Nordrhein-Westfalen ist ein Land mit aktiven Einwanderungskulturen. Vor allem in den Ballungsgebieten sind viele Kulturformen präsent. Aber sind deren Aktivitäten geläufig und in »jedermanns« Bewusstsein? Findet da nicht vieles allzu separiert statt?
Wie oft lebt zum Beispiel auch die Musik verschiedener Herkunftskulturen nur wenige Straßenzüge voneinander entfernt, ohne dass die Akteure einen Bezug zueinander finden? Das Kulturministerium und der Landesmusikrat NRW traten an, Brücken zu bauen, um der Vielfalt der musikalischen Breitenkulturen erhöhte Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Ein Jahrmarkt der musikalischen Möglichkeiten: Das interkulturelle Werkstattkonzert »StartUp der Kulturen«
So machte man sich in NRW Ende 2015 auf den Weg und sprach Musiktreibende in großer Breite an: Vereine, Initiativen, Personen, Veranstalter, Semiprofessionelle und Professionelle. Die Landesmusikakademie NRW war als Partner mit Fortbildungen und Workshops interkultureller Inhalte (für Chor-, Ensemble-, Band- und Orchesterleiter, Laienmusiker, Vorstände, Veranstalter) von Beginn an mit im Boot. Man versuchte zunächst in kleinen Treffen interessierte Protagonisten zu verbinden, deren Fachwissen zu bündeln, Fortbildungsbedarf zu ermitteln und erste kleine Projekte zu initiieren.
Im November 2016 gelang nun ein interkulturelles Werkstattkonzert »StartUp der Kulturen« an der Universität zu Köln. »Füreinander, miteinander, mutig, bunt, rhythmisch, klangvoll – Ein Jahrmarkt der Möglichkeiten.« Unter diesen Vorzeichen stand ein Tag mit iranischen, afrikanischen, türkischen und deutschen Musikern der Breitenkultur NRWs.
Er sollte einerseits Einblicke in die Klangwelten der Musik unterschiedlicher Musikkulturen geben, andererseits aber auch Perspektiven des gemeinsamen Musizierens aufzeigen. An diesem Nachmittag präsentierten die Musiker sowohl Werke aus ihren typischen Klangwelten, tauchten aber auch, gemeinsam musizierend, in die Klangwelten der jeweils anderen Kulturen ein. Die musikalisch verbindende Klammer dieses spannenden Projekttages war das Landesblasorchester NRW unter der Leitung von Renold Quade.
CLARINO-Chefredakteur Klaus Härtel sprach mit dem Dirigenten Renold Quade:
Welche Gedanken kamen Ihnen in den Sinn, als der Landesmusikrat NRW Sie über dieses Projekt informierte?
Nun ja, es schien mir in der ersten Wahrnehmung schon ein wenig peinlich, dass Musiker verschiedener Ethnien schon über Jahrzehnte Tür an Tür lebten, aber, warum auch immer, kaum Notiz voneinander genommen hatten. Und das machte mich schon nachdenklich. Sicher, die Flüchtlingsproblematik warf ein aktuelles Licht auf diese Frage, die aber doch eigentlich schon viel länger im Raum stand.
Jeder, natürlich mich mit einbezogen, saß wohl, irgendwie mit sich zufrieden, an seinem Ende der Welt. Unsere Welt allerdings dreht sich immer weiter und vielfältige gesellschaftliche Entwicklungen bringen so etliches an Veränderungen. Es ist Fakt, dass unser Umfeld kosmopolitischer geworden ist. In den Städten unübersehbar und auf dem Lande wohl zunehmend ebenfalls wahrnehmbar.
Gab es direkte Anknüpfpunkte in Ihrem unmittelbaren Umfeld?
Ich arbeite in Düren, einer Stadt, die weit über 100 Nationalitäten beheimatet. Mein Wohnort ist rund 25 Kilometer entfernt, ländlicher und daher definitiv weniger stark international durchdrungen. Wenn ich aber lediglich schon auf einem Elternabend zum Thema »Bläserklasse« in der 5. Klasse einer Realschule berate, dann sehe ich mich definitiv einer Mehrzahl nicht aus der Region stammender Dürener gegenüber.
Hier wuchs durchaus schon mein Bewusstsein dafür, dass sich Fragestellungen, die sich damit beschäftigten, was eigentlich alles zu »Deutschland« gehöre, sich in der Realität schon längst beantwortet hatten. Nachdenklich stimmte mich auch, dass sich zum Beispiel immer wieder eigentlich von der Sache recht begeisterte türkischstämmige junge Musiker nach zwei Jahren Bläserklasse schwer taten, weiterzumachen.
In dem Moment, wo die allgemeinbildende Schule als Bildungsautorität eine Weiterführung an eine kulturtreibende Institution wie zum Beispiel die Musikschule übergab, da hatten diese jungen Menschen aus ihrem Elternhaus wenig Unterstützung. Es gab »von zu Hause« aus keine Signale, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen und so brachen leider allzu oft allzu viele ihre weitere musikalische Ausbildung ab.