Die Zeit ist gerade spannend für den Schweizer Komponisten Gauthier Dupertuis (*1997). Er ist einer von drei Finalisten bei der European Composer Competition 2024 – dem Kompositionswettbewerb des Europäischen Brass Band Verbands. Gauthier Dupertuis ist mit seinem Werk „Magdalena Bay“ im Wettbewerb. Ein Werk, das seiner Aussage nach aus einer guten Balance zwischen der Ästhetik, die ihm gefällt und den Harmonien, die er erkunden möchte, besteht.
Einen Kompositionswettbewerb hat Gauthier Dupertuis schon gewonnen: »Postcards from tomorrow« (Grad 2,5) gewann den 1. Preis beim internationalen Kompositionswettbewerb La Bacchetta d’Oro in Italien.
Gauthier Dupertuis weiß, dass es schwierig ist für einen jungen Komponisten, sich auf dem dichten Markt der Blasorchesterliteratur stilistisch abzuheben oder überhaupt einen Platz auf den Programmen der Blasorchester zu bekommen: »Ohne einen Musikverlag oder ohne den Gewinn eines Wettbewerbs ist es schwierig, Menschen außerhalb des eigenen engen Umfelds dazu zu bringen, einen jungen Komponisten zu bemerken. Es reicht nicht aus, Talent zu haben oder hart zu arbeiten: Man braucht immer noch ein bisschen Glück und gute Beziehungen. Ich habe das Gefühl, dass dies derzeit für alles im Leben allgemein gilt. Deshalb bin ich allen sehr dankbar, die mir geholfen und an mich geglaubt haben und glauben.«
Geboren und aufgewachsen im Wallis
Gauthier Dupertuis ist im Wallis geboren und aufgewachsen. Er begann seine musikalische Laufbahn zunächst als Kornettist, später als Eufoniumspieler im heimischen Blasorchester. Während seiner Zeit bei der Schweizer Militärmusik ging er die ersten Schritte in Richtung Orchesterleitung. Anschließend studierte er Musikwissenschaft und Philosophie an der Universität Freiburg (Schweiz). Parallel zur Universität studierte Gauthier am Konservatorium Freiburg bei Jean-Claude Kolly, Stéphane Delley und Etienne Crausaz. Er schloss mit dem Zertifikat Blasmusikdirektion ab und wurde mit dem Konservatoriumspreis ausgezeichnet. Zurzeit studiert er im Masterstudiengang Blasorchesterleitung an der Hochschule für Musik in Lausanne.
Die ersten Komponierversuche startete er bereits im Alter von neun Jahren. Leider ist das Stück, das als sein erstes gilt – ein Duett für Blockflöte – verschollen. Mit 12 Jahren entdeckte er das Notensatzprogramm Harmony Assistant. Mit diesem erstellte er einige sehr kurze Blasorchesterkompositionen. Während seiner Jugend arrangierte er die Musik von Videospielen für seinen Heimatverein.
Amerikanisches Blasorchester-Repertoire
Ein entscheidender Moment in seiner jungen Kompositionskarriere war die Entdeckung des amerikanischen Blasorchester-Repertoires auf YouTube. Auf der Suche nach einer Aufnahme von »A Triumphant Fanfare« von Franco Cesarini, das er in seinem Blasorchester spielte, entdeckte er durch Zufall »Triumphant Fanfare« von Richard Saucedo. Dies war ein sehr bemerkenswerter Moment für ihn: »Da wusste ich, dass ich schreiben wollte. Also fing ich an, zwei oder drei Stücke zu schreiben, die unspielbar sind, aber schon gewisse Merkmale meiner aktuellen Stücke aufweisen.« Ein weiterer entscheidender Moment war die zufällige Begegnung mit »Asphalt Cocktail« von John Mackey. Er sei geschockt gewesen! Zunächst habe er das Stück gehasst, und nachdem er es mehrfach gehört hat, sei er ein totaler Fan davon geworden.
»Waterfall« (Grad 4) ist sein erstes »wirkliches« Werk für Blasorchester. Es entstand im Jahr 2020. Als sein erstes »wichtiges« großes Werk bezeichnet er »Stratoscape« (Grad 4-5). Dazu Gauthier: »Die Vielfalt der Farben, die in dem Werk vorhanden sind, und auch die Botschaft, die es ausstrahlt, müssen einige Fans gefunden haben …«. Er lacht. Sein erfolgreichstes Werk bisher ist eine kurze, energetische Fanfare: »Intrada Furiosa« (Grad 4-5).
In seinen Werken hat Gauthier Dupertuis mit verschiedenen Ansätzen versucht, einen filmischen und sehr »sprechenden« Stil mit einer rhythmisch und harmonisch fortgeschrittenen Sprache zu vermischen. Diese Mischung ist für ihn nicht immer ganz einfach zu erreichen. Er ist nach eigener Aussage immer noch auf dem Weg, seine eigene Sprache zu schaffen, ist aber überzeugt, dass einige seiner Werke in diesem Sinne interessante Elemente enthalten. Die Ideen zu seinen Kompositionen kommen ihm eher zufällig. Deshalb hat er meistens ein Notizbuch bei sich. Es kommt auch vor, dass er Melodien in sein Smartphone singt. Meistens hört er dabei schon die beabsichtigte Orchestrierung. Ideen kommen ihm oft beim Autofahren oder bei Spaziergängen in seinen geliebten Walliser Bergen. Wenn er die Grundidee zu einem Werk gefunden hat, versucht er sie weiterzuentwickeln und auf Papier oder am Klavier zu variieren.
Vor Beginn einer Komposition eine klare Vorstellung
Sehr bald schreibt er in Sibelius am Computer weiter: »Meiner Meinung nach ist es wichtig, vor Beginn einer Komposition eine klare Vorstellung von der allgemeinen Struktur des Werkes zu haben, auch wenn diese später geändert werden kann.« Für Gauthier ist es außerdem wichtig, Musik zu schreiben, die in erster Linie ihm gefällt, ohne an das Publikum zu denken. Dies kann manchmal schwierig sein, wenn er im Auftrag eines Blasorchesters ein Werk schreibt: »Es ist wichtig, sich mit der Musik, die man schreibt, im Einklang zu fühlen. Was mich betrifft, bin ich mir bewusst, dass meine Musik relativ zugänglich ist und dem Publikum gefällt, aber in gewisser Weise halte ich das für einen Zufall. Das Wichtigste ist, dass der Akt des Komponierens so persönlich wie möglich ist, auch wenn wir von anderen Komponisten, die wir schätzen, beeinflusst werden können.«
Gauthier Dupertuis hat das große Glück, erstens einen Musikverlag zu haben, der ihn unterstützt und zweitens – oder damit verbunden – die Möglichkeit, dass hervorragende Orchester seine Werke eingespielt haben. Sein Verlag ist FC Music Publishing, sein Mentor Franco Cesarini. Einspielungen seiner Werke gibt es von The Royal Netherlands Army Band »Johan Willem Friso« und der Civica Filarmonica di Lugano.
Als ehemaliger Walliser Kornettist, der zum Eufoniumspieler wurde, kommt Gauthier Dupertuis direkt aus der Welt der Blasorchester und Brass Bands. So interessierte er sich zunächst für das Komponieren für diese Ensembles: »Das Blasorchester ist ein farbenreiches und äußerst interessantes Musikmedium. Wir können nur bedauern, dass sich nicht mehr Komponisten aus der klassischen Welt dafür interessieren. Dies ist ein Ensemble, das opulent, spektakulär, beeindruckend klingen kann, aber auch Nuancen von unglaublicher Süße erreichen kann. Die Blasorchester bestehen oft aus Enthusiasten, Amateuren natürlich, die keine Angst vor technischen Schwierigkeiten haben. Und vor allem ist es ein Umfeld, das ästhetisch sehr unterschiedlichen Werken und jungen Komponisten eine Chance gibt.« Hier habe man die Möglichkeit, seine Musik regelmäßig gespielt zu hören, und nicht nur während der Premiere. In der klassischen Welt sei das nicht immer der Fall.
Dirigent
Gauthier Dupertuis dirigiert zudem seit 2018 die Brass Band L’Alpée de Vaulruz und seit 2022 das Blasorchester L’Avenir de Payerne. Als Dirigent weiß er, dass es manchmal schwierig ist, neben Klassikern von Sparke oder Reed auch weniger bekannte Werke zu programmieren. »Wir alle haben unsere Traumwerke, von denen wir wünschen, sie mit unserem Ensemble aufzuführen. Ich versuche mit meinen Orchestern auch Musik von weniger bekannten Komponisten zu spielen.
Andererseits erwarte ich als Komponist, dass sich Dirigentinnen und Dirigenten auch stärker für unbekannte Stücke des Repertoires interessieren. Ebenso würden einige Verlage möglicherweise davon profitieren, wenn sie bei der Veröffentlichung bestimmter Stücke, die als ›nicht verkaufsfähig genug‹ gelten, weniger vorsichtig wären«. Für die Unterstützung von jungen Komponistinnen und Komponisten und die Entwicklung von neuem Repertoire sieht Gauthier Dupertuis auch die Blasmusikverbände in der Pflicht. Vor allem durch die Vergabe von Kompositionsaufträgen oder die Durchführung von Kompositionswettbewerben.
Und derweil geht der Blick zur Final-Runde des Kompositionswettbewerb des EBBA, in Palanga (Litauen). Ob Gauthier Dupertuis’ künstlerische Anstrengungen belohnt werden, wurde erst nach Drucklegung bekannt.
Porträt-Serie
Die jungen Komponistinnen und Komponisten brauchen Chancen. Sie müssen sich ausprobieren können. Und deshalb braucht es Möglichkeiten, dass ihre Stücke auch aufgeführt werden. Die Zeitschrift BRAWOO und die Autorin dieses Artikels möchten die Erneuerung der Blasorchester-Literatur unterstützen und mit einer Porträt-Serie dazu beitragen, dass junge Komponistinnen und Komponisten sichtbar werden. Damit sie hörbar werden, braucht es interessierte, mutige Dirigentinnen und Dirigenten sowie neugierige, offene Blasorchester.
Bisher erschienen: Andreas Ziegelbäck