Wood | Von Hans-Jürgen Schaal

Das Bathyfon. Das Stichwort

Bathyfon
Das Bathyfon (Foto: By Clarioio - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90937296 )

Im Patent von 1839 wird das Bathyfon als “Holz-Bass-Blasinstrument” bezeichnet, “welches den Holzinstrumenten den mangelnden Kontrabass ersetzt”.

Er war der preußische Gegenspieler von Adolphe Sax, dem Erfinder des Saxofons. Wilhelm Wieprecht (1802 bis 1872) hatte zwar keine Instrumentenwerkstatt, konnte sich aber immerhin Instrumente ausdenken. Von Haus aus gelernter Geiger, war er in Leipzig und Dresden den Blasinstrumenten nähergekommen und hatte schließlich 1824 in Berlin sein bläserisches Damaskus-Erlebnis. Bei einer Militärparade fasste er den “festen Entschluss”, sich fortan “dem Fache der Militärmusik ausschließlich zu widmen”. Wieprecht hat daraufhin die preu­ßischen Musikkorps neu zusammengestellt, die Armee-Trompeter ausgebildet, den “Großen Zapfenstreich” geschaffen – er wurde Preußens führender Militärmusik-Reformer. Seine Ideen fanden selbst in der Türkei und in Guatemala Interesse und wurden sogar von Napoléon III. gewürdigt. Wieprecht bescheinigte sich selbst, “etwas Tüchtiges” geleistet zu haben.

Die Militärmusik erlebte im 19. Jahrhundert ihre große Blüte. Zu besonderen Anlässen gab es damals Freiluftkonzerte mit mehr als tausend Musikern. Doch genau wie Monsieur Sax in Frankreich spürte auch Wieprecht, dass den Blas­kapellen seiner Zeit die starken Bass- und Kontrabass-Instrumente fehlten. Die Tiefen klangen schwach und dünn. Wieprecht hatte eine Idee: 1835 meldete er zusammen mit dem Hofinstrumentenbauer Carl Wilhelm Moritz ein neues Blasinstrument zum Patent an, die Basstuba – sie sollte sich binnen kurzem als tiefste Stimme der Blechbläser durchsetzen. Für die Holzbläser-Abteilung wollte Wieprecht ebenfalls ein starkes Kontrabass-Instrument entwickeln – diesmal waren die beteiligten Fachleute die Herren Carl Eduard Skorra und Carl Kruspe. Der Name des neuen Instruments: Bathyfon (d. h. “Tieftöner”, original: Bathyphon, auch: Batyphon).

Das Bathyfon ist im Grunde eine Klarinette im Kontrabassbereich. Vorformen dazu gab es seit 1808: den “Contre-Basse Guerrière” von Dumas, das Kontrabassetthorn von Streitwolf, die Kontrabassklarinette von Brod. Das preußische Bathyfon von 1839 war in C gestimmt, hatte 16 Kurbel- und Drehklappen und bestand aus Ahornholz. Der Bogen und der Schallbecher waren aus Messing oder Neusilber gefertigt. Die Korpuslänge wurde mit 6 ½ Fuß angegeben, das sind etwa 2,45 Meter. Der Klang des Bathyfons soll schön gewesen sein, nur leider zu schwach für den gewünschten Zweck. Anders als die Basstuba ging dieses Instrument im wahren Wortsinn unter. Später soll es immerhin noch den Bau der “Pedalklarinette” inspiriert haben.

Unrühmlich bekannt wurde das Bathyfon durch Wieprechts Streit mit Adolphe Sax. Dieser hatte, um das Bassproblem der Holzbläser zu lösen, seinerseits 1842 das Saxofon erfunden. Neidische Pariser Konkurrenten überzogen Sax daraufhin jahrelang mit einer Flut von Patentprozessen und scheuten sich nicht, ihn auch im Ausland als Plagiator zu denunzieren. Wieprecht glaubte ihnen unbesehen und beschuldigte Sax daher öffentlich, sein Bathyfon kopiert zu haben. Die beiden tauschten erbitterte offene Briefe. Die einzige persönliche Begegnung zwischen ihnen fand im Oktober 1845 am Rhein statt.

Das ganze Rheinland vibrierte damals von orchestraler Blasmusik: Man feierte den 75. Geburtstag des geborenen Bonners Ludwig van Beethoven. In einem Hotel in Koblenz wurden Sax und Wieprecht von Franz Liszt zusammengeführt. Auch der Trompeter Arban war dabei und der franzö­sische Zeitungskorrespondent Fiorentino. Wieprecht musste zugeben, dass er noch nie ein Saxofon gesehen hatte. Sax andererseits konnte später beim Prozess in Paris ein Bathyfon vorzeigen und die Anschuldigungen seiner Feinde entkräften. Der Musikwissenschaftler Léon Kochnitzky schreibt: “Das kurzlebige Bathyfon hinterließ – trotz seines schönen griechischen Namens – eine Reihe quietschender Geräusche, während das Saxofon langsam und sicher voranging, sich seinen Platz in der Welt der Musik zu erobern.”

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop, Das Flügelhorn, Der Stimmton, Die Windkapsel, Der Dämpfer, Das Flötenkonzert, Die Wagnertuba, Die Mundharmonika