Noch ist er nicht genervt. Immerhin ist es erst das zweite Interview an diesem Vormittag, das der Amerikaner Branford Marsalis geben muss. Aber was heißt schon muss? Schließlich ist der Star am internationalen Saxofonhimmel genau dafür nach Hamburg geflogen, und genau dafür wird er nach einer Woche weiterreisen nach Paris, damit die europäische Medienwelt genügend Gelegenheit hat, die Kunde von der neuen CD »Braggtown« ausgiebig in die Marsalis-Fanwelt zwischen Jazz und Klassik zu streuen. Vielleicht horchen auch Popfans auf, schließlich hat der Tenor- und Sopranspezialist nicht umsonst auch in ihrem Metier mit Sting zusammen für Großes gesorgt. Hoffentlich. Denn Branford Marsalis hatte eigentlich ganz wenig Verlangen nach diesem Überseetrip, der ihn von seiner Frau Nicole und dem gerade 17 Monate alten jüngsten Töchterchen weggeholt hat.
Also an die Arbeit. Seit Branford Marsalis vor rund sechs Jahren sein Quartett mit Pianist Joey Calderazzo, Bassist Eric Revis und Schlagzeuger Jeff »Tain« Watts gründete, hat das Ensemble immer wieder neue Ausdrucksmöglichkeiten gefunden: Mal bewies es einen geschärften Sinn für die Jazzgeschichte (etwa auf »Footsteps of our Fathers« von 2002 und der DVD »Coltrane’s ›A Love Supreme‹ Live In Amsterdam« von 2005), dann wieder sein Einfühlungsvermögen in andere künstlerische Disziplinen wie die Malerei (»Romare Bearden Revealed« aus dem Jahre 2003) oder einen profunden Sinn für intimes Zusammenspiel wie auf dem 2004 veröffentlichten Balladenalbum »Eternal«.