Orchestra | Von Renold Quade

Bläck Fööss in Concert

Bläck Fööss
Foto: Leonie Hendrick

Die „Bläck Fööss“ gelten als „Mutter aller Kölner Bands“. Peter Schüller erstellte konzertante Medleys als Streifzüge durch das Gesamtwerk der Band. Die Lieder der „Fööss“ haben Botschaften, die sich sowohl durch Text als auch in Musik ausdrücken.

„Dialekt-Songs sind so alt wie die Popmusik. Die Beatles brachten das breite Liverpool-Englisch nach Amerika und Mick Jagger importierte den Südstaaten-Akzent des Blues nach London, wenn er nicht ein gepflegtes Cockney sang. Hierzulande aber wurde hochdeutsch gesungen. Dialekt gab es allenfalls bei Shanties oder in bayerischen Bierzelten. Popbands behalfen sich in den 1960er Jahren mit ihrem meist dürftigen Schul-Englisch.“ 

So analysieren heute rückblickend die „Bläck Fööss“ aus Köln auf ihrer Internetseite, in welchem Spannungsfeld sie sich als „Beatband“ befanden, als sie vor 50 Jahren mit der Idee rangen, in ihrer Muttersprache kreativ zu werden. Diese Band, die als die „Mutter aller Kölner Bands“ gilt, pflegt und belebt seitdem die „kölsche“ Sprache (wie es BAP etwa auch tut). Mit ihr als Stilmittel schauen die sieben rheinischen Barden in ihrer ureigenen Art auf die Lebensrealitäten der Menschen und halten „Jedermann“, mit verschmitztem Unterton, in unzähligen Liedern gerne auch einmal den Spiegel vors Gesicht. Ihre Gesellschaftsbetrachtungen amüsieren und reflektieren gleichermaßen. Und das nicht nur knallbunt zu Karneval. Sie beleuchten mit spitzbübischem Charme ganzjährig die Dinge der Welt. 

Bodenständigkeit

Teil ihres Erfolgsrezepts ist sicherlich ihre spezielle, mit wenigen Worten kaum zu erklärende Bodenständigkeit. Aus ihr resultieren breite Sympathien, die besonders am heimatlichen Rhein dazu führen, dass sie immer wieder gern gehört werden wollen. Ihre Texte sind, unter der eingängigen Oberfläche, in der Regel alles an­dere als profan oder rein provinziell. Sie sind gleichermaßen offen und direkt, aber auch charmant und versöhnlich. Oft ernst, aber irgendwie auch immer heiter. Gerne mal ironisch mehrdeutig, aber durchaus auch sehr eindeutig. Halt irgendwie so, wie man es im Allgemeinen gerne mit dem Phänomen „kölsche Lebensphilosophie“ zu erklären versucht.

Musikalisch schöpft die Band, wandlungsfähig und stilsicher, aus dem großen bunten Farb­kasten von gängigem Pop, breiter Folklore, Balladen, Swing und Latin in vielen Nuancen, gar bis hin zu Ausflügen in den A-cappella-Gesang.

Bläck Fööss
Foto: studio157.de | thomas ahrendt

Sie füllen die Kölner Philharmonie, die Lanxess Arena, begeistern Sitzungssäle und sind ganz selbstverständlich zu Gast bei volkstümlichen Festen. Zu großen Konzerten verstärken sie sich gerne mit Streichquartett, Bläsersektion und Perkussion, gelegentlich laden sie sich auch schon einmal ganze Orchester ein. Langweilig wird es ihnen, trotz und wegen ihrer konzeptionellen Konsequenz, wohl nie. Das Leben beschert ihnen verlässlich immer wieder neue ­Themen. Spannend auch, wie sich die Band in den letzten Jahren Schritt für Schritt enorm verjüngt und erneuert hat. Ja, und das bekenne ich gerne und freimütig, ich bin Fan fast von Beginn an. Der »Geist der ­Fööss« spiegelt immer wieder Teile meiner rheinischen Lebenseinstellung. Und das seit nunmehr 50 Jahren. 

Die „Komponisten“ und „Texter“ 

Die Musiker der „Ur-Fööss“ spielten vor 1970 in diversen Beatformationen, bevor sie sich als Band „Stowaways“ zusammenfanden. Sie coverten Hits der Beatles, der Kings oder der Hollies, hatten aber auch schon erste eigene Ideen zu kölschen Songs. Graham Bonney, mit dem sie im Studio zusammenarbeiteten, schlug ihnen vor, mutig einen solchen Titel aufzunehmen. Gesagt, getan! Mit der Aufnahme des „Riev­kooche Walzer“ (Rievkooche – Reibekuchen, die rheinische Version des Kartoffelpuffers), die immerhin rund 2000 Mal verkauft wurde, musste dann auch schnell ein Parallel-Name her. „De Bläck Fööss“ – „Die nackten Füße“ („bläck“ ist kölsch und bedeutet „nackt“) – waren geboren. Der Name klang, nach kölscher Philosophie, gleichsam „englisch“ wie auch „kölsch“. 

Der zweite Bläck-Fööss-Titel „Drink doch ene met“ fand im Vorfeld noch kein Interesse beim zunächst eher skeptischen Kölner Label EMI und wurde daher weiter südlich am Rhein, in Ludwigshafen, von der BASF herausgebracht. Dieses Lied wurde ein überzeugender Publikumserfolg und die Band, die barfuß, langhaarig und in Jeans zu ihren Auftritten kam, begann unaufhaltsam ihren Weg auf der Karriereleiter. Da war etwas Neues am Start, etwas, das die heiligen Hallen des Kölner Frohsinns, die Ballsäle und die Konzertbühnen gleichermaßen irritierte wie begeisterte.

„Unbekümmert hatten die Bläck ­Fööss das Idiom Willi Ostermanns mit Popmusik unterlegt und das Publikum mochte es!“, heißt es in der Biografie der Band auf der bandeigenen Website. Was erfolgreich im Karneval begann, wurde zu einem „ganzjahrestauglichen Universalkonzept“. Mitte der 1980er Jahre starteten sie mit „Frankreich, Frankreich“, „Katrin“ und „Bye bye my love“ ihre poppigen Ausflüge in die ZDF-Hitparade. Sie wurden zur Stimme vom Rhein, die immer wieder Aufmerksamkeit erregte und die gelegentlich (auch bei den Traditionsjecken) auch mal polarisieren konnte, wenn zum Beispiel Lieder wie „De Mama kritt schon widder e Kind“, „Am Arsch der Welt“ oder das historische „Kackleed“ recht direkt daherkamen. 

„Die Geschichte muss stimmen“

In ihren frühen Jahren arbeitete die Band (die als „Stowaways“ übrigens auch den Titelsong zur Zeichentrickserie „Wickie und die starken Männer“ eingespielt hatte) gerne und intensiv für den Kinder-Funk des WDR und bis zum heutigen Tag engagieren sich die Bläck Fööss intensiv an Schulen und in Kindergärten.

„Wir haben damals gelernt, dass nicht nur die Musik, sondern auch die Geschichte stimmen muss. Darauf achten Kinder besonders, und das ist auch bei den Erwachsenen nicht anders. Die Leute wollen den Text verstehen.“ So resümiert Erry Stoklosa, Sänger, Gitarrist und Mann der ersten Stunde. Mit dem unvergessenen Hans Knipp, seines Zeichens Musiker, vielmehr aber noch hoch anerkannter Jongleur der kölschen Sprache, stand der Band stets ein enger Verbündeter zur Seite. 

Die Geschichten und Figuren ihrer Lieder entstanden und entstehen oft aus der genauen ­Beobachtung ihrer heimischen Umgebung. „Sie erzählen vom Alltagsleben, ohne dabei ins unverbindliche ‚Menschlich-allzu-menschliche‘ abzugleiten. Andererseits ist die kritische Zeichnung ihrer Mitmenschen nicht denunziatorisch – sie machen sich nicht über die Leute lustig, die Leute sollen über sich selber lachen können, wenn sie sich in den Liedern als ‚Lück wie ich un du‘ erkennen.“ (Bandbiografie)

Die Gruppe präsentiert, trotz oder auch wegen aller Liebe zu ihrer Stadt, beileibe keine heile Welt. „Zille auf Kölsch“, so ein sicher nicht untauglicher Versuch einer vergleichenden Beschreibung. Zu aktuellen Themen wie Umweltzerstörung, Ausländerhass und verdrängter deutscher Vergangenheit nehmen die Bläck Fööss wie selbstverständlich immer wieder Stellung, auch im Bierzelt. Mehr als 400 Titel umfasst ihr Fundus. Viele sind längst zu Evergreens geworden, manche gehören fest zum „kölschen Liedgut“, etliche haben im Rheinland den Status von Volksliedern. 

Der Arrangeur

Peter Schüller

Peter Schüller, 1965 in Eschweiler (NRW) ge­boren, studierte Posaune und Arrangement an der Musikhochschule Köln/Aachen. Bereits mit 19 Jahren tourte er als Posaunist bei Wil Salden im Glenn Miller Orchestra Europe und war von 1989 bis 2010 Lead-Posaunist und Arrangeur im RWE Orchester Köln. Private Studien bei Dave Horler (Posaune) sowie Wieland Reißmann und Sammy Nestico (Arrangement) ebneten ihm Kontakte in die Welt der Tonstudios und der Musik­produktionen.

Im Jahre 2011 gründete er seinen eigenen Verlag (Conwood) und seit 2013 lebt und arbeitet er in Kalifornien als Assistent von Sammy Nestico. Dort vor Ort längst eingelebt und als Schreiber in der Szene angekommen, ist er nunmehr geschätztes Mitglied bei der ASMAC (American Society of Arrangers and Composers), der ASCAP (American Society of Composers, Authors and Publishers) und der AFM Local 47 (American Federation of Musi­cians Local 47 Los Angeles). 

Die Idee

Peter Schüller erstellte bereits zum 40-jährigen Jubiläum der Band zwei konzertante Medleys, die er unterteilte in „Die ersten 20 Jahre“ und „Die letzten 20 Jahre“. Diese beiden Streifzüge durch das große Gesamtwerk der Band sind über je gut acht Minuten im Grundsatz konzertant konzipiert, haben aber auch Passagen, in denen gerne einmal ein Refrain mitgesungen werden kann. Der Rheinländer kann halt nicht anders, und das ist eine positive Bemerkung. Das Stiften einer Gemeinschaft, die „zuhört“ und die „mitmacht“, ist auch ein Teil des Konzeptes der „Fööss“. 

Der Aufbau 

Teil 1 – »Die ersten 20 Jahre«

Dat Wasser von Kölle (1983)

Köln ist eine Stadt des Wassers, nicht nur wegen ihrer Lage am Rhein. Es gibt eine Thermalquelle, römische Wasserleitungen, mittel­alter­liche Brunnen, das „Kölnisch Wasser“, das ein Parfümeur 1709 kreierte, und nicht zu vergessen das obergärige Vollbier „Kölsch“. Das Lied nimmt die zu Beginn der 1980er Jahre aufkommenden Umweltsorgen zum Thema Wasser mahnend zum Anlass, darüber nachzudenken, dass der „Vater im Himmel“ eine Welt mit „reinstem Wasser“ geschaffen hat, welches der Mensch aber oft, mehr oder weniger gedankenlos, verseucht. Die satirische Aufzählung von Umweltproblemen mündet, musikalisch eingebettet in Gospelstilistik, schließlich augenzwinkernd in einen Wunsch an den Herrn, „ein Wunder der Einsicht“ zu bewirken, sonst stünde die Menschheit bald vor seiner Türe. 

Aus dem Nebel eines tiefen Unisono-„f“, welches als Orgelpunkt weiter präsent ist, erhebt sich choralartig das Kopfmotiv und mündet schnell, mittels einer verspielten Blues-Skala, in eine Fermate. Der zweite Aufgriff, nicht weniger „bluesig-sakral“, mündet sofort in die Schlusswendung. Kurze, eindrucksvolle zwölf Takte eröffnen lediglich mit dem Zitat des prägenden Hilferufs.

En unserem Veedel (1973)

Ein Hochlied, eine Pop-Ballade auf die Gemeinschaft und auf den Zusammenhalt, der im „Veedel“, in einem Stadtbezirk oder einer Gemeinde, unverzichtbar für Lebensqualität sorgt. Angestoßen durch die Frage, wie eine Zukunft aussehen soll, die durch Bau- und Modernisierungswut das Menschliche offensichtlich auf der Strecke bleiben lässt.

Nach kurzer Einleitung, die lediglich aus der Definition einer leichten Popbegleitung (gegebenenfalls nur mit Keyboard und/oder in den Klarinetten) besteht, beginnt eine Solo-Oboe (Querflöte) bei A mit dem ersten achttaktigen Melodiezug (Vers). Ab B der Wiederaufgriff dieser Melodie mit sanfter akkordischer und rhythmischer Begleitung. Kleine Akzente und ein Taktwechsel durchbrechen den poppigen Frieden, erregen Aufmerksamkeit und in C erklingt, ein Mezzo­forte kaum überschreitend, der Refrain in voller Partitur. Er wird wiederholt und fließt, im Charakter nachdenklich fragend, ausgedünnter instrumentiert, in die Schlusswendung mit Fermate.

Wenn de Sonn schön schingk (1975)

Diese flotte Samba bricht genau genommen mit der Tradition des sonntäglichen Herrenfrühschoppens. Da er recht einseitig nur den Vater, „de Pap“, und seinesgleichen unterhält, geht „de Mam“, die Ehefrau und Mutter, in die Offensive. Und dann nehmen sie sich in den Arm, um bei schönem Wetter Gemeinsames zu erleben. Und bei schlechtem Wetter, so die Vermutung, wird ihnen zu Hause wohl auch noch etwas Unterhaltsames einfallen. 

Zwölf Takte Samba im Schlagwerk (in den letzten vier Takten mit Unterstützung der Bässe) erwecken zu neuem Leben. Dynamisch alles im gemäßigten Mezzoforte. Groove hat Priorität vor Laufstärke. Die Verse teilen sich in zweimal acht Takte auf. Saxofone und weiches Blech wechseln sich melodieführend mit den hohen Hölzern ab. Die Trompeten und Posaunen ergänzen wirkungsvoll mit vorantreibenden Einwürfen.

Die vier Schlusstakte der Verse bäumen sich im ­Tutti, mit Akzenten und im Forte, kurz auf. Der ­Refrain (G) gehört dann zunächst dem Blech. Es gilt, zurück im Mezzoforte, weiterhin das Prinzip „Groove vor Lautstärke“. Bei der Wiederholung des Refrains pointieren die Holzbläser mit rhythmischen und harmonischen Ergänzungen und wirken klangsteigernd. Der Melodieverlauf verlängert sich konsequent, analog zur Text­not­wendigkeit, um vier Takte. Die abschließende Samba-Phrase im Tutti bedient über zwei plus einem Takt Gängiges, wenn da nicht die Überbindung wäre.

Ming eetste Fründin (1976)

Da erzählt ein junger Mann von seiner ersten Liebe, von seinem ersten „Sonnenschein“ namens Katharina Meier. Die konnte er in frühen Tagen mit seinem Dreigang-Fahrrad enorm begeistern, sie ließ ihn aber später wegen eines gewissen Mathias Weber im Stich, der bereits einen Pkw besaß, als er noch lediglich mit einem Moped motorisiert war. Die Erinnerung an ihr ­Lächeln bleibt trotzdem unvergessen. 

Diese Beatballade ist in Köln so präsent, dass ich es wage, folgende Behauptung aufzustellen: Stelle dich an einen beliebigen, aber von echten Kölnern durchaus gut besuchten Platz in Köln und singe gut vernehmlich die ersten drei Worte des Liedes „Ming eetste Fründin“. Ein Heer von Sänger(inne)n wird sich dir anschließen. Hat Flashmob-Qualitäten. 

Attacca, lediglich verbunden durch eine Überbindung mit stützendem Posaunenakkord, wechselt Tempo und Groove stauend über zwei Takte. Zunächst nur das mittlere Blech in einem betont langsameren Tempo. Aber bereits nach zwei Takten formiert sich überleitend eine viertaktige Einleitung in Klarinette, Saxofon und Bass, die im neuen Tempo des neuen Liedes wieder etwas flüssiger daherkommt.

Tenorhorn und Bariton präsentieren ab H, weich erzählend, über die gebotenen drei Phrasenabschnitte den Refrain, der von den Hölzern, sich steigernd mit jedem Phrasenabschnitt, stets dezent begleitet wird. Ab J, kammermusikalisch persiflierend in Fagott, Querflöte und Klarinette, erklingt erneut der ­erste Teil des Refrains. Die zweite Hälfte ab K ist wieder durchaus konventioneller arrangiert, aber sich aufteilend in drei durchaus kontrastierende Klangbilder, die, harmonisch ausladend, in einen verlängerten Schlusston münden.

Mer lossen d’r Dom in Kölle (1973)

Dieses Lied, im Original ein Mix aus Marsch und Pop-Beat, beklagt die Großmannssucht und die zerstörerische Wirkung unkluger Stadtentwicklungspolitik. Man wäre wohl häufig besser be­raten, ließe man die „Kirche im Dorf“, anstatt mit Prestige-Objekten der Stadt die Seele zu nehmen. 

Ein viertaktiges Solo der Kleinen Trommel „lockt“ zur zweitaktigen Einleitung, die schon von jeher persiflierend daherkam. In einem Mix aus „kleinem Straßenmusikzug“ und „großem Konzertorchester“ präsentiert sich der Refrain durchaus verspielt ein erstes Mal, ein zweites Mal einen Ton höher, in grundsätzlich gleicher Anlage, und endet ebenfalls persiflierend in der rhythmischen, harmonisch leicht nuancierten Schlussphrase. 

Teil 2 – »Die letzten 20 Jahre«

Unser Stammbaum (2000)

Diese Popballade beschreibt gleichermaßen schlicht wie überzeugend, wie sich, aus vielen Ethnien heraus, über Jahrhunderte hinweg die heutige, in Köln als „Kölner“ lebende Gesellschaft zusammengefunden hat. Achtung, Respekt, Toleranz und Neugier laden ein zu einem kölschen, weltoffenen Leben.

Sechs klanggewaltige Takte, die beiden letzten mit Crescendo, öffnen den Vorhang zum zweiten Teil. Es wird sofort wieder ruhiger und solistischer. Nach kurzer Einleitung sind ab A Horn (Tenor­horn), Altsaxofon, Trompete und Fagott (Tenorsaxofon), je kurz solistisch aufblitzend, im Vordergrund (Vers). Ein eintaktiger, stolpernder Taktwechsel rüttelt hin zum Refrain wach. Der hat grundsätzlich schon hymnische Züge, die sich besonders zum Ende der Wiederholung hin voll instrumentiert noch verstärken und modulatorisch, in der Fermate mit Decrescendo und verspieltem Zusatzmotiv mündend, zum »Moritaten-Rubato« überleiten. 

He deit et wih un do deit et wih (2009)

Augenzwinkernd und selbstironisch bekennt dieser Walzer, dass der Zahn der Zeit an keinem ­vorüberzieht und „Jedermann“, auch zum Beispiel eine über Jahrzehnte erfolgreiche Band, gelegentlich in die Schranken weist. Fazit: Nehme das hier und jetzt mit Freuden, denn wenn du nichts mehr spürst, dann bist du auch nicht mehr da.

