Um jemanden bewundern zu können, der gebildet ist, sollte man selbst über so viel der Eigenschaft verfügen, dass man imstande ist, zumindest ihren Mangel zu diagnostizieren. Ähnlich ist es bei der Intelligenz: ohne ein Mindestmaß an eigener ist es unmöglich, die fremde zu würdigen.
Wen wundert es angesichts solch erkenntnistheoretischer Tatsachen daher, dass die Qualifikation eines Kapellmeisters von den meisten Musikern eher an der Funktionstüchtigkeit jenes Sinnesorgans gemessen wird, das sie zur Musik und in den Musikverein geführt hat. Denn so bedeutend das Gespür für dramaturgische Abläufe, das Wissen um die sozialgeschichtlichen Hintergründe von Musik, der gute Geschmack und die Fähigkeit, seine Ziele durch effizientes Management zu erreichen, objektiv für das Zustandekommen eines guten Konzerts auch sein mögen, subjektiv beeindruckt aus der Sicht des hinter dem Notenpult sitzenden Instrumentalisten die Fähigkeit mehr, feinste Tonhöhenunterschiede nach oben oder unten korrigieren und den Musikerinnen und Musikern gleichsam am eigenen Leib und Instrument ein exzellentes Gehör demonstrieren zu können.