Wenn ein offensichtlicher Heavy-Metal-Fan – langhaarig, Lederkutte, Nietenarmbänder – zu seinem Nebenmann raunt: »Das war mit Sicherheit für heute schon mal das Highlight!« Und jener antwortet: »Und das am Donnerstagnachmittag…« – ja dann kann man den Auftritt des Musikkorps der Bundeswehr beim Heavy-Metal-Festival in Wacken wohl als vollen Erfolg verbuchen.
Es hatte geschüttet. Tagelang. Und es hatte aus Kübeln geschüttet. Aus großen Kübeln. Die Wiese, die das Wacken Open Air beheimatet, war pünktlich zum Festivalbeginn von Wassermassen heimgesucht worden und nicht mehr als solche zu erkennen. Mindestens knöcheltief versank die Heavy-Metal-Fangemeinde im Matsch. Der Holy Ground, wie das Gelände im Fachjargon genannt wird, war braun. Doch die »Metal Heads« nahmen das unglaublich gelassen. Denn erstens kennt man das aus der schleswig-holsteinischen Provinz und zweitens war man ja wegen der Musik da – und nicht wegen des Wetters.
Keine optimalen Wetter-Bedingungen für das Musikkorps der Bundeswehr
Auch vor dem Auftritt des Musikkorps der Bundeswehr regnete es noch. Der Regen schien dann nicht mehr nur von oben zu kommen. Er peitschte seitlich in Gesichter und auf Instrumente. Es wehte den Musikern zudem ein kühler Wind um die Notenpulte. »Keine optimalen Bedingungen«, wie Dirigent Oberstleutnant Christoph Scheibling lapidar anmerkte.
Aber es ist ja nun nicht so, dass das erste Orchester der Bundeswehr noch nie im Freien musiziert hätte. Wäscheklammern verteilt, Kragen hochgeklappt. Kein Problem. Zumal es pünktlich zum Konzert tatsächlich aufhörte zu pladdern – wie das im Norden heißt. Phasenweise kam gegen Ende des Auftritts gar die Sonne raus – unter lautem und ungläubigem Jubel Zigtausender.
Je näher der Auftritt rückte, desto greifbarer war die Nervosität. Sicher, die Musikerinnen und Musiker des Musikkorps der Bundeswehr sind allesamt Profis. Top-ausgebildet und Ernstfall-erprobt. Aber trotzdem: Wann spielt man sonst schon mal vor 50 000 und mehr Zuschauern? Vielleicht mal bei einem Fußball-Länderspiel, um die Nationalhymnen zu intonieren. Aber, ganz ehrlich: Das hier ist Wacken. WACKEN!
Das ist etwas anderes… Über 75 000 harte Jungs und Mädels hatten den Weg nach Wacken gefunden. Und ein Großteil von denen stand nun vor der »True Metal Stage«. Voller Dreck. Aber eben auch voller Erwartung. »Natürlich sind wir ein bisschen aufgeregt«, meinte Scheibling. »Aber das werden wir wie immer in Adrenalin umwandeln und in die Musik einfließen lassen.«
Das Musikkorps der Bundeswehr mit U.D.O.
Die Uhrzeit – 16 Uhr – mag für Festivalgänger nicht die optimale gewesen sein, doch als Opener der 26. Wacken-Ausgabe fungierte eben kein Geringerer als – man muss ihn so nennen – die deutsche Metal-Legende Udo Dirkschneider. Als »Accept«-Frontmann hatte der gebürtige Wuppertaler in den 1980er Jahren dem deutschen Heavy Metal den Weg bereitet und 1987 seine eigene Band U.D.O. gegründet, mit der er seitdem 25 Alben produziert hat.
Und dieser Udo Dirkschneider machte nun gemeinsame Sache mit dem Musikkorps der Bundeswehr. Wie Udo Dirkschneider klingt, ist schlicht nicht in Worte zu fassen. Manche nennen ihn den Mann mit der »Reibeisenstimme«. Andere sprechen von seinem »skalpellartigen Gesang« oder seiner »sirenenartigen Stimme«. Man sollte es mal gehört haben. Denn unter »markant« kann man sich ja auch nichts vorstellen.
Der 62-Jährige ist auch in Wacken kein No-Name. Schon zum fünften Mal rockte das Heavy-Metal-Urgestein die Bühne. Ein Veteran unter lauter Wacken-Matrosen. Bildlich gesprochen, nahm der Festival-Kenner die Wacken-Neulinge an die Hand und leitete sie sicher zur Bühne. Stilecht wie immer im Kampfanzug. Dass er kurz vor dem Konzert gestand: »Ich bin nervös…« – geschenkt. Hat zum Glück sowieso keiner gemerkt.