„Schrittmacher der Blasmusik“ heißt die Serie, in der junge Dirigenten vorgestellt werden. Christian Weng ist einer von ihnen. Im Interview spricht er unter anderem über Kommunikation und Kooperation.
Warum sind Kommunikation und Kooperation aus Ihrer Sicht die wichtigsten Parameter einer erfolgreichen Nachwuchsarbeit für Musikvereine und Blasorchester?
Kommunikation, vor allem die verschiedenen (digitalen) Kommunikationsmittel, werden immer schneller und unübersichtlicher. Ein gutes Management des miteinander Kommunizierens wird durch diese Fülle an Angeboten immer wichtiger. Neben den guten Inhalten, die wir vermitteln wollen, steht also das „wie“ immer stärker im Mittelpunkt unserer Überlegungen. Möchte ich etwa die Eltern möglicher neuer Nachwuchsmusiker erreichen, sollten Überlegungen angestellt werden, wie dies am besten ermöglicht werden kann – quasi eine Art Zielgruppenanalyse.
Bleibt man im Kommunikationsaspekt souverän, bringt man seine Botschaft entsprechend an und kann sein Angebot und die Möglichkeiten musikalischer Bildung entsprechend vermitteln. Man kann als Verein die besten Ideen und Konzepte haben, die auf den jeweiligen Ort perfekt zugeschnitten sind – wenn man diese nicht bekannt macht und „unter die Leute“ bringt, werden sie nicht greifen.
Im Bereich der Kooperation sollte vor allem auf Offenheit und Nachhaltigkeit geachtet werden. Die Zeiten, in denen jeder »vor sich hin gearbeitet hat«, müssen der Vergangenheit angehören. Gerade durch Kooperationen lassen sich wirtschaftliche und ideelle Interessen der einzelnen Partner optimal verbinden. Ein Beispiel: Ist es schwierig, für wenige Schüler einen qualifizierten Lehrer zu verpflichten, so kann eine Ausbildungskooperation mehrerer Vereine dies ermöglichen. Dadurch können ausreichend Schüler bei einer Lehrperson gebündelt werden. So wird das wirtschaftliche Interesse der Lehrperson mit den Ausbildungsinteressen der Vereine in Einklang gebracht. Damit werden auch im ländlichen Raum qualifizierte Musikstunden möglich.
Ein Positivbeispiel für gelungene Kooperation ist das Musikzentrum Mindeltal, das ich seit 2013 leite. Bereits vor 27 Jahren haben fünf Musikvereine der zwei Marktgemeinden Burtenbach und Jettingen-Scheppach ihre Ausbildungsinteressen gebündelt. Durch die Anwendung neuer Kommunikationsstrategien und die Ausweitung der Kooperation mit Bildungspartnern wie Kindergärten und Schulen konnten wir seit 2013 die Schülerzahl von 136 auf 263 fast verdoppeln. Im laufenden Schuljahr 2019/2020 ist die Stadt Burgau mit ihren zwei Musikvereinen dem Musikzentrum beigetreten. Damit können wir die Vorteile gemeinsamen Musikunterrichts in noch größerem Maßstab ausspielen. Dies ist auch ein Beispiel dafür, wie Musikunterricht im ländlichen Raum und dezentral gelingen kann.
Was macht eine gute Kommunikation aus? Mit wem soll innerhalb der Nachwuchsarbeit kommuniziert werden?
Das Wichtigste vorweg: Man kann nie zu viel kommunizieren, höchstens auf zu vielen Kanälen gleichzeitig. Ist man als Ausbilder oder Vereinsverantwortlicher aktiv, erscheinen Abläufe, Termine etc. völlig klar und selbstverständlich. Erfahrungsgemäß ist dies aber ein gefährlicher Trugschluss. In der Kommunikation sollten immer auch unsere sogenannten „Selbstverständlichkeiten“ mit bedacht werden. Dabei ist es wichtig, wertschätzend und auf Augenhöhe miteinander umzugehen. Ganz nach dem Motto: Der Ton macht die Musik.
Empfehlenswert ist es, sich auf einen Kommunikationskanal pro Information zu beschränken und beispielsweise Terminpläne nicht per Mail, WhatsApp und als Ausdruck zu verteilen. Schleicht sich irgendwo ein Fehler ein oder gibt es kurzfristige Änderungen, passiert es leicht, dass ein Teil der Kommunikationspartner nicht erreicht wird. Wichtigste Kommunikationspartner in der Jugendarbeit sind: Lehrer, Eltern, Bildungspartner/Kooperationspartner, Vereinsverantwortliche und die Jugendlichen selbst. Gerade diese fühlen sich mehr geschätzt, wenn sie direkt (mit)informiert werden.
Wer sind die wichtigsten Kooperationspartner der Jugendausbildung in unseren Blasorchestern und Musikvereinen?
Insbesondere diejenigen, die ebenfalls an einer ganzheitlichen Entwicklung und Förderung unserer Jugend interessiert sind, sollten mit ins Boot geholt werden. Dies sind insbesondere Kindergärten und Grundschulen. Je nach Größe und Einzugsgebiet können auch die weiterführenden Schulen zu Partnern bei der Jugendausbildung werden. Kooperationen mit anderen Musikvereinen, die die gleichen Ziele und Bedürfnisse haben, können dabei helfen, guten Musikunterricht breitgefächert auch im ländlichen Raum anbieten zu können.
Wie sieht für Sie eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit aus?
Ich bin ein großer Freund der Bottom-Up-Methode. Das bedeutet, ich versuche den Musikunterricht von unten nach oben zu denken. Möchte ich begeisterte und gut ausgebildete Nachwuchsmusiker im Orchester haben, muss hierfür früh der Grundstein gelegt werden. Bei uns im Musikzentrum Mindeltal beginnt die musikalische Bildung mit der musikalischen Früherziehung in den Kindergärten als unseren Kooperationspartnern. Im Alter von rund vier bis sechs Jahren werden den Kindern hier erste musikalische Erlebnisse und Begegnungen ermöglicht. In der Grundschule (1. Klasse) können dann Blockflöten-, Perkussion- und Musikkarussell-Kurse besucht werden.
Bereits in der zweiten Klasse ist unsere Bläserklasse angesiedelt. So können unsere jungen Nachwuchskünstler bereits früh in Berührung mit Blasinstrumenten kommen. Hierbei werden Leihinstrumente gratis zur Verfügung gestellt, sodass die Eltern ihren Kindern ohne großen finanziellen Aufwand die Möglichkeit geben können, ein ganzes Schuljahr lang Musikluft zu schnuppern.
Ab der dritten Klasse wechseln die Kinder dann in den Einzelunterricht und dürfen gleichzeitig schon in das Nachwuchsorchester. Ab diesem Zeitpunkt ist unsere Ausbildungsphilosophie immer mehrdimensional gedacht. Neben Einzelunterricht (persönliche Fortschritte auf dem Instrument) und Theorieunterricht (insbesondere in Vorbereitung auf die Bläserprüfungen) ist die Säule des gemeinsamen Musizierens (Gruppendynamik/Freude an der Musik) besonders wichtig und erfolgreich.
Warum ist die möglichst frühzeitige Einbindung von Kindern und Jugendlichen in Ensembles wichtig und wie sind diese Ensembles idealerweise gestaltet?
Je früher das Musizieren von einer Tätigkeit, die allein und zu Hause ausgeübt wird, zu einem Event für unseren Nachwuchs wird, desto eher springt die Begeisterung zum Musizieren auf die Kinder und Jugendlichen über. Im gemeinsamen Spiel wird nicht nur das kindgerechte, gruppendynamische Verhalten bei den Kindern geschult, sondern auch ein Ziel für das häusliche Üben angeboten.
Gelingt es, den Kindern zu vermitteln, dass das Üben die Eintrittskarte für Spaß, Freude und das gemeinsame Musizieren mit Freunden im Orchester ist, steigt auch die Übe-Bereitschaft. Bei Jugendlichen ist dann auch das wichtige Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe und das gemeinsame Erreichen von Zielen (zum Beispiel Konzert- und Wettbewerbserfolge) entscheidend. Bietet man hier geschickt gewählte Zwischenschritte, können Ziele erreicht werden, die über dem eigentlichen Leistungsstand der Jugendlichen liegen.
Am wichtigsten in der Gestaltung dieser Ensembles ist eine altersgerechte Struktur. Für Kinderorchester bündeln wir bei uns Kinder von der 3. bis zur 6. Klasse. Im Jugendorchester spielen Jugendliche ab der 7. Klasse bis maximal 27 Jahre. Damit kann zielgruppengerechte Literatur gewählt werden und man kann in den Proben auf die Bedürfnisse und Interessen der relativ homogenen Gruppen gezielt eingehen.
Entscheidend für ein Gelingen der Orchesterproben ist ein Orchesterleiter, der pädagogisch und musikalisch entsprechend der vorhandenen Nachwuchsmusiker handeln kann. Ich plädiere immer dafür, gerade für Jugendorchester entsprechend qualifizierte und motivierte Leiter zu gewinnen. Das bedeutet nicht, dass jede Orchesterleitung ein Dirigierstudium benötigt. Aber es muss das für die jeweilige Zielgruppe entsprechende Know-how vorhanden sein, im musikalischen Bereich und – das ist fürs Kinderorchester vielleicht sogar noch wichtiger – im pädagogischen Bereich.
Wenn Musikvereine und Blasorchester eine gemeinsame Jugendarbeit betreiben, wie kann es gelingen, dass für alle gleichermaßen die Zukunft durch junge Musiker gesichert ist?
Grundsätzlich ist es wichtig, schon früh einen positiven Kontakt zu Schülern und Eltern aufzubauen. Dies kann etwa dadurch erfolgen, dass der Nachwuchs eine Einladung und eine Freikarte zu den Konzerten des jeweiligen „Heimatvereins“ bekommt. Auch sind gemeinsame Ausflüge des Vereinsnachwuchses zusammen mit den „Großen“ eine schöne Form des Kennenlernens.
Bei uns hat sich auch eine Brückenbildung zwischen den Stammvereinen und der Jugendkapelle etabliert: Wenn die Jugendlichen aus der Jugendkapelle zu den Stammvereinen weiterrücken, versuche ich sie zu ermutigen, weiterhin in der Jugendkapelle zu musizieren. Dadurch hat man immer „Doppelspieler“ in Stammverein und Jugendkapelle. Rückt die nächste Generation von der Jugendkapelle weiter, kennen sie also bereits einige Mitspieler und der Schritt von einem Orchester zum nächsten wird leichter. Umgekehrt haben die Stammvereine so die Möglichkeit, auch musikalisch mit ihrem Nachwuchs in Kontakt zu treten und ihn an die Vereine zu binden.
Wie kann das Konzept des Musikzentrums Mindeltal auf andere Regionen und Musikvereine übertragen werden?
Vier Punkte lassen sich in jedes Ausbildungskonzept integrieren: Kommunikationsstrategien für die Nachwuchsarbeit entwickeln und diese immer wieder an der Realität messen; Kooperationsmöglichkeiten suchen und dadurch Multiplikatoreffekte generieren; altersgerechte Ensembles anbieten, die von motivierten und qualifizierten Dirigenten geleitet werden; Begeisterung und Freude an der Musik an die nächsten Generationen weitergeben.
Ein Porträt über Christian Weng lesen Sie hier.