Das Landespolizeiorchester Brandenburg macht Präventionsarbeit mit Kindern – ohne belehrenden Frontalunterricht. Das LPO ist ein sinfonisches Blasorchester mit 45 Berufsmusikern. Die Mitglieder treten in Uniform auf, mit einer Harfe auf der Schulterklappe. Ihre Aufgabe ist es, ein positives Bild der Polizei zu vermitteln. Auch Polizisten sind kulturell interessierte Mitbürger – dieses Image soll in der Öffentlichkeit ankommen. In diesem Sinne begleitet das LPO diverse Veranstaltungen von Polizei und Landesregierung, unterstützt aber auch kulturelle Aktivitäten in den Kommunen. Die Hälfte der jährlich rund 200 Auftritte aber entfällt auf Präventionsprogramme für Kinder, Schüler und Senioren.
Christian Köhler ist der Leiter des in Potsdam ansässigen Ensembles. Köhler, der aus Darmstadt stammt, studierte zunächst Posaune in Mainz und Wien, dann wechselte er zum Dirigierstudium nach Maastricht. Als er 2011 die Leitung des Landespolizeiorchesters Brandenburg übernahm, war der damals 31-Jährige einer der jüngsten Chefdirigenten in Deutschland.
Köhler setzte sich dafür ein, dass das LPO eine eigene Konzertreihe im Potsdamer Nikolaisaal gestaltet; die Bekanntheit des Ensembles stieg daraufhin. In den Konzerten stehen Walzer, Musical-Klassiker, Filmmusik oder Pop-Arrangements auf dem Programm. Die Zeiten, als ein polizeilicher Klangkörper nur für Märsche, Hymnen und Tschingderassabum gut war und vielleicht sogar dazu marschierte, sind zum Glück vorbei.
Schwerpunkt Präventionsarbeit
Im Nikolaisaal musiziert das LPO nun im Wechsel mit „zivilen“ Klangkörpern wie der Kammerakademie Potsdam, den Sinfonieorchestern aus Frankfurt/Oder und der Stadt Brandenburg oder dem Filmorchester Babelsberg. „Wir verstehen uns als Unterhaltungsorchester für breite Bevölkerungsschichten“, stellt Christian Köhler fest.

Der Landesrechnungshof bemängelte vor einigen Jahren, dass das LPO weder Gefahren abwehre noch Straftaten verhüte. Die Arbeitszeit der Musiker entfällt vollständig auf Üben, Proben und Auftritte. Posaunisten und Klarinettisten gehen nicht zwischendurch auf Streife. Das Ganze sei Steuergeldverschwendung, befand der Landesrechnungshof in einer eindimensional kaufmännischen Sichtweise.
Nicht zuletzt, um dieser Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat das Landespolizeiorchester die Präventionsarbeit zu seinem Schwerpunkt gemacht. Wobei da nicht immer die volle Besetzung in die Kindergärten, Schulen oder Altenheime kommt, sondern auch mal die Jazz-Combo oder eine der diversen kammermusikalischen Gruppen unter dem Dach des Ensembles.
Für Senioren hat das Landespolizeiorchester das schwungvolle Programm „Ohne Krimi geht die Mimi…“ auf die Beine gestellt. Darin wird vor dem Enkeltrick und ähnlichen Gaunereien gewarnt.
Vor allem aber nimmt das LPO die Kinder und Schüler als Zielgruppe in den Blick. „Der ländliche Raum Brandenburgs ist nur mit hohem Aufwand polizeilich zu betreuen. Das LPO bietet da eine zusätzliche effektive Möglichkeit, die Schulen zu erreichen und in der Präventionsarbeit präsent zu sein“, erklärt Orchesterchef Christian Köhler.
Bindeglied zwischen Schulen und Orchester sind die sogenannten Präventionsberater in den örtlichen Polizeiwachen. Sie melden einen Bedarf nach Potsdam; für die Schulen sind die Aufführungen kostenlos.
Ein ganz normaler Tag
Für Vorschulkinder und jüngere Schüler hat das LPO das Programm „Ein ganz normaler Tag“ entwickelt. Es handelt von einem kleinen Jungen, der zum ersten Mal allein in den Kindergarten geht. „Auf dem Weg lauern viele Gefahren. Der Junge muss eine breite Straße überqueren, er wird von einem Fremden angesprochen und findet ein Feuerzeug“, beschreibt Christian Köhler die Geschichte. „Singend und klatschend lernen die Kinder, wie man die verschiedenen Gefahren vermeidet, die in der Öffentlichkeit lauern. Die vermittelten Inhalte werden durch die Musik nachhaltig verstärkt. Was ins Ohr geht, bleibt im Kopf.“

Für die Schüler der Klassenstufen 4 bis 6 ist das Präventionskonzert „Emil und die Detektive“ gedacht, das vor fünf Jahren eigens für das LPO komponiert und didaktisch entwickelt wurde. Den roten Faden bildet Erich Kästners Geschichte über den zwölfjährigen Emil, der im Zug bestohlen wird. Emil und seine Freunde verfolgen den Dieb auf eigene Faust und stellen ihn schließlich in einer Bankfiliale. Das Programm wirft knifflige Fragen auf: Wo verwahrt man am besten sein Bargeld? Darf man etwas Gestohlenes zurückstehlen?
