Brass | Von Hans-Jürgen Schaal

Der Zink. Das Stichwort

Zink
Doppelporträt mit einem Zinkenisten, Öl auf Leinwand von Bartolomeo Passarotti (ca. 1570 bis 1580)

Bevor das Clarinblasen aufkam (im 17. Jahrhundert), wurde die (noch ventillose) Trompete praktisch nur für fanfarenartige Motive gebraucht. Als hohe Ergänzung zur Posaune war sie nicht geeignet – diese Rolle übernahm lange Zeit der Zink. 

Wo Posaunen geblasen werden, braucht man auch Zinkenisten – so hieß es noch im 19. Jahrhundert. Seine Blütezeit erlebte der Zink (cornetto, cornet) zwischen 1500 und 1700. Das Instrument, dessen Vorläufer Tierhörner waren, bestand aus Holz oder Elfenbein und besaß Grifflöcher ähnlich wie die Blockflöte. Sein Kesselmundstück war ebenfalls aus Holz oder Elfenbein gefertigt oder aber aus Horn oder Messing. Eingesetzt wurde der Zink zum Beispiel in kleinen Bläsergruppen (mit Posaune, Pommer, Dulzian usw.), zur Unterstützung (Verdoppelung) von Chorstimmen, im Zusammenspiel mit der Orgel oder als virtuoses Solisten-Instrument mit Streichern, Zupfinstrumenten und Flöten. Der Klang des Zinken ist sanfter, näselnder als der der Trompete. Für die hohen Töne ist viel Blasdruck nötig. Häufig hält man ihn leicht seitlich versetzt an die Lippen.

Verschiedene Größen und Bauarten

Zinken gab es in verschiedenen Größen und Bauarten. In Italien und Frankreich bevorzugte man den “krummen” Zinken (“curvo”) in Sopranlage. Man fertigte ihn aus Hartholz und setzte in der Regel aus zwei Teilen zusammen, die man mit schwarzem Pergament oder Leder verklebte (“schwarzer Zink”). Zwischen 1600 und 1650 war dieser “cornetto curvo” in Italien vor allem als Virtuosen-Instrument beliebt. Nördlich der Alpen schätzte man dagegen den Diskant- oder Quartzink (“cornettino”), dessen schrillerer Ton ein wenig der Geige ähnelt. Es gab die “krummen” Zinken auch in Tenorlage (“cornetto torto”) mit sanfter S-Form – Praetorius beschrieb ihren Klang jedoch als “unlieblich”.

Sogar einen Basszinken gab es, ebenfalls S-förmig, der mit dem Serpent verwandt ist. Außer den “krummen” Zinken baute man – vor allem in Deutschland – auch “gerade” Zinken (“diritto”). Sie wurden meistens aus Ahorn gedrechselt und besaßen eine engere Bohrung. In Italien kannte man das »gerade« Instrument ebenfalls, allerdings in der Bauart des “stillen” Zinken (“muto”) mit nicht abnehmbarem Mundstück. Er klingt aufgrund seiner zylindrischen Bohrung sehr leise und sanft und wurde häufig bei traurigen Anlässen gespielt.

Zinken waren in der Renaissance- und Barockzeit höchst populär und weit verbreitet. Die mitteleuropäischen Hoforchester besaßen Arsenale mit mehreren Dutzend solcher Instrumente in unterschiedlicher Bauart und Größe. Von der Hofkapelle in Stuttgart heißt es, dass es dort 1589 mehr als 100 Zinken gab. Virtuose Zinkenisten konnten damals internationalen Ruhm erwerben – etwa Giovanni Bassano und Girolamo Dalla Casa in Venedig, August Schubinger in Toledo, Antonio Scandello in Dresden, Zacharias Hertel in Halle oder Bartolomeo Bismantova in Ferrara. Zu den bekanntesten Komponisten, die Werke für Zinken schrieben, gehören die Italiener Giovanni Gabrieli, Claudio Monteverdi und Alessandro Scarlatti sowie die Deutschen Dieterich Buxtehude, Samuel Scheidt und Heinrich Schütz. 

Der Zink bekam Konkurrenz

Im Lauf des 17. Jahrhunderts bekam der Zink als Solo-Instrument zunehmend Konkurrenz durch die Violine, Flöte, Oboe und schließlich die Clarintrompete. An manchen Fürstenhöfen wurden Zinken aber noch bis ca. 1800 gespielt. Auch die Stadtpfeifer und Turmbläser hielten dem Instrument lange Zeit die Treue. 1826 soll der Stadtzinkenist von Speyer beim Spielen eines besonders kunstvollen Trillers vom Turm herunter zu Tode gestürzt sein. Noch 1890 baute man in Brüssel für eine Opernaufführung ein “modernes” Instrument mit Klappenmechanik. Heute ist der Zink weitgehend vergessen. Auch sein akustisches Prinzip, die Kombination von Kesselmundstück und Grifflöchern, ist uns nicht mehr vertraut. Seit den 1920er Jahren werden Zinken aber zunehmend wissenschaftlich erforscht, restauriert und nachgeschaffen und in historischer Musikpraxis eingesetzt.

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger