Gerade einmal 25 Jahre alt und bereits auf den großen Bühnen der Welt zu Hause: Der gebürtige Münchener Christian Benning entdeckte seine Liebe zum Schlagzeug im Alter von drei Jahren. Seitdem hat ihn die Faszination nicht mehr losgelassen. Wir sprachen mit ihm über die Vielseitigkeit des Instruments, Repertoire und spannende Projekte abseits seines Konzertalltags.
Herr Benning, Deutschland liegt nach wie vor im kulturellen Tiefschlaf. Wie sehr hat die Pandemie denn Ihren persönlichen Rhythmus verändert?
Tatsächlich gravierend! Der Einschnitt liegt ja nun etwa ein Jahr zurück. Nach Solokonzerten in der ausverkauften Hamburger Elbphilharmonie, in der Glocke Bremen oder im Grazer Musikverein hatte ich Anfang März 2020 mein Solo-Debüt in New York City. In Virginia hätte ich noch ein weiteres Konzert spielen sollen, musste dann aufgrund der sich zuspitzenden Lage aber schon früher zurückfliegen. In Deutschland hatte ich dann noch eine Aufnahmeproduktion mit meinem Ensemble, alle weiteren Konzerttermine sind ausgefallen – die komplette Jahresplanung war abrupt auf Eis gelegt. Internationale Konzertprojekte, die wir Schlagzeuger aufgrund der aufwendigen Logistik schon sehr lange im Voraus planen müssen, wurden abgesagt oder verschoben: mein China-Debüt, Konzerte in Russland – Highlights, auf die ich mich zum Teil seit Jahren gefreut hatte.
Meinen Übe- und Studienalltag habe ich versucht, so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Man wusste ja auch nie, wann es wieder weitergeht. Durch die Corona-Pandemie hatte ich allerdings die Möglichkeit, Projekte zu forcieren, die nicht unbedingt mit meinem Konzertalltag zu tun haben. Ich arbeite beispielsweise an einem Projekt mit professionellen Basketball-Spielern, die durch rhythmisch basierte Trainings-Methoden – sowohl individuell wie auch im Team – sportlich erfolgreicher werden sollen. Mein wichtigster Partner dabei ist Holger Geschwindner, der Mentor von Dirk Nowitzki. Gemeinsam mit ihm entwickle ich das Ganze nun seit mittlerweile drei Jahren. Dafür habe ich unter anderem ein eigenes Notensystem erfunden, womit die Übungen durch eine zugehörige Software visualisiert werden können. Dieses Projekt bildet die Basis meiner Doktorarbeit, mit der ich demnächst starten möchte.
Außerdem entwickle ich seit fünf Jahren ein neues Instrument, an dem in den vergangenen Monaten viel technische Arbeit umgesetzt werden konnte. Es handelt sich dabei um ein Hybrid-Percussion-Setup mit integrierter Licht- und Videotechnik, bestehend aus 17 Plexiglas-Elementen. Über Ostern hatte ich einen ersten Hardware-Test außerhalb meines Studios in einer Basketball-Halle. Ohne Corona und mit deutlich vollerem Konzertkalender wäre ich da vermutlich noch nicht auf dem aktuellen Stand.
Die Planung für die Zukunft ist nach wie vor schwierig. Ich bekomme von Konzertveranstaltern zum Teil bis zu drei Termine als mögliche Option genannt. Aus organisatorischer Sicht ist das eine große Herausforderung.
Ein Termin steht ja bereits fest. Am 26. Juni ist im Brunnenhof der Residenz München mit der Christian Benning Percussion Group das Konzert „Beathoven“ geplant. Was bekommt das Publikum da zu hören?
Genau, das Konzert sollte eigentlich schon im Juni 2020 stattfinden. Ich freue mich schon riesig darauf, wenn wir da endlich wieder vor Publikum spielen dürfen, das war für mich seit Oktober nicht mehr der Fall. Mein Ensemble und ich haben für dieses besondere Projekt anlässlich des Beethoven-Jubiläums eigene Arrangements erarbeitet und auch exklusiv für uns schreiben lassen. Auf dem Programm stehen – wie der Name schon sagt – Werke von Beethoven, aber auch von anderen bedeutenden Komponisten wie Bach oder Ravel. Zudem führen wir Stücke auf, die explizit für reine Schlagzeug-Besetzungen geschrieben sind. Ich versuche, bei jedem meiner Konzertprogramme immer einen guten Mix zu schaffen, bei dem für jeden Geschmack etwas dabei ist.

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Weitere Konzerttermine finden Sie online: www.christianbenning.de
Bei Stücken von Beethoven oder Ravel handelt es sich natürlich immer um Arrangements, weil es unsere Instrumente zur damaligen Zeit ja noch gar nicht gegeben hat. Wir stellen uns im Entstehungsprozess dann immer die Frage: Wie hätte wohl ein Beethoven seine Stücke geschrieben, wenn es zu seiner Zeit schon ein Drumset, Marimba- oder Vibrafon gegeben hätte? Hätte er die Instrumente verwendet? Ich glaube schon. Wir legen aber ganz großen Wert darauf, dass sich Beethoven nicht im Grabe umdrehen muss, wenn er unsere Interpretation seiner Musik hören würde. Wir halten in der Regel an der künstlerischen Grundidee fest.
Nehmen wir als Beispiel unser Arrangement der Mondscheinsonate: Wir greifen in allen Sätzen das Thema auf, so wie es im Original vorkommt, und beginnen auch so, als wäre es das originale Werk, nur uminstrumentiert. Weil wir aber auch die Zeitlosigkeit in dieser genialen Musik hervorheben wollen, versuchen wir, je tiefer es in das Stück hineingeht, stilistische Vielfältigkeit mit einzubringen. Natürlich nicht überladen.
Wir legen sehr viel Wert auf eine gute Balance zwischen dem Grundkonzept des Komponisten und unseren Ideen, wie wir diese Musik in unsere Zeit versetzen können. Unser Arrangeur Peter Lawrence (Solo-Trompeter bei den Hofer Symphonikern) macht das genial, da er den Wiedererkennungswert stets beibehält.
Muss man solche Klassikern überhaupt „modernisieren“?
Diese Werke sind meiner Meinung nach deshalb zeitlos, weil sie auch heute noch beim Publikum – aber auch bei Musikerinnen und Musikern – sehr beliebt sind. Das ist eine Musik, die so viel mehr bietet als reine Unterhaltung. Damit ist auch unheimlich viel Emotion und Zeitzeugnis verbunden. Wir als Ensemble wollen uns diese Musik mit Arrangements zugänglich machen. ^
Meine Kollegen und ich trauen es uns durchaus zu, Musik von Beethoven auf hohem Niveau auf unseren Instrumenten zu interpretieren. Es ist eine wahre Erfüllung, ein solch monumentales Werk für sich selbst spielbar zu machen. Das wäre nicht möglich, wenn wir aus dem Originalwerk kein Arrangement machen würden. Gleichzeitig machen wir das Stück auf diese Weise nicht nur uns zugänglich, sondern auch Leuten, die gerne in Schlagzeugkonzerte gehen oder Percussion-Musik mögen, sich aber vielleicht nicht unbedingt ein reines Klavierkonzert anhören würden.
Während das Klavier eine jahrhundertelange Geschichte hinter sich hat, existiert das Schlagzeug als Kammermusik- oder Solo-Instrument gerade einmal seit wenigen Jahrzehnten. Daher gibt es für uns auch noch gar nicht diese Fülle an Literatur. Noch mal: Ich glaube, ein Beethoven hätte sich mit Sicherheit auch des Schlagzeugs bedient, wenn es zur damaligen Zeit bereits existiert hätte. Diesen Gedanken versuchen wir umzusetzen – immer mit einer ganz, ganz großen Portion Demut.
Was sind denn die unterschiedlichen Herausforderungen bei Arrangements und Originalwerken?
Wenn wir originale Werke spielen, haben wir sehr oft das Glück, dass die Komponistin oder der Komponist noch lebt und man sich austauschen kann. Im Februar 2019 haben wir beispielsweise die europäische Uraufführung des 30-minütigen Werks „Threads“ von Paul Lansky gespielt, einem sehr berühmten US-amerikanischen Komponisten. Das war toll, weil wir davor immer wieder im Gespräch mit ihm waren und so auch in Erfahrung bringen konnten, wie er sich im Schaffensprozess Klänge, Strukturen und Tempi vorgestellt hat.
Außerdem sind Schlagzeug-Werke oft schon so geschrieben, dass sie für uns gut spielbar sind. Wenn man ein Arrangement von Bach oder Beethoven macht, dann ist das Werk ja ursprünglich für ein anderes Instrument gedacht. Da muss man dann erst einmal überlegen, wie es sich technisch auf dem Schlagzeug umsetzen lässt, beispielsweise wie der Fingersatz für Klavier bei der Mondscheinsonate auf ein Marimba mit vier Schlägeln übertragen werden kann. Das Stück muss für das eigene Instrument spielbar gemacht werden und gleichzeitig möglichst nahe ans Original herankommen.
Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, Perkussionist zu werden? Spürt man das schon in der Kindheit, wenn jemand Rhythmus im Blut hat?
(lacht) Ich habe jedenfalls schon als Kleiner immer gerne getanzt. Ich glaube, Rhythmus hat jeder im Blut. Er ist überall in der Natur zu finden – beispielsweise in Form unseres Herzschlags oder bei den Jahreszeiten. Rhythmus steckt in jedem von uns. Das ist nicht nur ein etabliertes Element in der Musik, sondern ein Gefühl.
Ich bin zwar gebürtiger Münchener, habe aber einen multikulturellen familiären Hintergrund. Mein Großvater mütterlicherseits kommt aus einer serbisch-ungarischen Familie, meine Großmutter ist im Sudetenland, also im heutigen Tschechien, geboren. Mein Vater und seine Eltern kommen ursprünglich aus Rumänien. Früher hatte meine Familie ein kleines Ferienhaus in Ungarn und da habe ich die Kapellen der Sinti und Roma gehört. Da hat es mich schon als Zwei- oder Dreijähriger immer hingezogen.
Meine Eltern sind zwar keine Musiker, dafür aber große Musikliebhaber, die mich von klein auf schon mit in klassische Konzerte genommen haben, was ich auch nie langweilig fand. Der Klang eines Orchesters hat mich schon immer wahnsinnig fasziniert. Ich denke, das war für mich eine große Quelle der Inspiration.
Mit drei Jahren wurde ich dann von meinen Eltern in die musikalische Früherziehung geschickt, wo ich Blockflöte spielen sollte. Schon nach der ersten Stunde habe ich direkt zur Lehrerin gesagt, dass das nix für mich ist und gefragt, ob ich stattdessen nicht auf den Congas hinten im Eck spielen dürfte. Sie hat mich dann nach Rücksprache mit meiner Mutter an einen Schlagzeuglehrer vermittelt, bei dem ich eine Test-Unterrichtsstunde nehmen sollte. Das war glaub ich eher als Abschreckung gedacht, war aber vermutlich der wichtigste Moment in meinem Leben. Ich wusste sofort: Das ist es!
Zum dritten Geburtstag habe ich eine Trommel und ein Becken geschenkt bekommen, zum fünften dann mein erstes eigenes Drumset – das habe ich übrigens heute noch, mittlerweile sind aber noch vier weitere dazugekommen. Und irgendwann folgte der Wunsch, nicht nur alleine zu spielen, sondern mit anderen zusammen. Dann war ich in verschiedensten Blaskapellen in Dachau und dem Münchener Umland aktiv. Hier konnte ich gewissermaßen den Grundstein für meine musikalische Laufbahn legen. Dieser Hintergrund aus der Blasmusik war für mich eine ganz, ganz wichtige Erfahrung.
Und wann ging es in die professionelle Schlagzeug-Richtung?
Mit zehn Jahren durfte ich zum ersten Mal in einem Sinfonieorchester mitspielen, der Kinderphilharmonie München. Mit zwölf wurde ich dann für eine Woche in eine Akademie eingeladen, die eigentlich nur für Schlagzeugstudierende gedacht war. Da habe ich zum ersten Mal im Schlagzeug-Ensemble gespielt und meinen späteren Professor an der Münchener Musikhochschule, Adel Shalaby, kennengelernt. Der hat mir schließlich das Jungstudium ans Herz gelegt, bei dem man noch als Schüler bereits an der Hochschule immatrikuliert ist, auf höchstem Niveau Unterricht erhält und mit anderen Studierenden zusammenarbeitet. Ich habe mir dann noch ein Jahr Zeit gegeben, um vor allem Marimba zu lernen. Das Spiel mit vier Schlägeln war für mich damals noch ganz neu. Ich habe dann im Sommer 2009 meine Prüfung bestanden und mit 13 Jahren begonnen, an der Musikhochschule in München zu studieren.
Hier habe ich dann einige meiner Ensemble-Kollegen kennengelernt und durfte auch als Solist schon viele Reisen in verschiedenste Länder machen. Ich hatte wirklich eine tolle Ausbildung und wurde auf höchstem Niveau gefördert und gefordert. Für die Chance, schulbegleitend zu studieren, bin ich auch heute noch überaus dankbar.
Haben Sie bei dieser Fülle an Instrumenten eigentlich einen Favoriten?
Das werde ich sehr oft gefragt. Wenn ich ein neues Stück einstudiere, bin ich oft so in dem Stück drin, dass ich den ganzen Tag beispielsweise nur Marimba spielen möchte. Mein Herzblut hängt nach wie vor sehr am Drumset. Damit hat für mich alles angefangen, so habe ich meine Liebe zum gesamten Schlagzeug entdeckt. Dennoch kann ich kein einzelnes Lieblingsinstrument herauspicken.
