Brass | Von Hans-Jürgen Schaal

Das Flügelhorn. Das Stichwort

Flügelhorn
Das Yamaha-Flügelhorn YFH-8310Z

Zur Familie der “Bügelhörner” gehören Althorn, Tenorhorn und Baritonhorn (bzw. Eufonium) sowie die Basstuba und die Kontrabasstuba. Jetzt fehlt nur noch das Sopran-Instrument – das eben ist das Flügelhorn. 

Es ist der Nachfahre des Signalhorns, und aus diesem Bereich hat das Flügelhorn auch seinen Namen. Bei der Jagd nämlich spielte der “Flügelmeister2, der zur Seite ab­sicherte, auf diesem Horn seine Signale. Auch in der Militärkapelle ist der Platz des Flügelhorns auf dem linken »Flügel«. (In der Blas- und Marschmusik ist das Flügelhorn noch heute zu Hause.) Wie alle Bügelhörner hat es die Form einer Trompete (engl./frz. »bugle«), aber eine hornähnliche Mensur, also ein weites und konisches Rohr. Deshalb klingt es wärmer und runder als die Trompete, hat diese “samtene Weichheit” (Friedel Keim). Für Johannes Kuhlo, den großen Förderer des Bläserchorals, war das eine geradezu “vokale” Klangqualität: “Je ähnlicher ein Instrument der menschlichen Stimme klingt, um so vollkommener ist es und umso höher zu bewerten”, schrieb er. “Die Flügelhörner sind die Nachtigallen im Sopran der Blechmusik.”

Das Flügelhorn gibt es in vielen Varianten

Das Flügelhorn gibt es in vielen Varianten. Die Bauart mit senkrechten Périnet-Ventilen gilt als typisch für den Jazz – im Gegensatz zur “deutschen” Variante mit seitlichen Drehventilen. Man unterscheidet auch böhmische und mäh­rische Mensur, amerikanisches und deutsches Mundstück usw. Obwohl das Flügelhorn gleich gestimmt ist wie die Trompete, kann ein geübter Bläser darauf einen um eine Oktave tieferen Ton hervorbringen. Manche Instrumente besitzen daher ein zusätzliches Quartventil – damit lassen sich die Töne im Raum der zusätzlichen Oktave erreichen.

Eine besondere Bauart des Flügelhorns geht auf den erwähnten Posaunenchor-Patron Johannes Kuhlo zurück. Sein “Kuhlohorn” (um 1900) ist ein Flügelhorn in ovaler, handlicherer Form. Aus drei Kuhlohörnern, Waldhorn, Eufonium und Tuba bestand einst das “Kuhlo-Horn-Sextett”. Der amerikanische Trompetendesigner David Monette erfand 1989 die “Flumpet”, klanglich eine Kreuzung aus Flügelhorn und Trompete. Vor allem Art Farmer und Mark Isham machten dieses Instrument bekannt. Auch für klassische Hornsoli soll die Flumpet schon benutzt worden sein.

Als Zweitinstrument bietet das Flügelhorn eine klangliche Alternative

Oft heißt es, das Flügelhorn sei besonders im Jazz zu Hause. Doch tatsächlich gibt es kaum einen Solisten im Jazz, der hauptsächlich oder gar ausschließlich Flügelhorn spielen würde. Dem Instrument fehlt einfach die im Jazz oft wesent­liche “Attacke”. Es soll schon vorgekommen sein, dass Jazztrompeter wegen Lippen- oder Zahnproblemen vorübergehend auf das Flügelhorn wechselten. Als Zweitinstrument zur Trompete bietet es eine willkommene klangliche Alternative für lyrische, gefühlvolle Balladen.

Der Trompeter Dusko Goykovich sagt: “Mit dem Flügelhorn besitzt man die Fähigkeit, einen Ton zu biegen, was wunderbar zu langsameren Sachen passt.” Der Trompeter Miles Davis spielte das Instrument praktisch nur auf den üppigen Orchester-Alben, die er unter der Leitung von Gil Evans machte. Seine Platte “Miles Ahead” (1957) und Clark Terrys “In Orbit” (1958) waren es, die einst das Flügelhorn als Jazz-Instrument etabliert haben. Als Flügelhorn-Meister im Jazz gelten unter anderem Tom Harrell, Freddie Hubbard, Thad Jones, Chuck Mangione und Kenny Wheeler. 

Über die Trompeterin Ingrid Jensen hieß es einmal 1998: “Die Kanadierin mit der New Yorker Jazz-Prägung formt auf dem Flügelhorn den Ton warm und präzise, hin und wieder mit der Härte gebrochenen Glases, dann wieder brüchig wie eine Diseuse ihr letztes Chanson.” 15 Jahre später sagte mir Ingrid Jensen in einem Interview: “Ich bin fertig mit dem Flügelhorn, meines steht in einem Museum. Meine neue Monette-Trompete liefert mir jede Klangfarbe, die ich brauche. Ich verwende nur hin und wieder ein Flügelhorn-Mundstück, das mir diesen satten, dunklen Sound mit mehr Kontrolle liefert. Jetzt setze ich diesen Sound auch öfter ein, nicht nur in Balladen.”

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop