Schwerpunktthema, Wood | Von Cornelia Härtl

Deutscher Musikinstrumentenpreis 2018: Die Oboe 155 AM von Gebrüder Mönnig

Anlässlich der Frankfurter Musikmesse vom 11. bis 14. April wird auch der Deutsche Musikinstrumentenpreis zum 28. Mal vergeben. Für 2018 war er in den Produktgruppen Bratsche und Oboe ausgeschrieben. Die Gebrüder Mönnig Holzblasinstrumente GmbH erhielt den Award für ihre Oboe 155 AM. Wir sprachen mit Geschäftsführer Veit Schindler über das Siegermodell.

Herr Schindler, die Jury des deutschen Musikinstrumentenpreises beurteilt die Instrumente ja anhand von drei Verfahren (akustische Eigenschaften, Instrumententest von fünf verschiedenen Solisten, handwerkliche Qualität). Welches Feedback haben Sie für Ihre Oboe im Rahmen dieser Beurteilung erhalten?

Insbesondere wurden die Ausgeglichenheit des Klangspektrums, die auffallend schöne Klangfarbe in der tiefen Lage und die insgesamt sehr guten dynamischen Eigenschaften bei konstanter Intonation hervorgehoben. Angeführt wurde auch die solide und feinhandwerkliche Umsetzung des Instruments.

Handelt es sich bei der Oboe um ein neues oder um ein bereits auf dem Markt etabliertes Modell?

Das Modell 155 AM als solches gibt es schon etwa vier Jahre am Markt und war als Alternative zum Modell 150 AM gedacht, das im Jahr 2009 die Zeit der neuen Generation an Mönnig-Oboen einläutete.

Das Wettbewerbsmodell war erstmalig mit einer kompletten Silikon-Polsterung und einem speziellen Resonanz-Daumenhalter versehen. Zudem wurde die Innenbohrung für das Modell 155 AM vor etwa einem Jahr nochmals optimiert.

Wofür steht das »AM« im Modellnamen?

Das »AM« steht natürlich für den Namen unseres Freundes und Mitstreiters Albrecht Mayer, mit dessen Erfahrungsreichtum und sehr direktem (teilweise auch handwerklichem!) Einfluss ein Instrument entstand, das mittlerweile viele Freunde gefunden hat.

Wie sah die Zusammenarbeit mit Albrecht Mayer aus?

In erster Linie war diese Zusammenarbeit von hoher Konzentration geprägt, wussten doch alle Beteiligten, welches Ziel man konkret verfolgte und erreichen wollte. Dass wir dabei immer sehr viel Spaß hatten, muss ebenfalls erwähnt sein, auch wenn uns in manchen Phasen das Lachen verging, weil wir den mittlerweile hundertsten Becher oder die fünfzigste neue Innenbohrung herstellen mussten, um die ideale Kombination zu finden. Aber das ist bei diesen Prozessen normal.

Der Großteil der Entwicklungsarbeiten fand zudem in Berlin bei Ludwig Frank statt, der für die Entwicklung der meisten unserer Instrumente verantwortlich ist. Die Werkstatt ist für Albrecht mit dem Fahrrad erreichbar, was vieles erleichterte.

Und welche Anregungen hat er denn konkret gemacht?

Albrecht Mayers Anregungen waren sehr vielschichtig und betrafen vor allem die genaue Ansprache über das gesamte Register, die Klangfarbe und die Dynamikfähigkeit des Instruments.

Natürlich sind die Aussagen eines Musikers eher unkonkret. Da heißt es dann so etwas wie »Der Ton ist etwas flach« oder »Es könnte etwas mehr Kern im Ton sein« oder Ähnliches. Und der Instrumentenbauer muss dann aus diesen Angaben schlussfolgern, welches Werkzeug wo und wie angesetzt werden muss, um die gewünschte Veränderung zu erreichen. Das ist mitunter ein sehr langer Prozess, bei dem das Instrument hunderte Male hin und her gereicht wird, bis am Ende alles passt.

Wünsche zu besonderen Mechanik-Ausführungen sind da schon konkreter und können sehr gezielt umgesetzt werden. Da sind einfach nur gute Einfälle gefragt – wie beispielsweise Albrechts Idee, den linken Es-Heber mit dem Gis-Griff zu verbinden oder Rollen in die C/Cis/Es-Griffkombination einzubauen. Genial! Die Form des Köpfchens und des Becherrandes entstammen übrigens auch Albrechts Ideen. Er hat die ersten gedrechselten Entwürfe sogar selbst an der Drehbank hergestellt.

Worin unterscheiden sich das Orchester- und das Solisten-Modell?