Das Schlagzeug ist ja unglaublich umfangreich. Vor kurzem habe ich ein Stück geschrieben für eine Firma, die Kochtöpfe herstellt. Dafür habe ich mir dann die am besten klingenden Töpfe herausgesucht, diese zum Teil aufgehängt oder angehoben, manche auf den Rand gelegt… Kombiniert wurden diese mit konventionellen Schlaginstrumenten, was ich persönlich immer ganz spannend finde. Ähnlich arbeite ich gerade im Auftrag eines Juweliers, wo ich auf Werkstatt- und Goldschmied-Elementen spiele. Mit meinem Ensemble arbeite ich an einem Projekt, bei dem wir verschiedenste Bauelemente verwenden, wie riesige Stahlträger, Rohrleitungen oder Gitter, welche bei einem Industrie-Abriss freigeworden sind. Man sieht: Es ist eigentlich gar nicht möglich, das Schlagzeug in 20 oder 30 Instrumente einzugrenzen. Von der Flasche über die Tischplatte bis hin zum Blumentopf – gewissermaßen ist jeder Gegenstand ein Percussion-Instrument.
Gerade die Vielseitigkeit ist es, was mich am meisten fasziniert und anspornt. Es ist eine große Herausforderung, an allen Instrumenten-Typen den eigenen Status quo an technischen Fähigkeiten zu halten. Auf der Pauke brauche ich eine andere Technik wie am Drumset, am Drumset eine andere wie an der kleinen Trommel; von Xylofon, Glockenspiel, Marimba- oder Vibrafon ganz zu schweigen. Hinzu kommen Standardinstrumente wie Tamburin oder Triangel, die niemals zu unterschätzen sind. Die große Herausforderung ist es, auf allen Instrumenten fit zu bleiben. So ein Übetag mit acht bis zwölf Stunden ist da schnell gefüllt.
Sie versuchen also, an jedem Übetag alles einmal in der Hand gehabt zu haben?
Eigentlich schon. Zumindest so, dass ich keine feinmotorischen Fähigkeiten verliere. Ich bin auch noch nie in meinem Leben irgendwo hingereist, ohne ein Practice-Pad, ein paar Sticks oder mindestens vier Mallets dabei zu haben. Ich merke, wie ich mich richtig ungeduscht fühle, wenn ich die zwei oder drei Tage nicht in der Hand habe. Das geht Bläsern ja nicht anders. Ein guter Freund von mir sagt, dass ihm etwas fehlt, wenn er ein paar Tage sein Mundstück nicht am Mund hatte. Natürlich ist es logistisch deutlich einfacher, eine Trompete ins Handgepäck zu packen oder ein Mundstück in die Hosentasche zu stecken. Wenn ich mit meinem Ensemble ein Konzert spiele, reisen wir mit mindestens ein bis zwei Sprintern Gepäck. Das ist dann eine richtige Materialschlacht.
Wie geht es für Sie im laufenden Jahr weiter? Auf welche Ziele arbeiten Sie hin?
Wie bereits in den zurückliegenden Monaten bin ich auch in den kommenden Wochen in zahlreiche Aufnahmeproduktionen involviert. Ganz besonders freue ich mich zum Beispiel auf einen Videodreh auf der Aussichtsplattform des Münchener Olympiaturms, wo ich mit meinem Ensemble – bei Mondlicht – Beethovens Mondscheinsonate aufnehmen werde. Außerdem sind ab Sommer viele Konzerte geplant, die derzeit jedoch auf der Kippe stehen. Sobald es da etwas mehr Gewissheit gibt, stehen ich die Termine auf meiner Internetseite. Eventuell klappt es, dass ich schon Ende des Jahres mit meinem Hybrid-Percussion-Setup in Texas die Premiere feiern kann. Ich hoffe sehr, dass wir Richtung Spätsommer auch wieder ein paar Open-Air-Möglichkeiten nutzen können. Meine größte Vorfreude gilt da auf jeden Fall dem 26. Juni im Brunnenhof.
Generell freue ich mich schon sehr darauf, wenn wir nach der Pandemie auch den interkulturellen Austausch wieder etwas fördern können. Als Musiker zu reisen gehört für mich zu den schönsten Dingen, weil man nie als Tourist unterwegs ist, sondern immer direkt mit den Leuten vor Ort arbeitet und für einen kurzen Zeitraum in deren Alltag integriert wird. Man lernt ein Land und seine Kultur so viel direkter, intensiver und ehrlicher kennen. Für mich ist Musik da wirklich eine globale Sprache, weil alle sie verstehen können – wenn man denn richtig zuhört.