Szene, Wood | Von Antje Rößler

Das Gstaad Menuhin Festival: Blockflöten im Alpental

Maurice Steger leitet die »Baroque Academy« beim Menuhin Festival im schweizerischen Gstaad. Im Vordergrund steht das Miteinander. 

Ein Festival in den malerischen Alpen

Die Lokomotive trägt Werbung für das »Gstaad Menuhin Festival«. Vom Ufer des Genfersees schiebt sich eine Schmalspurbahn in Serpentinen bergauf. Ein letzter Panoramablick über die schimmernde Wasserfläche; dann geht es durch lau­schige Alpentäler ins Berner Oberland. Vor dem Fenster ziehen Wiesen, Wälder, Bäche vorbei. Die Anfahrt ist eine schöne Einstimmung auf das Gstaad Menuhin Festival, das in diesem Jahr unter dem Motto »Les Alpes« seiner pittoresken Umgebung gerecht ­wurde. 

Die Gstaad Academy 

Neben Sinfoniekonzerten im Festival-Zelt und Kammermusik in verschiedenen Dorfkirchen bestreitet das sieben­wöchige Sommerfestival ein umfangreiches Ausbildungsprogramm, die »Gstaad Academy«. Deren Entstehung geht auf den Festivalgründer Yehudi Menuhin zurück, der immer wieder Nachwuchsmusiker nach Gstaad einlud, um mit ihnen zu arbeiten. 

Unter dem Dach der Gstaad Academy laufen mehrere Meisterkurse, die interessierten Besuchern offenstehen. Flaggschiff ist die Conducting Academy mit dem Dirigenten Jaap van Zweden. Es gibt Kurse für Sänger und Streicher. 

Der größte Andrang – immerhin 20 Teilnehmer – herrscht jedoch Ende August bei der Baroque Aca­demy. Sie wird von dem Schweizer Blockflötisten Maurice Steger geleitet. 

Die Baroque Academy in Schönried mit Maurice Steger

Als sich der berühmte Geiger Yehudi Menuhin in den Fünfzigern in Gstaad niederließ und hier die ersten Konzerte organisierte, schätzte er die einsame Berglandschaft. Heute herrscht abends vor Konzertbeginn Stau im Ortsumgehungstunnel. Tagsüber vergnügen sich wohlhabende Russen und Inder zwischen den hölzernen Chalets beim Uhren-Shopping. Gstaad ist das teuerste Pflaster der Schweiz. 

Ruhiger geht es vier Kilometer oberhalb von Gstaad, in dem Dorf Schönried, zu. Aller­orten hört man hier die Glocken der friedlich weidenden Kühe, denen man ihre Hörner lässt. Im Schönrieder Hotel »Ermitage« leitet Maurice Steger seit 2013 die Baroque Academy. Er lebt in Zürich und ist weltweit als Blockflötist und Dirigent im Bereich der Alten Musik unterwegs. Eine Woche lang wird in Schönried gemeinsam gewohnt, gelernt, musiziert. 

Der Unterricht findet in einem hellen Versammlungssaal des Hotels statt – zwischen Kamin und Kronleuchter. Draußen rauscht ein künst­licher Wasserfall. Auf einem Tisch hat Steger Dutzende von Flöten ausgebreitet – in allen denkbaren Größen, Bauarten und Stimmungen –, die er den Schülern zum Ausprobieren und fürs Ensemblespiel leiht.

Es gibt in 45-minütigen Blöcken Einzelunterricht. Steger vermittelt spieltechnisches, musikalisches und historisches Fachwissen. Er kann aus dem Stegreif über die Geschichte der Sarabande oder verschiedene Arten von Triolen referieren. Der in Amsterdam studierenden Japanerin Hidehiro Nakamura entlockt er ein traumhaft schwebendes Piano; bei dem Engländer Daniel Swani lenkt er die überbordende ­Expressivität in geschmeidigere Bahnen. Unermüdlich feilt er an Akzenten und Ornamenten. 

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