Das Modell 155 AM zeichnet sich durch besonders gezielt herausgearbeitete Eigenschaften in Dynamikfähigkeit und Ansprache aus, die auch durch die Verwendung der 24K-vergoldeten Elemente verbessert wird. Diese wichtigen Verbindungselemente – die beim Basismodell 155 AM-B »nur« versilbert sind – stehen in direktem Kontakt mit dem Korpus und sind dadurch sehr einflussgebend auf wichtige Spieleigenschaften.

Die beim Modell 155 AM mögliche Sonderausstattung mit Silikonpolstern schafft zudem reizvolle Effekte für den solistischen Einsatz. Sie werden verstehen, dass ich auf weitere Details nicht eingehen kann. Wir haben da auch so unsere kleinen Geheimnisse…

Und worin unterscheidet sich das Modell 155 vom Modell 150?

Weltweit bestehen unterschiedliche Klangvorstellungen bei den Musikern. Das wird auch beim Vergleich von CD-Einspielungen gleicher Werke durch Musiker unterschiedlicher Nationalitäten erkennbar. Diese verschiedenen Klangideale basieren auf einem gewissen Prägungsmechanismus, der sich traditionell und über Jahre hinweg in den jeweiligen Teilen der Welt herausgebildet hat.

Das Modell 150 besitzt auffallend fokussierende Klangeigenschaften mit einem vergleichsweise hohen Obertonanteil. In Europa und Asien bevorzugt man jedoch eher ein etwas dunkleres Timbre mit französischem Charme. Aus diesem Grunde haben wir mit dem Modell 155 AM eine konkrete Alterative entwickelt, die diesem Anspruch erfolgreich entspricht.

Das Modell 150 AM besitzt außerdem standardmäßig Rollen an den C/Cis/Es-Griffen der rechten Hand, was beim Modell 155 AM auch als Option möglich ist – übrigens weltweit einmalig. Das Modell 150 AM wird jedoch unabhängig vom Erfolg der Oboe 155 AM weiter produziert und findet nach wie vor auch seine Anhänger.

Gibt es Besonderheiten bei der Mechanik bzw. bei den verwendeten Materialien?

Die Besonderheiten der Mechanik basieren allein auf Albrecht Mayers Ideen. Das auffälligste Merkmal ist sicherlich der im linken Es-Heber eingelassene Gis-Griff, sodass beide Griffe gleichzeitig betätigt und somit schwierige Töne im hohen Flageolett-Bereich leichter gespielt werden können.

Die Wirkung der vergoldeten Elemente und der möglichen Silikonbepolsterung erwähnte ich bereits.

Welche Rolle spielt das verwendete Holz?

Eine sehr wichtige. Unsere Edelhölzer sind zehn und mehr Jahre natürlich langzeitgelagert, durchlaufen über diesen langen Zeitraum die kompletten Temperaturschwankungen eines Jahres von –25 bis +35 Grad Celsius, was für die Einschränkung des Riss-Risikos entscheidend ist.

Zudem versehen wir beim Modell 155 AM zusätzlich alle Tonlöcher des Oberstücks a priori mit Grenadill-Einsätzen, um die letzten unliebsamen Spannungen aus dem Korpus zu nehmen, wodurch ein freies Durchschwingen der Oboe ermöglicht wird. Der Aufwand lohnt sich – die Reklamationen wegen Rissen liegen bei unter fünf Prozent.

Das am häufigsten verwendete Holz im Oboenbau ist das in Südostafrika beheimatete Grenadill. Der botanische Name ist Dalbergia melanoxylon. Es besitzt eine Dichte von ca. 1,3 bis 1,4 g/cm³ und bringt damit optimale Voraussetzungen für ein Klangholz mit, indem es keine (oder kaum) Feuchtigkeit aufnimmt und zudem einen wunderbaren Obertonreichtum entwickelt – damit die Oboe so klingt, wie sie klingt. Man sagt ja auch, dass dieses Instrument der menschlichen Stimme am nächsten kommt. Das gleiche Holz wird übrigens auch beim Bau von Klarinetten verwendet.

Beim Modell 155 AM handelt es sich ja um ein halbautomatisches Instrument. Was heißt das eigentlich genau?

Bei Oboen unterscheidet man zwei Systeme – halb- und vollautomatisch. Die halbautomatische Version hat einen zusätzlichen (und sehr auffälligen) Hebel im Bereich des linken Zeigefingers, der beim Wechsel vom gis² zum a² bedient werden muss. Dabei öffnet sich die zweite (obere) Oktavklappe, während sich die erste (untere) gleichzeitig schließt – ein physikalisch-akustisch notwendiger Vorgang.