Ab C, quasi parlierend und zunächst noch im Vierer­takt, musizieren Oboe (Altsaxofon), Quer­flöte, Klarinetten, Horn und gedämpfte Trompeten im Rubato-Dialog (Vers) mit Fermatenschluss. Acht Takte vor D etabliert sich über zweimal vier Takte, getragen von Posaunen und Saxofonen, ein Walzerrhythmus, der in der Folge in den Tenören des Orchesters die ruhig erzählende Melodie des Refrains ansiedelt.

Deren viertaktige Schlusswendung wird quasi selbstkommentierend und modulierend kurz zur Überleitung genutzt, um ab E im vollen Tutti und einen Ton höher den Refrain nun etwas beschwingter zu präsentieren. Ab F wird die bereits bewährte Substanz der Schlusswendung, zunächst ohne Punktierung, dann mit Ton­ver­längerungen und schließlich mit verspielten Achtelläufen zur Coda umfunktioniert. 

Bläck Fööss
Bläser und Bläck Fööss – das passt zusammen. Foto: Alexander Tillmann
Mer bruche keiner (1998)

Eine Karnevalssamba mit einem klaren Bekenntnis zum originären Kölner Karneval. In dessen Zentrum stehen traditionelle Werte, symbolisiert durch „Pappnas“, „decke Trumm“ und „prima Prumm“, aber durchaus auch Individualität heu­tiger Tage zwischen „Mötz“, „Lederjack“ und „Frack“. Auswüchsen anderer „Partykulturen“ erteilt man eine Absage. Karneval feiert man in Köln seit über 2000 Jahren in „kölschem Sinne“ und es gibt ­ keinen Grund, davon ab­zu­weichen.

Stadionatmosphäre. Die Schlagwerker eröffnen mit stampfenden Triolen, ergänzt von Rufen aller Orchestermitglieder. Dem folgt ein energetischer Samba-Rhythmus mit finalem Schlachtruf „Ahl Säu“, dem sinnstiftenden Namen einer speziellen kleinen Kölner Karnevalsgesellschaft. Der Boden ist nun bereitet für eine fulminante Show-Samba-Party-Einleitung im Tutti. Ab I tragen Saxo­fone und Tenorhorn/Bariton die erlangte Energie, auch im dynamisch reduzierten Mezzoforte, konsequent weiter und beginnen mit dem ersten Melodieteil des Refrains.

Kleine Einwürfe würzen komplementär. Ab J folgt der zweite Teil des Refrains, eher im Forte und etwas dichter instrumentiert, was sicherlich seine größeren »Mitsingqualitäten« unterstützt. In K bricht sich dann wieder die Showtime-Samba ihre Bahn. Sie überzeugt unwiderstehlich, mitreißend und gemeinschaftsstiftend und kommt zudem textlich mit einfachem „la“ aus. Die letzten elf Takte bilden eine Coda aus den bekannten Substanzen. 

Rut un wiess (2009)

Ein Mix aus Walzer und Rock und eine unmissverständliche Liebeserklärung an die Kölner Stadtfarben und das Kölner Gefühl des Zusammenhalts. Das Lied beleuchtet die unum­stöß­liche Strahlkraft von Rot und Weiß, hinein in alle gesellschaftlichen und sozialen Schichten Kölns.

Zwei sanfte Fermaten im solistischen Fagott (Tenorhorn/Bariton) beruhigen unmissverständlich. Sie sind bereits die Auftakttöne zum folgenden Walzer, der dem Solofagott, dünn instrumentiert, im Stil einer Spieluhr, nur wenige Klarinetten (Saxofone) begleitend zur Seite stellt. In der zweiten Hälfte des Refrains wird das Bariton klangsteigernd mit dazugenommen.

Im letzten Takt der Walzermelodie mutiert das Metrum abrupt zum Vierer und packt die gemütliche Walzermelodie ab M in ein knackiges Rock-Gewand. Zunächst „grooved“ eine achttaktige Einleitung im Tutti, wobei die Trompeten noch bewusst ausgeklammert bleiben. Mit aufwendiger trio­lischer Notation der Rhythmiker und klaren Artikulationsangaben bei den Bläsern bringt der Arrangeur unmissverständlich seine Groove-Vorstellungen zum Ausdruck. 

Ab N, insgesamt ausgedünnter in der Instrumentation, dynamisch im Mezzoforte und dabei aber mit nicht weniger Energie, übernehmen die Trompeten die Führung. Saxofone und Klarinetten füllen die langen Melodietöne komplementär mit vorantreibenden Einwürfen. Die letzten vier Takte dieses Melodiezuges sind wieder „volles Brett“ Tutti und im Forte arrangiert. Dem folgt eine modulierende viertaktige Überleitung mittels eines rockigen Riffs.

Ab O, genretypisch einen Ton höher und wieder im Mezzoforte, welches einen erneuten spannenden Aufbau erst ermöglicht, folgt die Wiederholung des Themas. Frisch und neu instrumentiert mit genretypischen, aber gleichsam für Blasorchester sinnvoll umsetzbaren Begleitideen. In den verlängerten Schlusston mischt sich wechselnde Harmonik und ein Schlussriff, also Coda-Elemente, mit der das Arrangement wuchtig beschließt. 

Instrumentation

Wie in vielen Schüller-Arrangements sowie Arrangements, die sich mit Pop, Rock oder Jazzmusik auseinandersetzen, sind Stimmen für eine Rhythmusgruppe (Tasten, Gitarre, Bass) bewusst enthalten. Sie können in diesem Arrangement gezielt in Szene gesetzt werden, aber auch dezent im Hintergrund bleiben oder gar ganz wegbleiben, weil ihre Aufgaben in Stichnoten sinnvoll anderweitig vergeben sind. 

Grundsätzlich steht in diesem Arrangement kein Instrument spieltechnisch vor unlösbaren Auf­gaben. Besonders ist hier aber sicherlich, dass die Güte der Ausführung nicht nur durch die Spielweise stark beeinflusst werden kann, sondern auch durch die Instrumentation. Sie bietet, je nach Möglichkeit des ausführenden Orchesters, interessante Nuancierungsmöglichkeiten. Schüllers Konzept hat sowohl die gut aus­ge­baute Oberstufe wie auch die solide Mittelstufe im Auge. Seine wohl überlegten Stichnoten lassen gar ahnen, dass die Mittelstufenlösung ­quasi Pate der Oberstufenlösung war. 

Fazit

Der Herrgott erschuf die Welt, legte den schönsten Flecken an den Rhein und mahnte, pfleglich mit der Schöpfung umzugehen. Die Frage, wie soll es nur weitergehen, stellt gerne das Bewusstsein für die Gemeinschaft, sinnbildlich mit „Veedel“, in den Vordergrund, denn hier hält man zusammen. Gemeinsame Aktivitäten im Kreis der Familie sind bei jeder Wetterlage ein Gewinn.

Man vergisst sie genausowenig wie die erste Freundin. Und lassen wir die Kirche bitte immer im Dorf. Denn von überall her sind wir ­ zusammengekommen, profitieren voneinander und sind stolz darauf. Auch wenn das Leben ­seine Tribute fordert, wir stehen aktiv und mit Freuden mittendrin. Und feiern, das können wir seit über 2000 Jahren. Gerne ganz im Zeichen unserer optimistischen Farben, die nicht schwarz und weiß zeichnen, sondern rot und weiß philosophieren. 

Die Bläck Fööss haben irgendwie für alle Fälle ein Lied, eine Haltung, ein Gefühl. Sind es nicht auch die kleinen Dinge des Lebens, die den großen Dingen Orientierung und den rechten Drall geben können? Jeder von seinem Ende der Welt aus? Die Lieder der „Fööss“ haben Botschaften, die sich nicht nur durch den Text ausdrücken, sondern auch in der dazu ausgedachten Musik mitschwingen. Volkskunst im besten Sinne.