Die “Spaßfraktion” der Münchner Philharmoniker meldet sich zurück: Blechschaden steht im Oktober in der neuen Isarphilharmonie in München mit einem neuen Programm auf der Bühne. Wir sprachen am Telefon mit Ensemble-Leiter Bob Ross.
Während wir uns unterhalten, genießen Sie gerade noch Ihren Urlaub am Strand. Wo sind Sie denn genau?
Ich bin gerade in Rimini, was früher ja als “Deutscher Grill” bekannt war. Und weil ich durch den Brexit ein großes Stück deutscher geworden bin, wollte ich dieses Jahr mal hierher zum “Teutonengrill” kommen, um das zu feiern. Aber: Es sind fast keine Deutschen hier! Die meisten sind Italiener, ein paar Russen sind auch da – dazu kommen meine Frau Jane, Engländerin, und ich, ein Schotte. (lacht)
Welcher Typ Urlauber sind Sie denn? Liegen Sie hauptsächlich in der Sonne und schlürfen gelegentlich einen Cocktail oder stehen Sie schon früh auf und haben jeden Tag ein streng durchgetaktetes Programm?
Jetzt, wo die Kinder erwachsen und wir ja auch schon Großeltern sind, genießen wir den Platz hier an der Sonne. Ich lese gerade “Die Welt von gestern” von Stefan Zweig. Auf Englisch heißt Urlaub “vacation” und damit ist auch gemeint, mal das Hirn zu entleeren. Jetzt wollte ich schon sagen, dass man auch telefonisch nicht mehr erreichbar ist, aber wir telefonieren ja gerade miteinander. (lacht) In unserem Hotel funktioniert übrigens das Internet nicht so richtig und es ist wirklich interessant zu sehen, wenn die Leute morgens beim Frühstück völlig verwundert auf ihre Smartphones starren, weil sie kein Internet haben, anstatt einfach miteinander zu reden.
Das heißt, Sie genießen im Urlaub Ihr Leben in vollen Zügen.
Ja, schon… Aber eines möchte ich an dieser Stelle unbedingt anmerken: Als Musiker bei den Münchner Philharmonikern oder mit Blechschaden habe ich die ganze Welt bereist – und musste nicht einmal mein Hotelzimmer selbst bezahlen. Deshalb möchte ich wirklich alle jungen Menschen, die selbst Musik machen oder in Amateurorchestern spielen, dazu animieren, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Wenn das klappt, ist es die schönste Sache der Welt.
Haben Sie denn ein Instrument oder zumindest ein Mundstück im Urlaub dabei?
Seit ich Dirigent bin, habe ich keinen Ton mehr gespielt. Da gibt es einen tollen Spruch: Ich war früher Musiker, jetzt bin ich Dirigent! (lacht)
Was darf denn dann in Ihrem Urlaub auf keinen Fall fehlen?
Ich bin ja Asthmatiker, deshalb ist der schönste Platz für mich – wenn es nicht Schottland ist – das Meer, denn da gibt es keine Pollen. Am Meer hat man die beste Erholung überhaupt!
Wegen meines Asthmas habe ich übrigens auch das Angebot für ein Gastdirigat in Katar bekommen. Ein alter Freund von mir ist Intendant beim Qatar Philharmonic Orchestra und meinte, ich solle doch nach Katar kommen und dort Kinderkonzerte machen. In der Wüste gibt es nämlich auch keine Pollen. Und deshalb fahre ich jetzt seit 2009 einmal im Jahr nach Katar und dirigiere dort für Kinder aus allen möglichen Nationen. Das ist wirklich immer sehr lustig!
Nach einer Pandemie-Zwangspause geht Blechschaden im Herbst wieder auf Tournee. Was erwartet das Publikum Neues?
Neues? Das wäre fatal! Das Rezept von Blechschaden sind tolle Arrangeure, Musik, die man gerne hört und dieser Sound von Leuten, die es geschafft haben, bei den Philharmonikern eine Stelle zu bekommen. Blechschaden wurde von mir vor 37 Jahren als Reaktion auf den “Diktator” Celibidache gegründet. Ich habe damals einfach gedacht: Wir könnten viel mehr Spaß haben, wenn wir selber etwas machen. Deshalb haben wir Noten aus England und Schottland importiert, das war Musik für zehn Personen, die dort in den Lokalen gespielt wurde. Viele haben uns immer nach den Arrangeuren gefragt, tatsächlich mussten wir die sehr lange suchen und leider sind mittlerweile auch schon einige gestorben.
Die Arrangements für die neue CD hat Harald Kullmann geschrieben, ein Musiker aus Franken. Wenn er etwas für uns bearbeitet, wissen wir eigentlich von Anfang an: Das klappt! Während Corona konnten wir uns ja nicht zum Ausprobieren treffen – wenn etwas von ihm kommt, wissen wir aber einfach, dass das immer super Sachen sind. Er hat alte Hits aus den 50er und 60er Jahren für uns geschrieben, ganz nach der Devise: “Es folgt ein alter Hit von Glenn Miller, da es keine neuen mehr von ihm gibt.” Das ist ein alter Witz von mir, britischer Humor. Aber das trifft auch auf unser Programm zu: Es gibt keine neuen Witze, die sind alle alt – aber eben neu gemacht. Unser Set umfasst seit 37 Jahren alle Stilrichtungen – von Klassik bis Rock. Und das kommt bei allen Leuten gut an.
Das beste Lob, das wir je bekommen haben, habe ich mal in einem Café in Ottobrunn gehört. Da kam eine Frau auf mich zu und hat mir erzählt, dass ihr Mann nie mit ihr ins Konzert gegangen ist – bis sie Blechschaden entdeckt hatten.