In diesem knapp einstündigen Erzählkonzert wird überlegt, was die kleinen Detektive hätten anders machen können. Sollte man einen Verbrecher wirklich auf eigene Faust jagen? „Wir wollen mit unserem Programm auf Gefahren wie Taschendiebstahl und auf das angemessene Verhalten gegenüber Fremden hinweisen. Außerdem geht es darum, Konflikte ohne Gewalt zu lösen“, erläutert Christian Köhler. „Wir arbeiten mit einem Moderator zusammen, der die Schüler aktiv einbezieht. Das Ganze ist kein Frontalunterricht.“ Seit 2015 hat das LPO seine Adaption des Kästner-Klassikers rund 200 Mal aufgeführt.
Der Funke zur klassischen Musik
Auch wenn das LPO die Kinder- und Jugendkriminalität nicht aus der Welt schaffen kann – die positiven Effekte der musikalischen Präventionsarbeit bemerkt Christian Köhler tagtäglich. „Mit unseren musikalischen Mitteln tragen wir zu einem besseren Klima in den Schulen bei. Wir können zudem zeigen, dass die Polizei nicht böse ist“, erzählt der Dirigent, der natürlich auch hofft, dass bei einigen Kindern der Funke zur klassischen Musik überspringt, dass der eine oder andere ein Instrument erlernt oder mal ein eifriger Konzertbesucher wird.
Was dem LPO-Chef noch Bauchschmerzen bereitet, ist das Thema Internet-Kriminalität. Auch für diesen Bereich ist ein Präventionsprogramm in Arbeit. „Es stellt eine große Herausforderung dar, dieses abstrakte Thema mit musikalischen Mitteln aufzuarbeiten“, gibt Köhler zu. „Aber wir sind da dran. Vor allem geht es uns um Cyber-Mobbing. Das ist an den Schulen ein großes Thema.“
Einen eigenen Konzertsaal hat das Landespolizeiorchester nicht; vielmehr ist es im gesamten Flächenland Brandenburg unterwegs. Die Musiker treten in den Veranstaltungshallen von Frankfurt/Oder, Cottbus oder Prenzlau auf. „Wir sind uns aber auch nicht zu schade, in einer Turnhalle oder Aula zu spielen“, meint Christian Köhler, der bei schönem Wetter auch mal mit seinen Leuten auf den Schulhof umzieht.
„Wir bieten einen niedrigschwelligen Zugang“
Immer wieder begegnen ihm Kinder, die nie zuvor ein Orchester erlebt haben. Während Stadt-Kinder vielleicht glauben, dass der Käse im Supermarkt wächst, müssen Kinder in ländlichen Regionen erst einmal dahinterkommen, dass Musik nicht einfach so im Radio entsteht.
„Die meisten Orchester werden hierzulande aus Steuergeldern bezahlt. Da sollten doch auch alle Bürger die Möglichkeit zum Konzertbesuch haben“, ist Köhler überzeugt. „Deshalb bieten wir einen niedrigschwelligen Zugang und reisen zu unserem Publikum.“
Seine Zusammenarbeit mit den Schulen dehnt das LPO auch auf die eigene Konzertreihe im Potsdamer Nikolaisaal aus. Ende 2019 lud das Ensemble drei vielversprechende Schüler-Bands zu einem gemeinsamen Auftritt ein. „Die Einnahmen haben wir den Schulen überlassen; eine Band hat davon zum Beispiel das lang ersehnte Baritonsaxofon gekauft“, berichtet Köhler, der dieses Konzertformat fortführen will.
Gestaltung des Musikunterrichts
Schließlich klinkt sich das LPO auch in das Brandenburger Landesprogramm „Klasse Musik“ ein, in dessen Rahmen 200 Schulklassen zusätzlichen Musikunterricht erhalten und Instrumente gestellt bekommen. „Unsere Orchestermitglieder gestalten den Musikunterricht; wir proben mit den Schülern und geben am Ende gemeinsam ein Konzert“, erzählt Christian Köhler über die Veranstaltungen, an denen auch mal mehrere hundert Kinder zugleich teilnehmen. „Oft werden wir erst nach mehreren Zugaben und begeistertem Applaus als ‚gute Freunde‘ verabschiedet.“
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