Die Architektur moderner Musikpavillons mutet zuweilen futuristisch an. Dabei war der traditionelle Musikpavillon einfach nur ein kreisförmiges, überdachtes Podest.
Wir kennen das Partyzelt, das Zirkuszelt, das Festzelt. Schon die alten Römer kampierten in Truppenzelten oder feierten in Lustzelten. Wenn die Plane eines solchen Zelts auf dem Boden ausgebreitet war, erinnerte sie an einen großen Schmetterling. Daher nannte man so ein Zelt “papilio” – daraus wurde “Pavillon”. Erst in der Gartenarchitektur der Barockzeit kamen in Europa die fest gebauten Pavillons in Mode. Sie dienten den Aristokraten als Ruhe- und Aussichtsplatz in Parks und bei der Jagd oder als Treffpunkt für amouröse Abenteuer.
Die Anregung zu solchen Landschaftspavillons stammte vermutlich aus Asien. In buddhistischen Tempelanlagen in Thailand ist der Sala, eine Art offener Pavillon, weit verbreitet. In China unterscheidet man verschiedene Pavillonformen, etwa den zweistöckigen Pavillon (“Ge”), der auch eine Bibliothek umfassen kann, den Gartenpavillon (“Ting”), häufig mit Kiosk, oder den Wasserpavillon (“Xie”), der sich hübsch in einer Seeoberfläche spiegeln darf. Heutzutage wird der Begriff “Pavillon” weltweit recht beliebig gebraucht – manchmal auch für Glaswürfelgebäude oder überdachte Amphitheater. Ausstellungshäuser auf Messen heißen ebenfalls Pavillons.
Öffentliche Freiluftkonzerte im Musikpavillon
Dem schönen Brauch der öffentlichen Freiluftkonzerte verdanken wir die Musikpavillons, die man vor allem in Kurparks findet. Der traditionelle Musikpavillon des 19. Jahrhunderts ist praktisch nichts anderes als ein Podest mit Dachkuppel. Sein Boden ist gegenüber der Umgebung erhöht, die Form symmetrisch (rund oder vieleckig), die Seiten sind nach allen Richtungen offen. Erst in neuerer Zeit wurde damit begonnen, Musikpavillons nach akustischen Kriterien zu planen. Moderne Musikpavillons sind überdachte Freiluftbühnen – auf der Rückseite geschlossen und nur zur Vorderseite hin geöffnet. Damit rückt der Musikpavillon aus der Mitte der Parks und öffentlichen Plätze an deren Rand. Seine typische Form ist die offene Muschel.
Die Rückwand und die Seitenwände der offenen Muschelform sollen dafür sorgen, dass der Schall gut an die Zuhörer abgestrahlt wird, aber auch die Musiker einander hören können. Der Akustiker Donald E. Hall schreibt: “Die Bühnenrückwand darf kein einzelnes starkes Echo auf die Bühne zurückwerfen.” Vielmehr soll sie “vielfache Reflexionen« liefern – ausreichend stark, »dass die Ausführenden ein Gefühl dafür erhalten können, was die Hörer wahrnehmen”.
Die Seitenwände der Bühne sollen nicht parallel sein, weil sie sonst “ein ziemlich störendes Phänomen verursachen können, nämlich das sogenannte Flatterecho, bei dem jeder scharfe perkussive Laut mehrfach hin und her reflektiert wird”. Die konkave Form der Muschel bietet andererseits die Gefahr der Fokussierung des Schalls auf bestimmte Frequenzen. Heute baut man die Musikmuscheln in gebrochenen, unregelmäßigen Formen, oft zusammengesetzt aus mehreren Flächen und ausgestattet mit vorgesetzten, vorspringenden Strukturen.
Drei Beispiele:
In der Gemeinde Kirchdorf (Tirol) errichtete man 2017 einen sehr modernen Musikpavillon direkt im Dorfzentrum – die Architekten beschreiben ihn als “skulpturalen Holzsolitär”. Es ist eine Konstruktion aus Sperrholzplatten, die eine unregelmäßige Faltenstruktur bilden – sie lenkt gezielt die Schallreflexion. Die großen Flächen sind zum Publikum gerichtet, die kleinen Flächen zeigen nach innen.
Der Kurpark von Bad Ischl (Oberösterreich) bekam 2014 seinen sehenswerten Musikpavillon, eine “Konstruktion in Weißtanne”. Der Grundriss ist eine Ellipse, die Seitenwände haben sanfte Ausbuchtungen. Der akustische Clou ist die nach hinten geneigte Dachform.
In Saarbrücken wurde im Winter 2018/19 der alte Musikpavillon (ca. 1960) im Deutsch-Französischen Garten “akustisch verbessert”. Im Deckenbereich des Pavillons, der die Form einer Viertelkugel hat, hat man zwölf Reflektorplatten angebracht. Die Position der Reflektoren kann nach Bedarf verändert werden. Neu sind auch die asymmetrischen Sperrholz-Elemente im Innenrund, die die Schallwellen in verschiedene Richtungen brechen.
Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune