Wood | Von Klaus Härtel

Christiane und Katharina Martini über Vielseitigkeit

Katharina Martini
Katharina Martini

Vielseitigkeit ist das Stichwort. Und sie leben dies mit Begeisterung vor: Katharina und Christiane Martini, Tochter und Mutter, sind studierte Flötistinnen, haben für sich aber entdeckt, dass es mehr gibt, als nur das Instrument. Und das wollen sie in Podcast-­Gesprächen mit anderen Menschen weitergeben.

Christiane Martini ist Musikerin, Komponistin und Autorin. Sie liebt es, an ihrem Schreibtisch mit Blick in den Garten zu sitzen und an ihren vielfältigen Projekten zu arbeiten. Ihre Tochter Katharina Martini geht einen ähnlichen Weg. Nach dem Studium ging sie eben nicht ins Orchester, sondern verfolgte zahlreiche Pläne. Sie ist Musikerin, Dozentin, Autorin. Wir sprachen mit Katharina und Christiane Martini über Lebensplanung, Musikvermittlung und natürlich den Podcast.

In Ihrem Podcast sprechen Sie mit Menschen und über deren Lebenswege. Sie wollen dabei wissen, wie sie dorthin gekommen sind, wo sie sind. Wie kamen Sie auf die Idee, aus eigener Erfahrung?

Katharina Martini: Der Weg der Musikerin und des Musikers ist sehr vielseitig. Das merken wir immer wieder, wenn wir Leute kennenlernen, die alle irgendetwas mit Musik zu tun haben, aber doch ihren ganz individuellen Weg gegangen sind. Diese Leute spielen nicht einfach “nur”«” in einer Big Band oder einem Orchester, sie gehen nicht diesen “klassischen” Weg, der einem vorschwebt, wenn man an “Musiker” denkt. Wir glauben, dass es ganz wichtig ist – gerade in der heutigen Zeit –, dass man inspiriert und Mut macht und diese individuellen Wege aufzeigt. Es gibt nicht den einen vorgeschriebenen Weg. 

Christiane Martini: Man kann das ein bisschen an meinem persönlichen Weg sehen. Ich bin studierte Musikerin, habe das Diplom gemacht, die Reifeprüfung, das Konzertexamen. Ich habe viele Konzerte gegeben. Irgendwann habe ich für mich entdeckt, dass ich sehr gerne schreibe. Mittlerweile habe ich zwölf Romane in verschiedenen Genres geschrieben, Lehrwerke geschrieben und sehr viel komponiert. Ich habe einen sehr vielseitigen Weg gefunden, der unglaublich toll und beflügelnd für mich persönlich ist – und Katharina hat das für sich selbst auch entdeckt. Gemeinsam als Mutter-Tochter-Team haben wir “Das Glücksbuch” geschrieben, es ist gerade im Smart und Nett Verlag erschienen. Auch hier verbinden wir Musik und Literatur, denn wir haben Songs zum Buch komponiert. 

Katharina Martini: Ich hatte die Inspiration ja immer vor der Nase sitzen (lacht). Ich habe mitbekommen, dass man auch nach rechts und links schauen und sich weiterentwickeln darf. Die Coronazeit ist mit Sicherheit nicht ganz unschuldig daran, dass sich das viele nicht mehr trauen. Denn Musik schien im ersten Moment nicht das allersicherste Business zu sein. Der Podcast soll eine Plattform, soll Inspiration bieten und die Möglichkeit, sich mit anderen zu verknüpfen. Und diese Verknüpfung funktioniert. 

Aber wie war das am Anfang Ihrer Laufbahn? Sie, Katharina, haben Flöte studiert. Wann haben Sie erkannt, dass es mehr gibt als die Orchesterstelle?

Katharina Martini: Ich bin Musikerin durch und durch. Aber es war nie mein Ziel, ins Orchester zu gehen. Ich habe mir das natürlich angeschaut und auch viel im Orchester gespielt. Ich habe versucht, mich dort einzugliedern, um zu schauen, ob dieser Weg etwas für mich sein könnte. Und ich bin aber immer wieder auf andere Wege gestoßen: Ich liebe die Kammermusik, ich liebe es, solistisch zu spielen. Ich mag interdisziplinäre Projekte, bei denen Musik zusammen mit Fotografie oder Literatur passiert. Ich habe für mich herausgefunden, dass mich diese Dinge von innen heraus total erfüllen. Es entspricht meiner Lebensphilosophie, eben nicht auf Sicherheit zu gehen und ein sicheres festes Gehalt anzustreben. Mein primäres Ziel ist es, mein eigenes Glück und meine eigene Erfüllung zu finden.

Ich glaube, dass es am Ende erfüllender ist – und das soll auch die Inspiration des Podcasts sein –, Dinge einfach zuzulassen und in sich hineinzuhorchen: Was will ich eigentlich? Wie fühlt sich das für mich an? Man sollte sich nicht in ein bestimmtes Raster drängen lassen. Zugegeben: In den Hochschulen geht es eher “engstirnig” zu und die Richtung ist sehr stark vorgegeben durch die Orchester-Studiengänge. Ich habe immer versucht, meinen Weg zu finden. Ich habe schon früh sehr viele Projekte außerhalb der Hochschule gestartet und angefangen, mein eigenes Netzwerk zu knüpfen. Mein Vorteil war allerdings auch, dass ich keinen Druck von zu Hause bekommen habe. Ich wurde immer ermutigt, meinen eigenen Weg zu gehen und zu finden. Ich durfte und darf neugierig sein und meinen Horizont erweitern. 

Das wäre tatsächlich meine nächste Frage gewesen: Auf “Nummer Sicher” mussten Sie ja nicht gehen, weil Ihre Mutter Sie nicht nur nicht gedrängt hat, sondern auch vorlebt, wie es funktionieren kann. 

Christiane Martini: Man sollte in seinem Leben etwas machen, das einen erfüllt und glücklich macht. Orchesterproben können erfüllend sein, aber ich muss immer Hochleistung bringen, muss sehen, dass ich Privatleben und Orchester miteinander vereinbare. Ich muss das wollen und dafür brennen. Für mich wäre das nichts gewesen. 

Martini
Christiane Martini

Katharina Martini: Natürlich spielen viele Musikerinnen und Musiker im Orchester, weil sie es lieben, im Orchester zu spielen – und nicht nur des festen Gehalts wegen. Das Sinfonie­orchester als Konstrukt ist aber, finde ich, etwas veraltet. Wir entwickeln neue Konzertformate, in denen wir Themen, die Menschen berühren, mit der Musik, die sie im Konzert kennenlernen, verbinden und dabei Orchester, Solisten und das Publikum miteinander verbinden. Wenn man aus sich selbst heraus den Wunsch verspürt und den Mut hat, Neuerungen in dieses ­Business zu bringen, das Publikum auf neue Art und Weise zu verzaubern – dann ist das etwas ganz Förderliches für die Kulturszene und unsere Gesellschaft. Diesen Mut habe ich für mich bisher bewiesen und wir möchten mit dem Podcast inspirieren, dass auch andere Menschen mutig werden. 

Wonach wählen Sie die Gesprächspartner aus? Müssen die vor allem mutig sein?

Katharina Martini: Kürzlich habe ich mit einem bildenden Künstler gesprochen, der ursprünglich Architektur studiert hat. Der erzählte, dass er schon als Kind Künstler habe werden wollen und sich aber dann – nicht einmal von seinem Elternhaus, sondern von der Gesellschaft – davon hat abbringen lassen. Er hat dann etwas gesucht, das der Kunst ähnlich war: die Architektur. Er hatte den besten Abschluss, war sehr erfolgreich – und hat sich dann in der Architektur nicht gefunden. Als Künstler ist er heute glücklich.

In den Gesprächen geht es darum, zu schauen, wo haben die Leute angefangen, welche Umwege sind sie gegangen und wie sind sie an den Punkt gekommen, dass sie sagen: “Das, was ich heute mache, ist echt cool…” Wir sprechen aber auch mit jungen Leuten, die noch keinen großen Karriereweg gegangen sind und nicht die Lebenserfahrung haben, wie sie 50- oder 60-jährige haben. Diese Menschen haben Visionen und Träume und wir finden es sehr inspirierend, auch diese abzubilden. 

Ihr Podcast ist ein Dreiklang aus Unterhaltung, Inspiration und soll verdeutlichen, dass es eben nicht nur den einen vorgefertigten Weg gibt. Kann man das so zusammenfassen?

Christiane Martini: Ja. Und wir wollen den Mut fördern, sich nicht beirren zu lassen. Etwa von Stimmen, die mir sagen: Du darfst das nicht. Du kannst das nicht. Ich habe im Moment eine unglaublich begabte Schülerin. Deren Eltern sagen aber, dass sie mit der Musik kein Geld verdienen könne und dass sie das mal lieber lassen solle. Ich denke: Das fühlt sich nicht richtig an. Und: Wir wollen auch eine Vernetzungsplattform sein. Wir wollen die Menschen zusammenbringen. 

Ist es das Faszinierendste am Fach Musik, dass sie einfach so unglaublich vielseitig ist und letztlich jeden Menschen begleitet? 

Katharina Martini: Musik verbindet. Und Musik verbindet enorm, wenn wir Wege schaffen, wie sie verbinden kann. Natürlich ist Musik für uns aktive Musikerinnen und Musiker ohnehin ein Teil unseres Lebens. Aber es gibt unglaublich viele junge Menschen, die – durch Corona noch extremer – nicht mehr so aktiv an das Konzert herangeführt werden, wie das früher einmal der Fall war. Und das ist tatsächlich eine Herausforderung, weil sich die ganze Konzertwelt verändert. Da müssen wir ansetzen und neue und innovative Formate schaffen, mit denen sich neue Menschen angesprochen fühlen.

Kann die Digitalisierung dabei helfen? Denn nur über diese zu schimpfen, bringt am Ende des Tages nichts. Man muss sie für sich nutzen – wie Sie es mit dem Podcast tun, oder? 

Katharina Martini: Schimpfen bringt sowieso nie etwas (lacht). Es heißt ja: nicht aus dem Mangel, sondern aus der Fülle! Wir müssen uns einfach zunutze machen, welche Möglichkeiten wir haben. Es geht ja gar nicht darum, Musik nur über die digitalen Kanäle bekannt zu machen. Die Möglichkeiten erlauben es mir zum Beispiel, mitten in der Nacht in New York einen Kurs zu einem ganz besonderen Thema zu geben. Ich konnte mit Menschen über Musik reden und ihnen darlegen, wie sie ihren Körper perfekt für die Musik und mit der Musik bewegen können und Schmerzen vermeiden.

Da hilft die Digitalisierung natürlich enorm. Und trotzdem sollten wir uns auch Gedanken darüber machen, dass wir uns nicht zu sehr in die digitale Welt hineinfallen lassen. Denn das birgt die Gefahr, dass wir uns unnahbar machen. Gerade als Musikerinnen und Musiker sollten wir Veranstaltungen nutzen, um aktiv an die Menschen heranzutreten. Jemanden von Mensch zu Mensch zu sehen und zu spüren ist energetisch noch einmal etwas ganz anderes. Die Mischung machts.

Artist Lounge Podcast 

“Mit unserem Podcast möchten wir zeigen, dass man an seinen Träumen festhalten soll und es Möglichkeiten gibt, Träume zu leben”, meinen Katharina und Christiane Martini. Persönlichkeiten aus verschiedensten Kunstbereichen sprechen über ihren Weg. Einige Folgen der »Artist Lounge« sind bereits online. Es folgen in Kürze Gespräche mit Heikedine Körting (Initiatorin bekannter Hörspiele, z.B. “Die drei ???”, “Hanni und Nanni”), Marina Piccinini (international erfolgreiche Flötistin), Lilian Genn (Musikvermittlerin und Körperpädagogin), Florian Graf (bildender Künstler), Bettina Bermbach (Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Musikleben), Morgan Pappas (Agentin & Managerin in NY), Hera Lind (Autorin) und Peter Lukas Graf (Flötist und Dirigent).

www.katharina-martini.de/artistlounge
@artistlounge.podcast

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