Brass | Von Antje Rößler

Burkard Götze und die Welt der Posaune

Posaune
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Burkhard Götze ist vielseitig unterwegs. Er dirigiert und arrangiert Filmmusik, kom­poniert eigene Stücke und spielt seit 2008 Posaune bei den Brandenburger Symphonikern. Mit den Kollegen aus Brandenburg hat er gerade sein neues Bläserquintett uraufgeführt. Dass seine Karriere durchaus holprig verlief, erzählt der Musiker bei einem Kaffeehaus-Besuch kurz vor der “Elektra”-Premiere.

Herr Götze, angesichts Ihrer künstlerischen Vielseitigkeit: Dient Ihre Tätigkeit bei den Brandenburger Symphonikern nur dem Broterwerb?

Die Arbeit in Brandenburg macht mir nach wie vor Freude. Aber als Posaunist ist man in einem kleineren Orchester mit 51 Planstellen nicht allzu sehr gefordert. Ich habe dort aber noch mehr gemacht, zum Beispiel war ich zeitweilig Leiter des Jugendtheaters. Unser Musiktheater-Projekt »Die Geschichte vom Soldaten« bekam sogar den Papageno-Award, den wichtigsten Jugendtheaterpreis. 

Mahler oder Strauss, wo es für Posaunisten interessant wird, stehen in Brandenburg nicht oft auf dem Spielplan, oder?

Deshalb freue ich mich jetzt auf die »Elektra«-Premiere. Wir bringen zwar die kleinere Fassung, die bei der Uraufführung parallel zum Klavierauszug erstellt wurde, damit die Oper überall spielbar ist. Die ist aber mit etwa 75 Musikern immer noch ziemlich groß.

Wie kamen Sie zur Posaune?

Ich stamme aus einem sehr kleinen Ort in Thüringen. Meine Mutter war Musiklehrerin. Zuerst lernte ich Eufonium in der Musikschule und spielte auch im Posaunenchor. Mein musikalisches Erweckungserlebnis hatte ich 1991, als Mozart aus Anlass des 200. Todestages entsprechend viel gespielt wurde. Da hat es bei mir klick gemacht. Da war ich aber schon 14 Jahre alt. Also suchte ich nach einem Orchesterinstrument, für das ich noch nicht zu alt bin. Posaune war dann einfach naheliegend.

Üben Sie immer noch so intensiv wie früher?

Natürlich übe ich regelmäßig, um körperlich fit zu bleiben und Atmung, Ansatz, Zugtechnik in Form zu halten. Ich übe aber nicht mehr so intensiv wie während des Studiums oder in den ersten Jahren meiner beruflichen Tätigkeit, da ich nicht mehr so viel Notentext einstudieren muss. Die Orchesterstimmen sind bei uns in Brandenburg relativ übersichtlich. Und »Elektra« kannte ich beispielsweise schon von der großen Fassung, obwohl ich damals Basstrompete spielte. 

Sind Posaune und Basstrompete sehr verschieden?

Das Mundstück der Basstrompete ähnelt dem der Posaune, daher fällt es Posaunisten recht leicht, damit umzugehen. Die Basstrompete kommt in Wagners »Ring« vor oder bei einigen Sachen von Janáček oder Bartók. 

Welche Instrumente sollte man als Posaunist beherrschen? 

Erstmal gibt es verschiedene Posaunen: die kleinere Altposaune in Es und dann Tenorposaune und Bassposaune, die sich relativ ähnlich sind. Wer Bassposaune spielt, sollte auch die Kontrabassposaune beherrschen, die etwa in Wagners »Ring« oder auch bei »Elektra« in der großen Fassung verwendet wird. Hinzu kommen andere Ventilinstrumente wie Bügelhörner. So besetzt Richard Strauss manchmal ein Tenorhorn, das er Tenortuba nennt. Es sieht aus wie eine Wagner-Tuba, ist aber eigentlich ein Tenorhorn beziehungsweise Eufonium.

Spielen Sie auch historische Instrumente? 

Das habe ich früher praktiziert; auch in verschiedenen Stimmungen. Bei der Posaune ist so ein Wechsel einfacher als bei anderen Blasinstrumenten, weil die grundsätzliche Spieltechnik ähnlich bleibt. Im Vergleich zu Naturtrompeten, Naturhörnern oder den ganzen Klappensystemen haben sich Posaunen viel weniger verändert. Alte Instrumente sprechen aber völlig anders an; man muss die Atemtechnik anpassen. 

Was sind die Hauptunterschiede zwischen historischen und modernen Posaunen?

Die historischen Posaunen bestehen aus ganz zartem Blech. Man kann nicht so viel Luft hineingeben. Für den Klang und die Intonation muss man ein Gefühl entwickeln. Im 19. Jahrhundert hat man angefangen, immer größer und fester zu bauen: das Rohr, das Mundstück, den Kessel, die Mensur. All das erfordert mehr Luft und höhere Luftgeschwindigkeit. Dadurch unterscheiden sich alte und neue Instrumente klanglich sehr stark. 

Gibt es auch regionale Unterschiede?

Vor allem in Deutschland, Italien und Frankreich blieb man bei der kleineren, enger mensurierten Posaune; hier wurden auch keine Bassposaunen verwendet. Das merkt man bis heute. Die Jazzposaune ist eigentlich eine französische Posaune, die ursprünglich aus den französischen Militärkapellen kommt und von den Kreolen in New Orleans übernommen wurde. In den Orchestern gibt es nach wie vor zwei Systeme: Die amerikanische Posaune, die sich aus dem französischen System entwickelt hat und die deutsche Posaune. Beide sprechen verschieden an und unterscheiden sich klanglich.

Kann ein Posaunist problemlos zwischen beiden Systemen wechseln?

