Brass | Von Renold Quade

Der Tubist Maximilian Wagner-Shibata

Maximilian
Foto: Simon Sailer

Was sagt wohl ein Tubist, wenn man ihn anno 2024, im Jahr der Tuba, zu seinem Instrument befragt? “Die Tuba ist das beste Instrument. Sie ist vielmehr als nur das wichtige Fundament eines jeden Ensembles. Ihr Klang ist warm und weich, er kann aber auch fanfarenhaft und schmetternd sein. Ein absolut vielseitiges Instrument, auch als Soloinstrument. Das Jahr der Tuba passt hervorragend, um für dieses schöne Instrument zu werben.” Das Statement von Maximilian Wagner-Shibata, Tubist der Staats­kapelle Weimar, kommt nicht vollkommen unerwartet. Wenn man zudem noch seinen Tonfall hört und in sein waches, begeistertes Gesicht blickt, dann weiß man: Da kommt jetzt noch mehr.

Eltern sind auch Musiker

Maximilian Wagner-Shibata wurde 1992 in Freiburg im Breisgau geboren. “Meine Eltern sind beide selber Musiker. Meine Mutter ist Pianistin, mein Vater spielt Bassposaune. Und auch mein Bruder, heute Posaunist beim Bundespolizeiorchester in Hannover, ist immer in Sachen Musik unterwegs gewesen. Meine musikalische Intuition habe ich sicher aus unserer Familie mitbekommen. Ja, bei Vorbereitungen auf besondere Ereignisse, wie etwa ›Jugend musiziert‹, hat das sehr geholfen, persönliche Coaches in der Familie zu haben.”

Nun ist ihm die Bass-Tuba nicht von vorne herein in die Wiege gelegt worden. In seiner Heimatstadt Endingen begann er als Trompeter des Vororchesters in der Stadtmusik. “Ohne Frage, gerade meine Zeit in der Stadtmusik Endingen hat mich sehr geprägt. Die Gemeinschaft im Orchester hat mich begeistert. Gemeinsam zu musizieren mit vielen war sehr wichtig für mich – mehr als nur eine Ergänzung zum häuslichen Musizieren. Dabei war es nicht nur das gemeinsame Spielen, sondern es war auch das Miteinander bei den Abläufen. Sei es der Auf- und Abbau bei Aufritten, sei es bei Prozessionen, beim Konzert oder zur Fasnet. Hier konnte ich meine Liebe zur Blasmusik und die Lust, öffentlich zu musizieren, entdecken. Als ich 16 Jahre alt war, habe ich, welch glückliche Fügung, die Tuba für mich entdecken können. Ganz ehrlich, auf der Trompete hatte ich keine rechte Ausdauer und sie sollte einfach nicht ›mein Instrument‹ sein. Warum dann ausgerechnet die Tuba? Ganz einfach! Mein Vater hatte zu dieser Zeit eine Tuba zu Hause. Ich hatte sie einfach nur einmal kurz angespielt und es war Liebe auf den ersten Ton.”

An die Tuba, fertig, los

Mit der Tuba ging es für ihn musikalisch dann recht schnell und auch recht steil bergauf. Ab 2009 erhielt er Unterricht bei Werner Götze, dem Solotubisten des damaligen SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden/Freiburg und im selben Jahr sammelte er bereits erste Orchestererfahrungen im Landesjugendorchester Baden-Württemberg. Bei »Jugend musiziert« wurde sein emsiges Engagement mit einem ersten Preis auf Bundesebene belohnt und 2010 erhielt er den Sonderpreis des Deutschen Tubaforums.

So war es alsbald nur eine logische Folge, dass er sich entschloss, die Tuba zu seinem beruf­lichen Mittelpunkt zu machen. In Karlsruhe, an der Hochschule für Musik, nahm er sein Studium bei Professor Dirk Hirthe auf, das er im Jahr 2018 mit Auszeichnung abschloss. »Dirk Hirthe hat mich sorgsam auf meine Karriere als Tubist vorbereitet. Er brachte mir nicht nur bei, diszipliniert und gewissenhaft zu üben, er eröffnete mir auch den Umgang mit und in einer professionellen Umgebung. Das bedeutet neben Probendisziplin eben auch Dresscode und vieles mehr. Dinge, die keine banale Selbstverständlichkeit sind. Ebenfalls haben wir Blechbläserstudenten in Karlsruhe uns unter seiner Leitung sehr intensiv mit verschiedenen Formen von Blechbläserkammermusik beschäftigt. Mit dem Ensemble ›BrassSurround‹ konnten wir häufig in der Zehnerbesetzung spielen. Das hat mir wahnsinnig viel gebracht. Angefangen von Intonation, über die Fähigkeit ein gemeinsames Metrum zu finden, bis hin zum blinden Verständnis rhythmische Information kommunizieren zu können.« 

Der Weg zur Staatskapelle Weimar

In dieser Zeit wurde Maximilian Wagner-Shibata Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Stipendiat des Deutschen Musikwettbewerbs, Mitglied in der Jungen Deutschen Philharmonie und im Schleswig-Holstein Musikfestival Orchester. So wurde es schließlich auch Zeit, an Probespiele und professionelle Orchesterstellen zu denken. Im Jahr 2017 tat sich eine Gelegenheit auf, denn in der Staatskapelle Weimar war eine Tubistenstelle zu besetzen. Um ein Haar hätte der junge Tubist erst gar keine Einladung erhalten, aber, seinen Weg klar verfolgend, konnte er sich der Herausforderung stellen und überzeugen. 

Maximilian
Foto: Matthias Eckert

Aber, wie es sich für einen Musiker eigentlich jeden Alters gehört, war mit Erreichen der Orchesterstelle lediglich ein erster, sicherlich sehr wichtiger Gipfel in der Berufslaufbahn erreicht. Die Tuba und ihre Möglichkeiten lockten ihn zu weiteren Aktivitäten und zu weiterem Erleben. »2018 bis 2020 konnte ich bei den internationalen Tuba Wettbewerben in Akiyoshidai (Japan), Jeju (Südkorea) und in Genf (Schweiz) Preise erzielen. Meine Weiterbildung in der Soloklasse der Hochschule für Musik in Hannover bei Professor Jens Björn-Larsen war noch das Sahnehäubchen in meiner Ausbildung. Hier verfolgte ich ein intensives Studium der Sololiteratur. Im Jahr 2020 durfte ich als Solist mit der Staats­kapelle Weimar mit dem Tuba-Konzert von John Williams debütieren. Und gerade danach, in den Coronazeiten, da hatte ich, durch die Umstände bedingt, großen Freiraum, mich besonders auf mein Solospiel zu konzentrieren.« Längst ist er in der Szene ein gefragter Kollege bei Projekten von namhaften Kulturorchestern Deutschlands, wie dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg oder dem hr-Sinfonieorchester.

Lehrauftrag an der HfM Weimar

Lebenslanges Lernen ist der treue Begleiter eines jeden kreativen Menschen. Das ist sicher keine neue Erkenntnis. Aber es lohnt, sie sich immer wieder bewusst zu machen. So erlebt auch Maximilian seine lehrende Tätigkeit längst nicht nur als rein »Sendender von Botschaften«. Er spürt darüber hinaus sehr stark die »Kraft der Reflexion«, die Resonanzen, die seine Schüler ihm zurückspiegeln. »Eine weitere, ganz andere Station meiner Ausbildung war und ist die Berufung zum Lehrbeauftragten für Tuba. In den Jahren 2022 und 2023 war ich Vertretungskraft an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig. Seit 2023 lehre ich in gleicher Mission und eigener Verantwortung an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Ich musste meine gesammelten Erfahrungen reflektieren und auf eine Quintessenz eindampfen, um diese an meine Studenten weitergeben zu können. So konnte und kann ich ihnen helfen – hoffe ich. Persönlich habe ich bei mir einen Mehrwert wahrgenommen. Ich habe, gerade zu Anfang, wahrscheinlich noch am meisten über mich gelernt. Ich durfte meine Gedanken zum Tubaspiel, ausgelöst durch meine neue Rolle, ganz neu für mich selber sortieren. So habe ich alles noch einmal frisch und zielorientiert aufbereitet, um es dann weiter geben zu können.« 

Musikerleben neben der Bühne

Maximilian ist verheiratet und gemeinsam mit seiner Frau seit April letzten Jahres, ein stolzes Elternpaar mit Sohn Noah. Aber nicht nur privat pflegen sie eine intensive Beziehung, sie stehen sich auch beruflich sehr nahe. »Meine Frau Haruka ist studierte Trompeterin. Wir kennen uns seit den Zeiten an der Karlsruher Hochschule. Sie kann mir auch in allen Lebenslagen eines Blechbläsers beratend zur Seite stehen. Sie ist sehr ehrlich und kann mich sehr gut sowohl kritisieren, als auch motivieren.«

Und wer glaubt, dass ein erfolgreiches Musikerleben nur auf der Bühne und im Übe-Raum stattfindet, der ist nicht umfassend genug im Bilde. »In meiner Freizeit gehe ich mit meinem Freund und Kollegen Michael ins Fitnessstudio. Hier machen wir Krafttraining, nicht nur für die generelle Gesundheit, sondern auch, um den Körper auf das stundenlange Üben und die Dienste im Orchester vorzubereiten. So eine Tuba wiegt um die zehn Kilogramm und die Dauerbelastung ist einfach nicht zu unterschätzen. Da hilft ein starker Rücken gegen Fehlhaltungen und Schmerzen.«

Geprägt von Einflüssen europäischer und asiatischer Kultur

Seine Mutter und auch seine Frau sind beide Japanerinnen. Somit ist sein Leben geprägt von Einflüssen europäischer und asiatischer Kultur. Und die machen sich, was etwa die japanische Seite betrifft, sicher auch in der Küche bemerkbar. »Wenn ich Zeit habe, koche ich sehr gerne. Am liebsten Suppen. Da bin ich besonders stolz auf mein Ramen-Rezept, ein Rezept für eine japanische Nudelsuppe.«

Zerstreuung und Entspannung kann in Leben viele Gesichter haben. Der Techniker sucht sie vielleicht in der Musik, der Musiker ggf. auch einmal in der Technik. »Ich lese gerne nebenher die Zeitschrift ›Spektrum der Wissenschaft‹. Besonders interessiere ich mich für mathematische Probleme und Kuriositäten und für die Artikel aus der Physik. Ich verstehe selbst zwar kaum etwas davon, aber es fasziniert mich, einen Einblick zu bekommen, wie klug manch einer ist und was Menschen in der Lage sind, entdecken zu können. In letzter Zeit fand ich besonders die scherzhaft sogenannte ›Wurstkatastrophe‹ interessant.« (Anmerkung: Bei der »Wurstkatastrophe« handelt es sich nicht um einen neuen Gammelfleisch-Skandal. Es geht um Verpackungsoptimierung und Überlegungen, wie man zum Beispiel gleich große Kugeln verpacken kann. Liegen die Mittelpunkte der Kugeln aller auf einer Geraden, so sieht die Verpackung aus wie eine »Wurst«, liegen die Mittelpunkte aller Kugeln in einer Ebene, so wird die Verpackung als »Pizza« bezeichnet. Liegen sie beliebig im Raum verteilt, so spricht man von einem Cluster.)

Zwischen Routine und Neugier

»Meine Arbeit bereitet mir nach wie vor Freude und ist auch der Grund, warum ich Tubist geworden bin. Wir Musiker müssen uns immer fit halten, wie Sportler. Und natürlich, generell weiß ich, wo meine Schwächen und meine Stärken liegen. Eingedenk dessen baue ich halt gezielt meine täglichen Basic-Übungen auf. Beim Üben hilft es mir immer, wenn ich einem roten Faden folge. Für mich bleibt es immer spannend, wenn ich die musikalische Aussage, die mich gerade bewegt, immer im Auge behalte. So versuche ich beim Formen meiner musikalischen Ideen wie ein Regisseur vorzugehen. Ich versuche einen Film in meinem Kopf zu kreieren.

Maximilian
Foto: Matthias Eckert

Passende Leitfragen sind für mich dann: Welche Art von Film könnte diese Musik untermalen? Was fühlt der Protagonist? Wie sind die Bilder im Film? Hell, dunkel, satt oder eher pastell? Wenn ich mir im Klaren bin, wie ich ein Werk oder eine Stelle spielen möchte, dann sind als nächstes die technisch anspruchsvollen Stellen dran. Hier liegt dann die Herausforderung meiner Arbeit, meine Fähigkeiten an meine musikalische Idee heranzuführen, und nicht die Musik an meine derzeit technischen Grenzen anzupassen. Dazu gehört es auch, sich vielen neuen Techniken zu stellen, wie zum Beispiel beim Spielen auch zu singen, Beatboxing, experimentieren mit Halbventiltechniken, Glissandi mit den Ventilzügen wagen und noch vieles mehr. Und wir Musiker denken ja auch ständig darüber nach, wie wir unsere ›Spielgeräte‹ optimieren können. Da fühle ich mich im Gedankenaustausch mit Mira­phone in guten Händen. Das alles erfordert ein hohes Maß an Disziplin, Planung und Zeit. Die Früchte dieser Mühen allerdings sind erfüllend, wenn man so spielen kann, wie man sich das vorstellt.« 

Solist + Orchestermusiker + Pädagoge = Musiker 

»Für die Zukunft wünsche ich mir, noch mehr solistische Auftritte spielen zu können, und auch noch mehr kammermusikalisch zu musizieren. Meine Liste mit Werken die ich spielen möchte ist noch sehr lang. Persönliche Highlights sind in nächster Zeit etwa am 11. und 12. Mai die Begegnung mit dem SBO der Musikschule Düren und dem Landesblasorchester NRW in Düren. Es folgt ein Rezital am 15. Juli in Weimar und im Oktober dieses Jahres ein Meisterkurs an der Musikakademie in Sondershausen. Aber gerade auch der Spielplan der Staatskapelle Weimar hat viel Spannendes für mich zu bieten. Da spielen wir Mahlers ›2. Sinfonie‹ oder auch die ›Sinfonie Fantastique‹ von Berlioz. Es gibt immer etwas zu tun und ich bin darüber sehr glücklich.«

»Ich weiß auch, dass ich durch viele glückliche Umstände und die Hilfe von vielen, vielen mich stützenden Menschen die Chance bekommen habe, Berufsmusiker mit einer Festanstellung in einem fantastischen Orchester zu sein. Und ich bin sehr dankbar, meinen Lebensunterhalt mit meiner Leidenschaft verdienen zu können. Ich wünsche allen Musikern nur das Beste und viel Freude mit der Musik.«