Orchestra | Von Hans-Jürgen Schaal

Das Ende der absoluten Musik? Ein Essay

Absolute Musik
Foto: Christoph Schütz/Pixabay

Der Romantiker E.T.A. Hoffmann fragte 1814: “Sollte, wenn von der Musik als einer selbstständigen Kunst die Rede ist, nicht immer nur die Instrumentalmusik gemeint sein?” Denn nur aus ihr, schrieb er, spreche das reine Wesen der Musik – absolut, ohne fremde Zutaten.

Unser Wort “Musik” kommt aus dem Altgriechischen. In der Antike bezeichnete “musiké” allerdings eine Art Multimedia-Performance, bestehend aus Sprache (Vers, Gesang), Rhythmus (Tanz) und Instrumenten (Musik). Das Klangliche allein, das Instrumentalspiel ohne Gesang, war noch keineswegs “musiké”. Der Musikwissenschaftler Thrasy­bulos Georgiades hat darauf hingewiesen, dass »der Grieche kein Wort für das, was wir Musik nennen, besaß«. Auch in der mittelalterlichen Kirche war Musik stets Dienerin des Wortes. Wenn Augustinus über den Rhythmus schreibt, dann meint er Bibelverse. Selbst die “Erfindung” der Polyphonie im 15. Jahrhundert erfolgte in ­reiner Vokalmusik und auf der Basis frommer Texte. Nur langsam fanden zum Beispiel Blas­instrumente überhaupt Eingang in die Kirchenmusik, zunächst nur als Verstärkung der Singstimmen. Reine Instrumentalmusik war den Kirchenoberen lange Zeit verdächtig, weil sie Raum lässt zum freien Denken und Träumen. 

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