Dorian Wagner ist Dirigent des Sinfonischen Blasorchesters Ludwigshafen, einem Klangkörper, der aus der deutschen Blasorchester-Szene heraussticht. „Ich denke oft daran zurück, dass meine Zeit in Ludwigshafen mit einem Aufbruch begonnen hat. Mein erstes Konzert fand schon im besten Konzertsaal der Stadt statt und wir haben (in meiner Erinnerung) toll musiziert. Nur haben das nicht viele Zuhörer mitbekommen. Das wollten wir ändern.“
Die alljährlichen Mitgliederversammlungen hießen ab diesem Zeitpunkt auf Vorschlag des Dirigenten „Zukunftstag“ und dienten neben den notwendigen Rückblicken vor allem dazu, nach vorne zu schauen und gemeinsame Ziele zu erarbeiten. Dies mündete einerseits in einer kontinuierlichen musikalischen Arbeit, einer ernsthaften, konzentrierten und sehr fokussierten Probenarbeit, andererseits in einer funktionierenden Vorstandsarbeit mit klarer Aufgabenverteilung und einem professionellen, vorbildlichen Marketingkonzept.
In der Zusammenarbeit mit der Vereinsführung sieht Dorian Wagner sich in seiner Aufgabe als musikalischer Leiter immer in der Pflicht: „Ohne dass sich ein Dirigent in die Vereinsführung, strategische Ausrichtung und Konzertkonzeption zumindest einbringt, wenn nicht sogar führend vorangeht, geht es gar nicht. Er oder sie muss in leitender Funktion (mit)gestalten. Leiten und führen heißt ja nicht alles alleine machen. Aber entscheidende Impulse sollten da schon vom Dirigenten ausgehen.“
Posaune im Musikverein
Dorian Wagner hat im väterlichen Musikverein Posaune gelernt. Schon als kleines Kind hat er bei den Sommerauftritten des Musikvereins mit dem Strohhalm mitdirigiert. Als Schüler und Student hat er in ganz unterschiedlichen Besetzungen und Stilrichtungen gespielt, wie etwa in einem Posaunenquartett, dem Landesjugendorchester Baden-Württemberg, der Jungen Süddeutschen Philharmonie, in verschiedenen Bigbands, einer Gospel-Band, einem Salsa-Orchester, einer Klezmer-Band.
Nach dem Abitur verpflichtete er sich für zwei Jahre freiwillig beim Luftwaffenmusikkorps 2 Karlsruhe – sein erster Einblick in die professionelle Blasorchesterwelt. Studiert hat Dorian Wagner an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Mannheim im Studiengang Schulmusik mit Hauptfach Posaune und wissenschaftlichem Beifach Politikwissenschaft an der Universität Mannheim.
Im Studiengang Schulmusik wählte er das Leistungsfach Dirigieren und den berufsbezogenen Schwerpunkt Ensembleleitung/Arrangieren. Fast zeitgleich belegte er den Studiengang Dirigieren mit Schwerpunkt Blasorchesterleitung bei Markus Theinert.

Dorian Wagner
- geboren 1986 in Karlsruhe
- Studium Schulmusik mit Schwerpunkt Ensembleleitung sowie Studiengang Blasorchesterleitung bei Markus Theinert
- Seit 2012 Dirigent und musikalischer Leiter des Sinfonischen Blasorchesters Ludwigshafen
- Lehrer am Otto-Hahn-Gymnasium in Landau
Das Sinfonische Blasorchester Ludwigshafen leitet Dorian Wagner seit 2012. In den ersten beiden Jahren war er parallel dazu Dirigent des Musikvereins Binswangen. Zudem war er in den vergangenen fünf Jahren Assistent bei der Mannheimer Bläserphilharmonie. Anfang dieses Jahres beschloss er aber, sich nur noch auf das Sinfonische Blasorchester Ludwigshafen zu konzentrieren.
Ein reines Amateurorchester
Das SBO Ludwigshafen ist ein reines Amateurorchester. Die Musiker kommen aus Ludwigshafen und der gesamten Rhein-Neckar-Region hochmotiviert in die Proben. In jedem Register sitzen technisch und künstlerisch versierte Persönlichkeiten.
