News, Orchestra | Von Redaktion

Beethoven’s Breakdown ist orchestraler Techno-Jazz

Beethoven
Foto: ACT Josy Friebel

Der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens am 17. Dezember 2020 ist sogar im Koalitionsvertrag der Regierung erwähnt. Er biete “herausragende Chancen für die Kulturnation Deutschland im In- und Ausland. Deshalb ist die Vorbereitung dieses wichtigen Jubiläums eine nationale Aufgabe”, heißt es da. Das hat sich die Jazzrausch Bigband nicht zweimal ­sagen lassen. Mit “Beethoven’s Breakdown” ehrt sie den bahnbrechenden Komponisten auf ihre Art. Nicht historisierend oder konservierend, sondern so wie es dem Innovator Beet­hoven geziemt, der die Musikgeschichte revolutioniert hat: eingebunden in das ebenso zukunftsweisende JRBB-Konzept eines orchestralen Techno-Jazz.

Wie grandios das funktioniert, demons­triert schon der Einstieg mit der berühmten “Mondscheinsonate”. Harte Beats treiben das Stück voran, das Melodie­thema wird minimalistisch und neu rhythmisiert von den Trompeten übernommen, dazwischen bekommen die Holzbläser viel Platz für Variation und Improvisation. Alles wird zum messerscharf getimten Wechselspiel, das die Spannung bis zum Zerreißen aufbaut. Sogar der lautmalerische Gesang von Patricia Römer wird mit einbezogen. Nach ähnlichem Muster wird der berühmte ­zweite Satz der 7. Sinfonie neu definiert. Ab­gesehen von einem feinen Trompetensolo und lyrischem Gesang wird das im Original zarte Thema von Kontrabassklarinette und Tuba dunkel und wuchtig in den Raum gestellt.

In völlig neuem Licht erscheint auch das Streichquartett Nr. 14. Über stark synkopierten Grundrhythmen werden verschiedenste Melodiefragmente harmonisch neu zusammengesetzt und übereinandergelegt. Diese überaus facettenreiche Bearbeitung verbindet so klassische Elemente gekonnt mit Fusion-Jazz und deutschem Techno à la Ben Klock.

Stargast Nils Landgren

Aber auch eine eigene Sonate in vier Sätzen findet sich auf “Beethoven’s Breakdown” wieder. Als besonderen Gast konnte die Jazzrausch Bigband den Posaunisten Nils Landgren gewinnen, der über das Opus soliert. Formal und harmonisch erinnert das Werk stark an Beethovens Musik, doch die Soundästhetik kommt ganz aus dem Hier und Jetzt- Sie bezieht die tanzbaren Grooves moderner House Music bis hin zur Spektral­musik eines Tristan Murails mit ein und verneigt sich auf diese Weise mit einem Kommentar aus heutiger Sicht vor Beethovens Schaffen.

Zwei kreative Köpfe stehen für diese kühne Hommage. Leonhard Kuhn, der musikalisch-ästhe­tische, aber auch philosophisch-naturwissenschaftliche Mastermind der Band, hat die Sonate komponiert und alle Techno-Arrangements für die Beethoven-Stücke geschrieben. Bandleader Roman Sladek war wie immer der Ideengeber, kümmerte sich um die Produktion und steht als Frontmann für die Dynamik und den Erfolg des Ensembles.

Neuer stiloffener Ansatz

In den nur fünf Jahren ihres Bestehens hat sich die Bigband mit ihrem neuen Ansatz eines stiloffenen, brand­aktuellen Orchesterjazz in den Vordergrund gespielt und ist international gefragt. Gut 120 Konzerte spielt man ­inzwischen pro Jahr, zuletzt bei großen Festivals in Europa, Asien, Afrika und in den USA. Aber eben auch als “Resident-Bigband” im Jazzclub “Unterfahrt” wie im Techno-Club “Harry Klein”. Das daraus erwachsene Spielverständnis, das absolut “tighte” Miteinander dieser Elite der süddeutschen Jazz-Instrumentalisten hört man auch auf “Beethoven’s Breakdown”.

Alles zusammen ergibt eine mitreißende Ver­jüngungskur für althergebrachte Jazzstile wie für Beethovens Klassik. Damit erreicht und gewinnt die Jazzrausch Bigband auch ein neues, junges Publikum für Beethovens Musik wie für Bigband-Jazz. So muss die Beschäftigung mit Traditionen aussehen: Die Fackel wird von einer Generation zur nächsten weitergetragen, um ganz neue Feuer zu entfachen.