Beim vollautomatischen Instrument geschieht das ohne zusätzliches Drücken einer Klappe, sondern wird über spezielle und aufwendige Mechanikverbindungen realisiert, was entsprechend teurer ist.

Und warum halbautomatisch? Ist in Deutschland nicht die vollautomatische Version gebräuchlicher?

Das ist richtig, oder besser: war richtig. Wie weltweit schon seit längerem üblich, hat sich auch in Deutschland der Wechsel von voll- zu halbautomatischen Mechaniken aus mehreren Gründen nahezu vollständig vollzogen. Während wir vor 25 Jahren noch mehr als die Hälfte unserer Instrumente in Vollautomatik ausführten, sind es heute unter fünf Prozent.

Die Gründe sind zum einen der deutliche Preisunterschied, die unempfindlichere Mechanik und letztlich die Möglichkeit des Musikers, den zusätzlichen HA-Hebel und das damit verbundene Öffnen der oberen Oktavklappe für spezielle Sondergriffe gesondert einsetzen zu können.

Worin unterscheidet sich diese Bauform von der Wiener Oboe?

Die Wiener Oboe ist ein sehr spezielles Instrument und wird tatsächlich nahezu ausschließlich in Österreich gespielt. Sie ist etwas kleiner, deutlich leichter und erinnert in ihrer Bauform eher an barocke Vorläufer der Oboe. Die Mechanik lehnt sich stark an die alten deutschen Oboenmechaniken an, die jedoch in den 1940er Jahren vom französischen système de conservatoire abgelöst wurden. Zudem ist der Klang der Wiener Oboe sehr speziell mit einer eigenen typischen Charakteristik.

Die heute weltweit übliche Bauform einer Oboe mit einem kräftigeren Korpus ermöglicht eine dunklere Klangfarbe mit entsprechend veränderten Resonanz- und Spieleigenschaften.

Die Oboe hat angeblich die komplizierteste Klappenmechanik unter den Holzblasinstrumenten. Warum ist das so?

Auf einer relativ kleinen Fläche muss ein sehr komplexer Mechanismus untergebracht werden, der perfekt funktionieren muss. Mehrere Einstellmöglichkeiten mithilfe zahlreicher Stellschrauben sowie alternative Triller- und Klappenverbindungen, die besonders für das Legatospiel erforderlich sind, minimieren das Platzangebot zusätzlich. Gerade deshalb muss die Mechanik extrem exakt gearbeitet sein, um eine optimale Bedienbarkeit – sowohl im physikalischen als auch im ergonomischen Sinne – zu garantieren.

Warum sind Oboen überhaupt so sensibel im Vergleich zu anderen Instrumenten?

Die Innenbohrung einer Oboe ist relativ eng, was einen sehr direkten Kontakt der beim Spielen anfallenden Feuchtigkeit mit der Innenwandung bedeutet. Das Holz nimmt diese Feuchtigkeit – wenn auch in sehr kleinen Mengen – auf und das verursacht kleinste Veränderungen in der Grundgeometrie.

Das sehr dichte Grenadillholz ist zudem auch sehr zug- und temperaturempfindlich. Verändert sich das Holz aufgrund von zu starken Temperaturdifferenzen auf Innen- und Außenfläche nur minimal, kann das bei sehr genau gearbeiteten Mechaniken vorübergehend sogar zu Verklemmungen von Klappen oder undichtem Polsterverhalten führen. Im schlimmsten Fall kommt es zu den lästigen Rissen.

Die Oboe muss also immer sehr gut behütet, gepflegt und regelmäßig gewartet werden, sodass man durchaus auch von einem liebevollen Umgang sprechen kann.

Was nehmen Sie für Ihre zukünftige Arbeit mit vom Jury-Feedback?

Grundsätzlich ist die Ausschreibung des Deutschen Musikinstrumentenpreises ein sehr wichtiges Angebot des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Selbst wenn man den Preis nicht erhält, bekommt jeder Teilnehmer nach Abschluss der sehr komplexen und hochprofessionell durchgeführten Bewertung ein Abschlussprotokoll, aus dem sehr detailliert Vorzüge, aber auch Mängel offen angesprochen werden. Das ermöglicht zum einen eine klare Standortbestimmung im Vergleich zu den Mitbewerbern und zum anderen klare Hinweise darauf, was am Instrument zu verbessern ist.

Eine Überlegung wäre, diesen Preis ganzeuropäisch auszuschreiben. Dies würde zum einen den Wettbewerbsreiz durch ein größeres Teilnehmerfeld erhöhen und zum anderen eine noch bessere Positionierung im internationalen Maßstab ermöglichen, was bei zunehmender Globalisierung des Marktes für jeden Hersteller sehr wichtig ist.

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