Er nennt sich selbst Eklektiker, denn für ihn gibt es keine Genregrenzen. Er pickt sich die Rosinen raus, die ihm am besten schmecken. Gene Pritsker ist Komponist und Musiker, er ist unter anderem Orchestrator und – teilweise – Komponist der Serie »Babylon Berlin. Im November wird der in Russland geborene und in den USA lebende Künstler beim »Outreach Music Festival Friedberg« zu Gast sein. Wir trafen uns im Friedberger Altstadtcafé.
Gene, was wird denn im Schloss Friedberg eigentlich passieren?
Als Peter Oswald mir die Geschichte der Friedberger Mozartin erzählte, kam mir die Idee. Anna Maria Peter war die erste Frau von Mozarts Großvater Johann Georg Mozart – sie starb 1718 und war deshalb nicht wirklich verwandt mit Wolfgang Amadeus Mozart. Sie ist eine Art »Stief-Großmutter« Mozarts. Und so habe ich auch das Concerto genannt.
Es ist ein Bigband-Konzert, das von Mozart beeinflusst ist. Man wird »Eine kleine Nachtmusik« erkennen, es wird einen Hip-Hop-Part geben, in dessen Mittelteil eine »Violinsonate« zu hören ist. Es ist eine Mixtur aus neuen Teilen und Mozarteinflüssen. Alles wird passieren. Wobei ich noch nicht genau weiß, was genau passieren wird. (lacht)
Als Orchester haben wir die Uni-Bigband Augsburg am Start. Ein weiteres Konzert wird »Berlin Inspired« heißen. Ich bin ja der Orchestrator der Serie »Babylon Berlin«. Tom Tykwer und Johnny Klimek haben die Musik geschrieben, die ich arrangiert habe. Ein Stück heißt »Berlin Suite«. Das ist von mir. Es wird ein Konzert im Berlin-Stil der 20er und 30er Jahre sein.
Du benutzt und vermischst – nicht nur in Friedberg – viele verschiedene Stile. Mozart, Bach, Bigband, Hip-Hop… Was aber ja nichts damit zu tun hat, dass dir nichts Eigenes einfällt, oder?
Ich benutze das Wort eklektisch. Die Idee ist, dass jede Musik letztendlich aus dem gleichen »Material« besteht. Dieses ganze Getue um E- und U-Musik ist doch Bullshit. Für mich, einen Komponisten des 21. Jahrhunderts, ist es doch ein riesiges Glück, dass ich sämtliche Musik dieser Welt hören kann. Ich kann Musik von vor über 100 Jahren genauso hören wie die Musik eines kleinen afrikanischen Landes.
Früher musste man hinreisen und ein Jahr lang bleiben, um etwas über die Musik dort zu erfahren. Heute kann ich das alles für mich nutzen, um damit dann wiederum etwas Einzigartiges zu sagen. Also mir fällt sehr wohl etwas ein: Ich finde meine eigene Stimme – beeinflusst von der Welt der Musik.
Das ist also der große Vorteil der Globalisierung und der modernen Medien?
Absolut. Für mich auf jeden Fall. Die Globalisierung hat die Musik auf eine andere Ebene gehoben. Man kommt zusammen und weiß sehr viel über sehr viele Dinge: Dies ist die Musik des 17. Jahrhunderts, jenes ist die Musik Indiens. Das ist ausgezeichnet!
Es gibt natürlich Leute, die nur auf einen kleinen Teil dieser Musik fokussiert sind. Wynton Marsalis etwa setzt voll auf den amerikanischen Jazz von den 20ern bis zu den 70ern. Er ist ein Spezialist auf diesem Gebiet. Aber er wird die Musik nicht weiterentwickeln.
Es gibt viele Spezialisten in romantischer Musik, in Klassik, im Barock. Das ist auch völlig in Ordnung. Wir brauchen Museen. Es ist großartig, die ganzen Monets und Van Goghs zu betrachten. Und ich gebe zu: Ich weiß nicht so viel über den Jazz wie Wynton Marsalis, ich weiß nicht so viel über Brahms wie Kurt Masur über ihn wusste – aber ich bin auch mehr an der Weiterentwicklung meiner Musik interessiert und nicht an der Tradition der Musik im Allgemeinen.