Auf ein Blechschaden-Konzert geht man ja nicht nur wegen der Musik, sondern auch wegen des Unterhaltungs-Faktors.
Nach Corona braucht man mehr Unterhaltung als je zuvor! Das ist wie nach dem Krieg: Nach einer fürchterlichen Sache braucht man gute Musik, man braucht Entertainment! Wer will da noch anderthalb Stunden Anton Bruckner anhören? Das ist so lange wie ein Fußballspiel! Dann kommt lieber zu Blechschaden, da gibt es Bruckner-Ausgaben in drei Minuten, mit Schlagzeug dazu.
Hatten Sie in diesen 37 Jahren schon einmal das Gefühl, dass Ihnen langsam die Gags ausgehen?
Nein. Die besten Gags sind keine Gags, sondern wahre Geschichten! Man muss einfach irgendetwas erleben und das erzählt man dann. Bei Blechschaden sehe ich ja zum Beispiel, dass die Kollegen auf der Bühne häufig sehr viel Spaß haben. Und wenn ich weiß, um was es da geht, erzähle ich das dem Publikum. Ich bin die Verbindung zwischen Musikern und Publikum, diese Form der Interaktion gibt es bei den Philharmonikern beispielsweise gar nicht.
Leider sind ja nicht mehr alle Gründungsmitglieder dabei, mittlerweile haben wir ja schon die zweite Generation Blechschaden auf der Bühne, die jungen Wilden. Und die kennen meine ganzen Witze ja noch gar nicht, deshalb lachen die eigentlich immer als erstes, wenn ich einen Witz erzähle. (lacht)
Die Corona-Pandemie, kürzlich die Hochwasser-Katastrophe in Deutschland, aktuell die Waldbrände im Mittelmeerraum – ist Ihnen in den letzten Wochen und Monaten auch mal das Lachen vergangen?
Wenn man genügend Rückschläge erlebt hat, kann man eigentlich nur noch lachen. Ein Beispiel: 2002 waren wir mit dem Orchester in Neapel und ich bin am Flughafen wegen eines Asthmaanfalls zusammengebrochen, weil ich keine Luft mehr bekommen habe. Einige Musikerinnen vom Orchester haben sogar geweint, weil sie dachten, das war’s jetzt. In der gleichen Woche, in der das passiert ist, habe ich erfahren, dass wir mit Blechschaden einen ECHO gewonnen haben, da war ich dann wieder in Partylaune. (lacht) Natürlich war ich dann auch beim Arzt und habe mir medizinische Hilfe geholt. Das Orchester wollte aufgrund des Vorfalls allerdings, dass ich nicht mehr bei den Philharmonikern mitspiele. Ich habe dann aber gesagt, dass ich erst recht weiterspiele, ich habe schließlich auch ein Blechblasinstrument gelernt, weil ich Asthmatiker bin – abgesehen davon wäre das auf der Bühne aufgrund des Adrenalins nie passiert. Ich hatte damals vor, weiterzuspielen bis ich in Rente gehe. Und ich habe recht behalten.
Am 23. Oktober spielt Blechschaden in der neuen Isarphilharmonie München…
Genau, das erste Konzert unserer neuen Spielzeit veranstaltet Georg Preisinger. Wir haben mit Blechschaden, aber auch mit den Philharmonikern die größten Konzertveranstalter der Welt erlebt, aber ich würde sagen, dass er der Einzige ist, der Musikerinnen und Musiker wirklich versteht – und wie wir alle wissen, sind Musiker ja keine normalen Menschen.
Das allererste große Konzert von Blechschaden war am 15. November 1985 im neu gebauten Gasteig in München. Das weiß ich deshalb so genau, weil unser zweiter Sohn damals auch im Konzert war, im Bauch von meiner Frau. Und einen Tag später ist er zur Welt gekommen.
Jedenfalls passt es deshalb sehr gut, dass wir auch in der neuen Isarphilharmonie das erste Konzert geben.
Viele blicken momentan mit Sorge auf die steigenden Zahlen und den kommenden Herbst. Wie optimistisch sind Sie denn, dass die Konzerte wie geplant stattfinden können?
Die finden schon statt, nur ohne Aiwanger – der kommt wahrscheinlich nicht rein. (lacht)
Weil er nicht geimpft ist?
Ja. Aber es wird weitergehen. Auf jeden Fall!
Wären Livestream-Konzerte eine Alternative?
Die einzige Alternative, die ich mir vorstellen kann, sind Konzerte im Freien. Ich glaube allerdings nicht, dass ein neuer Lockdown kommen wird.
Was ist das erste, was Sie machen, wenn Sie aus dem Urlaub zurückkommen? Worauf freuen Sie sich?
Im Anschluss an meinen Urlaub fahre ich nach Leipzig und dirigiere dort “Die Neuen Scherbelberger”, eine Mannschaft der Deutschen Bläserakademie in Bad Lausick. Die machen Musik im Stil von Ernst Mosch. Und ich habe die Stelle als Gastdirigent bekommen, weil ich ja bekanntlich der erste und letzte schottische Egerländer unter Ernst Mosch war.
Tickets gewinnen
In Kooperation mit Künstler- und Konzertmanagement Preisinger verlost die BRAWOO zwei Tickets für das Konzert am 23. Oktober um 20 Uhr in der Isarphilharmonie München! Schreiben Sie einfach eine E-Mail mit dem Betreff “BRAWOO Ticket-Verlosung Blechschaden” an gpkonzerte@t-online.de.