbe der Tuba in ihrem oberen Register zu veranschaulichen.

Diese Qualität würde in den Händen des richtigen Spielers eine Farbszene erzeugen, die die flehenden, vielleicht einsamen Aspekte des Instruments darstellt. Der 2. Satz trägt den Titel “This Too Has Passed, Lento con do­lore”. Ich wusste immer, dass diese Musik einen begabten und emotionalen Tuba-Spieler erfordern würde. An­dreas Hofmeir ist perfekt für diesen Satz. Als ich erfuhr, dass er die Premiere übernehmen würde, nahm ich einige Änderungen vor und fügte Musik hinzu, die meiner Meinung nach spezifischer für die große Vielseitigkeit und die Fähigkeiten von Andreas Hofmeir ist.

Das Concerto heißt “The Strong Soul”. Ich glaube, dass Hofmeir die perfekte Person ist, dies darzustellen. Obwohl wir uns noch nie getroffen haben, kann ich in seinem Musikmachen hören, dass er tatsächlich “The Strong Soul” ist, was dieses Stück meiner Meinung nach erfordert. Später, so hoffe ich, wird jeder Tubist der ganzen Welt dieses Werk spielen.

Wie würden Sie das neue Stück in wenigen Worten beschreiben?

1. Satz: ”The Strong Soul, Allegro Intenso” (4:06). Wir werden in die Hölle gestoßen.

2. Satz: “This Too Has Passed, Lento con dolore” (6:09). Es wird gesagt: “Auch dies wird vergehen.” Vielmehr ist auch dies bereits vergangen. Wir warten auf die Vergangenheit, während man sich an die Zukunft erinnert.

3. Satz “Sorrows & Victory, Lento, Allegro molto” (7:19 mit Cadenza). In der Aufgabe erstarken wir, um ein Denkmal für den Geist Gottes und des Menschen zu schaffen.

Was war die Herausforderung beim Komponieren des Stücks?

Wie immer… Musik zu schreiben, die dem Tubisten und dem Ensemble Spaß macht sowie das ­Publikum nicht nur von der Technik, sondern auch vom Herzen und der Seele der Botschaft bewegt. In diesem Werk zeigt uns eine Person mit einer starken Seele in seinem Spiel, wie auch wir mit starken Seelen leben könnten.

Drei Fragen an Tobias Zinser

Tobias Zinser, wie kam es zur Kombination Melillo/Hofmeir in Wangen?

Zu Stephen Melillo besteht schon seit einigen Jahren ein persönlicher Kontakt. Ich schätze die besondere Persönlichkeit, die unbeschreibliche Energie und den Enthusiasmus, wie er seine Botschaft mit seiner Musik transportiert. Zudem konnten meine Orchester in den vergangenen Jahren schon einige Werke aufführen, darunter auch die Premiere seines Opus 1000, “The ­Prayer of Our Lord”, mit der KJK Biberach. 

Als Stephen sein “Tuba Concerto” dem Verleger Thomas Rundel vorstellte, entwickelte sich der Gedanke, dieses außergewöhnliche Werk mit einem herausragenden Solisten mit der Stadt­kapelle Wangen uraufzuführen. Schließlich konnten wir den vielleicht außergewöhnlichsten Tuba-Solisten überhaupt für dieses Projekt gewinnen. Wir freuen uns sehr, dieses Werk mit Andreas Hofmeier aufführen zu dürfen.

Wie würden Sie das neue Werk in wenigen Worten beschreiben?

Es ist ein typischer Melillo! Vor allem der Solist ist sehr gefordert, sowohl was die Technik als auch den Ambitus betrifft. Nachdem Stephen ­erfahren durfte, das Andreas Hofmeir sein Konzert an der Tuba spielen wird, komponierte er eine spezielle “Andreas Cadenza”. Das wird sicherlich spannend.

Was ist für Sie als Dirigent die Herausforderung? Und worin liegen die Schwierigkeiten für das Orchester?

Die Herausforderung für den Dirigenten liegt sicher­lich darin, den Wünschen und Ansprüchen sowohl des Komponisten als auch des Solisten gerecht zu werden. Zudem ist es immer spannend, ein Stück als Erster in den Händen zu ­halten und interpretieren zu dürfen. Der Stadt­kapelle steht relativ wenig gemeinsame Probenzeit mit dem Solisten zur Verfügung. 

Auch ist es sicherlich eine Herausforderung, für einen solch tollen Solisten ein adäquater Partner zu sein. Die technischen und musikalischen Schwierigkeiten sind so, wie man es von einem großen Werk von Stephen Melillo erwarten darf.

Drei Fragen an Andreas Hofmeir

Andreas Hofmeir, (Foto: Philippe Gerlach) kennen Sie Stephen Melillo? Kennen Sie das Orchester? Und: Warum war das relevant, zur Uraufführung zuzusagen (bzw. warum nicht)?

Weder noch. Natürlich hatte ich von beiden schon gehört, die Stadtkapelle Wangen ist ja kein Geheimtipp mehr, und Stephen Melillo, sagen wir mal, der ist ja sowieso nicht zu über­hören. Es war der Wunsch des Komponisten selbst und auch der des Verlegers Thomas Rundel, dass ich die Uraufführung spiele, und das hat mich natürlich gefreut. Wir wollen, dass dieses neue Werk die größtmögliche Aufmerksamkeit bekommt und hoffentlich ein weiterer Schritt dahin ist, dass sich das Solo-Repertoire der Tuba nicht mehr verstecken muss.

Wie würden Sie das neue Werk in wenigen Worten beschreiben?

Es ist, wie die meisten Kompositionen von Stephen Melillo, nicht gerade ein Opus des Understatements. Im Gegenteil, es ist gewaltig kon­struiert, universal, mit einer tranzendentalen Kom­po­nente, die dem Komponisten ja immer besonders am Herzen liegt. Als Kabarettist ­würde ich mit meiner ironischen Distanz daran scheitern, aber als musikalischer Interpret freue ich mich, mich in diese Welt fallen zu lassen.

Was ist für Sie als Tubist die Herausforderung bei diesem Werk?

Ich glaube, man darf nicht mit dem Verstand rangehen. Dafür ist das Werk zu emotional. Es verlangt vollen emotionalen Einsatz, viel Kraft und die Naivität des Glaubens, um der Komposition vollends gerecht zu werden. Zumindest Letzteres liegt nicht gerade in meiner Natur, aber ich bin mir sicher, dass ich es für die 25 Minuten hinter der Tuba schaffen werde.