Es sind schon zwei Welten – aber nicht so stark voneinander getrennt wie bei der Klarinette, wo das Boehm-System und das deutsche System auch völlig verschiedene Grifftechniken haben. Bei der Posaune bleibt die Zugtechnik grundsätzlich gleich. Der Unterschied betrifft vor allem die Klangfarbe. Es ist nicht so problematisch zu wechseln; ich wechsle ja auch.

Inwiefern?

Während meines Studiums in Leipzig war das deutsche System angesagt. Das war eigentlich nicht gut, weil das inzwischen eine Nische geworden ist und nur noch in wenigen Orchestern zur Anwendung kommt; zum Beispiel bei den Berliner Philharmonikern. In den meisten Orchestern, auch in Deutschland, ist es inzwischen egal, welches System man verwendet. Und das amerikanische Modell hat auch seine Vorteile.

Welche denn?

Die Töne sprechen leichter an. Andererseits ist das deutsche System unvergleichlich toll im piano-Bereich. Der Klang ist viel nuancierter und klingt nie zu stark. 

Was spielen Sie denn, wenn Sie in Brandenburg im Graben sitzen?

Da spiele ich das deutsche System. Das entspricht der Klangästhetik dieses Orchesters; wir haben dadurch einen sehr homogenen Posaunensatz. Wenn ich aber anderswo solistisch etwas mache, dann nehme ich eine amerikanische Conn-Posaune.

War es schwierig, in der Nische des deutschen Systems eine feste Stelle zu bekommen?

Das war ein langer Weg über verschiedene Zeitverträge. Es erwies sich als riesiger Nachteil, dass ich mit der deutschen Posaune studiert hatte. Da bieten sich viel weniger Möglichkeiten. Erst als ich das System wechselte und in Berlin bei Olaf Ott von den Berliner Philharmonikern Privatunterricht nahm, führte das zum Erfolg bei Probespielen. 

Was gab den Ausschlag, dass Sie mit dem Dirigieren begonnen haben?
Götze
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Als ich ans Brandenburger Theater kam, begann ich, für die Kollegen Arrangements zu schreiben und zu instrumentieren. Dann bat mich die Orchesterdirektorin, für einen Dirigenten einzuspringen, da sie gesehen hatte, dass ich dirigieren kann. Schließlich absolvierte ich berufsbegleitend ein Master-Dirigierstudium in Dresden. Ich habe lange gezögert, mit dem Dirigieren zu beginnen, denn ich bin eher ein introvertierter Typ. Das Auf-den-Tisch-hauen vor einer Schar von Leuten liegt mir überhaupt nicht. Inzwischen aber möchten viele Orchestermusiker aber auf Augenhöhe mit dem Dirigenten musizieren. Über diese Entwicklung bin ich sehr froh.

Dann gründeten Sie nach dem Dirigier-Studium das Metropolis Orchester Berlin, das sich Stummfilmmusik widmet?

Genau, das war 2017. Anlass war das 90-jährige Jubiläum von Fritz Langs Filmklassiker »Metropolis«. Am Anfang wollte ich einfach nur ein Filmkonzert organisieren. Es war nicht geplant, dass ich selbst dirigiere. Aber weil das Brandenburger Theater das nicht machen wollte, wurde es unser eigenes Projekt. 

Womit haben Sie sich während des Corona-Lockdowns beschäftigt?

Ich entdeckte zum Beispiel eine Filmmusik von Victor Hollaender zu einem Lubitsch-Film, die ich 2021 mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg uraufführen konnte. Eine Film-Organistin hatte mir den alten, ziemlich zerbröselten Klavierauszug der Ufa zugesteckt. Den habe ich für großes Orchester instrumentiert und mit dem Film synchronisiert. Außerdem arbeitete ich an einem Kompositionsauftrag über vier Lieder für Sopran und Streichquartett, nach Texten von Else Lasker-Schüler. Die erschienen inzwischen bei dem Berliner Verlag Ries & Erler, der auch schon ein paar meiner Stummfilmmusik-Bearbeitungen auf den Markt gebracht hat. Sie wollen nun auch mein Bläserquintett verlegen. Das ist mein drittes größeres Werk, bei dem wirklich jede Note von mir selbst stammt. 

Wie sind Sie zum Komponieren gekommen? 

Als Teenager war ich in einem Musikinternat in Wernigerode. Ich hatte da einen Tonsatz-Lehrer, der mit mir erste Kompositionsversuche in verschiedenen Stilen unternahm. Mit dem Beginn des Instrumentalstudiums in Leipzig hatte sich das aber erst mal erledigt. 

Hat Ihr neues Bläserquintett eine klassische Besetzung?

Ja: Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn. Die Literatur für Bläserquintette ist gar nicht so klein, aber neue Stücke für die Besetzung sind selten. Es hat mich gereizt, die klassische Form beizubehalten. Es ist ja gar nicht so einfach, eine Sonatenhauptsatzform mal richtig durchzuziehen. 

Die Instrumentation ist auch schwieriger als beim Streichquartett.

Genau, es ist ja ein Ensemble, das aus fünf verschiedenen Farben besteht. Darin besteht aber auch ein unglaublicher Reiz. Wie instrumentiert man einen Akkord? Welches Instrument hat dann welche Funktion? 

Blechbläser sind quasi Leistungssportler. Wie altern Sie mit dem Instrument? 

Ich mache das jetzt 20 Jahre. Manche Sachen haben früher sicher besser funktioniert. Aber all die Erfahrung ist auch wertvoll; ich kenne inzwischen so viele Stücke. Man muss halt immer dranbleiben und üben. Dabei ist es wichtig, dass man intelligent übt und sich nicht überanstrengt. Entscheidend ist die Regelmäßigkeit.