Mit Amateurmusikern zu arbeiten war eine ganz bewusste Entscheidung von Dorian Wagner: „Was hier an Potenzial steckt, was es heißt, ein Werk über Wochen und mit Ausdauer und Hingabe einzustudieren, wachsen und entstehen zu lassen – das gibt mir enorm viel! Und je mehr wir investieren, umso mehr bekommen wir zurück.“ Die Arbeit mit Amateurmusikern gibt ihm außerdem vor allem Zeit: „Hier habe ich Zeit zur Verfügung, die heute im Probenbetrieb eines professionellen Orchesters undenkbar wäre.“
Sein Selbstverständnis als Dirigent begründet Dorian Wagner auf drei Aspekte:
- Der Dirigent ist nicht aktiv an der Klangerzeugung beteiligt.
- Seine Position etwas außerhalb des Orchesters ermöglicht gerichtetes Hören.
- Das aufliegende Werk und seine immanenten Beziehungen sind in seiner Vorstellung – nach ausreichendem Studium der Partitur – bereits „eins“ geworden.
Das „Eins“-Werden bezieht sich auf die Phänomenologie der Musik, wie sie Sergiu Celibidache definiert hat. Dorian Wagner erklärt es so: „Die Phänomenologie beschäftigt sich damit, wie Klänge auf unser Bewusstsein wirken. Klang ist Schwingung, also Bewegung. Und diese Bewegung bewegt uns. Aber ein Ton allein ist noch keine Musik. Folgt auf eine erste Erscheinung eine zweite, so setzen wir diese in Beziehung zueinander.
Diese Beziehung ist nicht willkürlich oder interpretierbar, sondern ganz unmittelbar erfahrbar: in einem gerichteten Intervall, einem rhythmischen Verhältnis oder einer harmonischen Wendung. Ließ ich dann all diese vielen kleinen Beziehungen, die ich erfahren habe, für sich stehen, würden wir nur ein Nacheinander von Erscheinungen erhalten. Ich frage mich also vielmehr, wie aus der klanglichen Vielfalt, die ich wahrnehme, ›eins‹ werden kann.“
Der Dirigent muss loslegen und all die vielen Individuen mit ihrer eigenen Klanggebung, Luftführung, Intonation, Phrasierung und Dynamik zusammenbringen. „Nur: keinesfalls von oben herab! Die oben aufgeführten drei Punkte dürfen niemals zu Arroganz führen. Der Dirigent ist nichts ohne seine Musiker!“
Kompromisse beim Konzertprogramm
Konzertprogramme sind für Dorian Wagner immer Kompromisse, weil es so viele unterschiedliche Einflussfaktoren gibt, die sich zum Teil sogar gegenüberstehen und ausschließen, die ein Dirigent gar nicht alle bedienen kann: „Aber ich habe Verständnis dafür, dass diese Einflussfaktoren sich aus Bedürfnissen generieren. Und diese sind natürlich ganz vielfältig. Die Musiker im Orchester wollen ein Werk mit einer möglichst attraktiven eigenen Stimme.“
„Die Zuständigen für die Öffentlichkeitsarbeit wollen einen ‚Publikumsmagneten‘. Der Kassenwart will ein Werk mit wenigen Zusatzkosten für Aushilfen und Solisten, Instrumentenleihe oder Ähnliches. Die erfahrenen Musiker wollen eine neue Herausforderung. Die Schlagzeuger wollen ‚beschäftigt‘ werden. Die zweite Flöte ein Werk, wo sie auch ›eine Rolle‹ spielt. Und so weiter…“
Wenn Dorian Wagner ein Programm zusammenstellt, steht eine Quelle der Inspiration am Anfang. Diese Quelle kann für ihn ganz unterschiedlich sein: ein Werk, das er schon immer einmal aufführen wollte, ein Vorschlag eines Musikers, eine neue Entdeckung eines ihm unbekannten Komponisten, manchmal ein thematischer Bezug.
„Und dann ist es ein bisschen wie bei der Zusammenstellung eines Menüs“, so Dorian Wagner. „Wir brauchen eine Vorspeise, die uns auf das Kommende einstimmt und nicht zu schwer im Magen liegt, einen Hauptgang, der einerseits die Geschmacksnerven vielleicht auch mit Ungewohntem überrascht, aber gleichzeitig den Hunger stillt. Und eine süße, vielleicht exotische Nachspeise, die noch möglichst lange nachwirkt.“
Klingt nach einem einfachen Rezept. Jedoch muss alles passen. Auch unter Berücksichtigung, ob es sich nun um einen Sommerbrunch am Sonntagvormittag oder um ein französisches Menü am Samstagabend handelt. „Und es muss ‚eins‘ sein“ – wie Dorian Wagner auch bei der Programmzusammenstellung deutlich betont.
Perfekt? Eher rundum gelungen
Das perfekte Programm gibt es für ihn nicht. Gefragt nach einem seiner Meinung nach rundum gelungenen Programm, nennt er das Konzert im Pfalzbau von 2017. Die Programmfolge nahm sich die alte Tradition von Ouvertüre, Solokonzert und Sinfonie zum Vorbild. Etwas weiter interpretiert als Ouvertüre hat der Abend mit Reeds „Second Suite“ begonnen. Daran schloss sich das „2. Klarinettenkonzert“ von Oscar Navarro an und nach der Pause stand Barnes „3. Sinfonie“ auf dem Programm.
Komponisten, die immer wieder zu finden sind, sind Barnes, Reed, Rudin, Sparke und de Meij. Zu seiner Vorliebe sagt er: „Zugegeben große Namen, aber hier finde ich immer wieder Quellen von Ideen, Inspiration, Klangfarben… und – heute scheinbar irgendwie in den Hintergrund getreten – echte handwerkliche Kompositionskunst. Kontrapunkt zum Beispiel! Und eine in sich selbst schlüssige Form!“
Auch bei Dorian Wagner und seinem Sinfonischen Blasorchester Ludwigshafen ist derzeit alles auf „Null“ gesetzt. Er wünscht sich, wie so viele Kollegen auch, dass die Millionen von Amateurmusikern nach der Corona-Krise wieder ihrem Hobby nachgehen können. Er hofft, dass der Verzicht der vergangenen Monate der Blasmusikszene einen Motivationsschub gibt. „Die Vorfreude auf den Wiedereinstieg ist in jedem Fall immens“, so Dorian Wagner.
Beim SBO ist zurzeit nur klar, dass die Programme von 2020 weder gänzlich ausfallen sollen noch eins zu eins auf 2021 verschoben werden können. Dorian Wagner hatte sich schon sehr auf das Herbstprogramm mit Maslankas „4. Sinfonie“, einer Transkription von Rachmaninows zweitem Klavierkonzert und einer Neufassung von Andrea Csollanys „Aerophonie“ gefreut. Das wäre für das SBO Ludwigshafen ein echter Meilenstein geworden. Auf der Agenda stand für dieses Jahr auch der Deutsche Orchesterwettbewerb in Bonn, der vermutlich im Mai 2021 nachgeholt wird.
Aktuell sieht Dorian Wagner es als seine Aufgabe und Herausforderung, sein Orchester auch von zu Hause aus zu betreuen. Dazu hat er die SBO Summerschool ins Leben gerufen. Das Orchester erhält von ihm einmal pro Woche ein Video mit einer theoretischen Einführung aus dem Bereich der Bläsermethodik und anknüpfenden Praxisübungen, die jeder zu Hause im Wohnzimmer mitmachen kann.
Interview mit Dorian Wagner
Zum Selbstverständnis des Sinfonischen Blasorchesters Ludwigshafen gehört auch die Organisation des Orchesters durch Registerleiter und Stimmführer. Über dieses Thema hat Alexandra Link mit Dorian Wagner ein ausführliches Interview geführt.
Registerleiter, Registersprecher, Stimmführer – unterschiedliche Funktionen oder verschiedene Bezeichnungen für die gleichen Tätigkeiten?
Unterschiedliche Funktionen! Welche Bezeichnungen für diese Funktionen gewählt werden, ist letztlich nicht entscheidend. Entscheidend für die Arbeit einer Orchestergemeinschaft ist allerdings, dass hinter den Bezeichnungen ein klares Verständnis der Rollen und Tätigkeiten dieser Positionen besteht. Idealerweise wurde es sogar gemeinsam erarbeitet. Ich schlage vor, organisatorische und musikalische Funktionen zu trennen und dafür auch unterschiedliche Begriffe zu nutzen.
Organisatorische Belange fallen häufig innerhalb der Register eines Orchesters an. Unabhängig davon, ob ein Register chorisch besetzt ist wie das der Klarinetten oder meist solistisch wie das der Hörner, bietet es sich an, dass eine Person für die jeweilige Gruppe Verantwortung übernimmt, den Überblick behält und Organisatorisches „managt“. Dabei sind keine besonderen musikalischen Fähigkeiten oder Kompetenzen gefragt. Diese werden im Gegensatz dazu dann gebraucht, wenn es um die Führung der Register beim Musizieren geht. Bei besonders großen, chorisch besetzten Registern ist es sinnvoll, in kleinere Gruppen nach Stimmen zu unterteilen. Die Rolle der organisatorischen Leitung nenne ich daher Registersprecher, die der musikalischen Stimmführer.
Was sind in Ihrem Orchester die Aufgaben der Registersprecher?
Der Registersprecher übernimmt vorwiegend organisatorische Aufgaben: Er oder sie erhält die neuen Notenmappen vom Notenwart, empfängt neue Schnupperkandidaten in ihrer ersten Probe, plant Registerproben und hat einen Überblick über die Anwesenheit seiner Kollegen in Proben und Konzerten. Das ist für mich als Dirigent wichtig, weil ich oft in der Probe einen Ansprechpartner brauche, wenn ein Register dünn besetzt ist. Außerdem kann dies den positiven Nebeneffekt haben, dass die Proben besser besucht sind, weil man seine Registerkollegen ungern grundlos alleine lässt.
Der Registersprecher motiviert sein Register aber auch zur Mitarbeit in Orchesterbelangen wie zum Beispiel zur Mithilfe beim Schlagwerkaufbau oder zum Eintragen in diverse Helferlisten. Hier hat sich gezeigt, dass diese persönlichere Ansprache viel wirksamer ist als das Reden und Bitten vor dem ganzen Orchester.
Welche sozialen Aspekte sehen Sie darüber hinaus als Vorteile eines Registersprecher-Systems?
Der Registersprecher spricht für sein Register, das heißt, er kann Anliegen seiner Mitspieler vor dem Orchester oder dem Dirigenten vertreten, aber auch innerhalb seines Registers moderierende Funktion übernehmen, um den Zusammenhalt in seinem Register zu stärken. Prinzipiell kann jeder Mitspieler diese Aufgabe übernehmen, der sich unabhängig von seiner Stimme durch Zuverlässigkeit, Integrität und insgesamt hoher Beteiligung an Orchesteraktivitäten auszeichnet. Dementsprechend wird er oder sie auch als Vertrauensperson für ein oder zwei Jahre gewählt. Wenn ein Register sich als Team begreift, hat dies auch wieder positive Auswirkungen auf die musikalische Arbeit.
Welche musikalischen Voraussetzungen sollen dann Ihrer Meinung nach ideale Stimmführer erfüllen?
Der ideale Stimmführer ist natürlich technisch versiert, auf das Stück vorbereitet (er beherrscht die eigene Stimme und kennt die anderen), er hat eine hohe Auffassungsgabe für musikalische Zusammenhänge und ist in der Lage, parallel zum eigenen Spiel intensiven Kontakt zu Dirigent und Mitspielern zu halten. Wenn dazu ein natürliches Selbstbewusstsein auf gestalterisches Ausdrucksvermögen trifft, dann ist er oder sie für die Stimmführerposition bestens geeignet.
Es lohnt sich aber, die Aufmerksamkeit auch auf die Perspektive der Nicht-Stimmführer, also der Tutti-Spieler zu lenken, die idealerweise natürlich genau auf den Stimmführer hören können und flexibel Klangfarbe, Dynamik, Artikulation und Intonation ihres eigenen Spiels dem des Stimmführers anpassen können. Damit werden an sie ebenfalls sehr hohe Anforderungen gestellt. Hilfreich für sie ist es, wenn der Stimmführer in der Lage ist, mit Deutlichkeit voranzugehen. Dann verabschieden wir uns vom »einfach so mitspielen« und können im wörtlichen Sinne sinfonisch zusammenklingen.
Wie sinnvoll ist es, dass ein Stimmführer auch die Funktion der Registerproben-Leitung übernimmt?
Aus unseren eigenen Erfahrungen heraus ist es für uns, das SBO Ludwigshafen, aktuell nicht sinnvoll. Es hat sich gezeigt, dass auch sehr versierte, fortgeschrittene Bläser oder Schlagzeuger die Leitung einer Registerprobe als Überforderung wahrgenommen haben, weil sie, sobald sie selbst an der Klangerzeugung beteiligt waren, diese nicht von außen beurteilen konnten. Wenn sie aber nicht mitgespielt, sondern sich auf das Zuhören konzentriert haben, dann konnte das Register wiederum das Zusammenspiel nicht geschlossen üben.
Aus meiner Sicht sollte in den Registerproben ermöglicht werden, dass die Tutti-Spieler in Ruhe üben können, dem Stimmführer zu folgen, und umgekehrt der Stimmführer seine Rolle ausloten kann. Wir werden also in Zukunft auf die eigenständigen Registerproben weitestgehend verzichten und hoffen auf noch bessere finanzielle Rahmenbedingungen, um die Anzahl der Dozentenproben erhöhen zu können.
Welche Vorteile hat ein Stimmführer-System für ein großes sinfonisches Blasorchester?
Je größer eine Besetzung ist, desto wichtiger sind Gruppierungen, um nachher den Gesamtklang vereinheitlichen zu können. Speziell durch Stimmführer werden dabei Orientierungspunkte in der Masse geschaffen. Schwierigkeiten entstehen in großen Besetzungen natürlich nicht nur aufgrund der höheren Anzahl der Einzelspieler, die den Notentext letztlich individuell umsetzen, sondern auch aufgrund größerer Entfernungen zwischen den Spielern – und im Falle von komplex instrumentierten Werken der Dichte des Klangs.
Den Stimmführern ist in diesem »Chaos« vorbehalten, flexibel auf andere Stimmen zu reagieren, sie müssen dabei aber ihren Mitspielern eine Führung anbieten. Um einen intensiveren Kontakt zwischen den Stimmführern zu kultivieren, sollte ich vielleicht mal eine reine Stimmführer-Probe ansetzen…
Sind Registersprecher und Stimmführer bei kleineren Blasorchestern oder Musikvereinen notwendig oder überflüssig?
Eigentlich können die musikalischen und organisatorischen Funktionen für jedes Ensemble gewinnbringend sein, sie sollten aber an sinnvolle Gruppengrößen angepasst werden. In einem kleineren Ensemble gibt es dann vielleicht nur einen gemeinsamen „Registersprecher tiefes Blech“ für Posaune, Eufonium und Tuba.
Stimmführer kristallisieren sich in kleineren Besetzungen oft automatisch heraus und die Anpassung an diesen fällt in einer kleineren Stimmgruppe leichter. Gleichwohl ist die musikalische Kommunikation zwischen eher führenden Spielern für den Gesamtklang wichtig.
Wie sieht die optimale Zusammenarbeit zwischen dem Dirigenten und den Registersprechern bzw. Stimmführern aus?
Als Dirigent ist mir einerseits ein schneller und unkomplizierter Kontakt zu den Registersprechern wichtig. Die organisatorischen Wege müssen kurz sein: per Mail, WhatsApp oder natürlich in erster Linie direkt in der Probe. Andererseits sind auch für mich die Registersprecher besondere Ansprechpartner für soziale Belange im Orchester.
Das Spiel des Stimmführers ist für den Dirigenten Maßstab dessen, was an Phrasierung, Artikulation, Intonation, dynamischen Schattierungen etc. in der Stimmgruppe möglich ist. Außerdem übernehmen im SBO Ludwigshafen viele Stimmführer eigenständig die Stimmeinteilungen.
Inwieweit haben Registersprecher bzw. Stimmführer Einfluss auf die Konzertprogramme?
Nicht mehr oder weniger als jedes andere Orchestermitglied auch. Jeder kann jederzeit Programmvorschläge und Werkwünsche an mich herantragen. In nahezu alle Programme nehme ich Werke auf, die von einem Orchestermitglied vorgeschlagen wurden. Letztendlich ist die Programmgestaltung aber wesentliche Aufgabe des Dirigenten. Sie trägt seine Handschrift und ist Teil seiner künstlerischen Tätigkeit.
Wo liegen die Probleme und Herausforderungen bei der Umsetzung solcher Konzepte innerhalb eines Blasorchesters?
In einem Musikverein besteht leicht die Gefahr, dass Vorgaben zu Registersprechern und Stimmführern mit Skepsis aufgenommen werden, weil sie womöglich als reine Hierarchien wahrgenommen werden oder weil sich einzelne Spieler nicht genügend wertgeschätzt fühlen. Zum Beispiel in diesem Sinne: „Der darf immer die 1. Stimme spielen, und ich muss mich mit der 3. zufriedengeben.“
Natürlich ist es für ambitionierte Musiker sicherlich erfüllend, eine Stimme anzuführen, aber ein gutes Orchester kann nicht nur aus Stimmführern bestehen. Auch das Augenmerk der Dirigenten darf sich nicht zu sehr auf die Stimmführer richten. Alle Orchesterstimmen sind wichtig und alle Spieler sollen Musik erleben dürfen – und das am besten in jeder Probe! Dieser Herausforderung müssen wir Dirigenten uns im Amateurbereich besonders bewusst sein.
In unserer Serie Schrittmacher der Blasmusik stellt Alexandra Link junge Dirigenten vor, die sich hauptsächlich der sinfonischen Blasmusik verschrieben haben und durch eine professionelle Dirigentenausbildung konsequent diesen Weg gehen.