Orchestra | Von Renold Quade

Deutsches Musikfest – Gedanken zum Wertungsspiel

Wertungsspiel

Der erste Antrieb eines jeden Ensembles, sich auf den Weg nach Ulm und Neu-Ulm zu machen, ist sicher die Freude, gemeinsam mit vielen Gleichgesinnten ein großes Musikfest erleben zu dürfen. Doch „mittendrin“ ist immer attraktiver als „nur dabei“ und daher erwächst bei uns Musikerinnen und Musikern über das reine Erleben hinaus, ganz selbstverständlich der Wunsch, auch aktiv zum Gelingen eines großen Musikfestes mit beizutragen. Von Platzkonzert, Messgestaltung und Umzug, bis Wertungsspiel, Wettbewerb und Galakonzert werden viele klingende Mosaiksteine Ulm und Neu-Ulm zum Schwingen bringen.

Das Deutsche Musikfest 2025 in Ulm und Neu-Ulm versteht sich wohl wissend um die enorme emotionale, kulturelle und gesellschaftspolitische Kraft der Musik, als ein Fest des Brückenbauens und der Teilhabe. Es wendet sich an alle Musikinteressierten und bietet daher vielfältige Foren, um Amateur-, Blas- und Spielleutemusik zu erleben und zu gestalten.

Ein Teil der Begegnung sind die Wertungsspiele: Veranstaltungen, die allen teilnehmenden Ensembles Gelegenheit bieten, ihre Leistungsfähigkeit von einer unabhängigen Fachjury bewerten zu lassen. Durch kritische Beurteilung und sachliche Beratung wird angestrebt, nachhaltig Türen zu öffnen, die Richtung weisen mögen, das Leistungsniveau eines Ensembles zu verbessern. Die Wertungsspiele verstehen sich somit nicht nur als rein punktuelles Ereignis, sondern vielmehr auch als nachhaltig wirkendes Fortbildungsmittel.

Am Wertungsspiel beim Deutschen Musikfest 2025 können verschiedenste Musiziergemeinschaften, gemäß Ausschreibungskategorien, unabhängig von ihrer Verbandszugehörigkeit und Nationalität, teilnehmen. Für Ensembles, die mehr den Wettbewerb suchen, ist parallel ein Orchesterwettbewerb ausgeschrieben.

Ulm und Neu-Ulm, wir kommen

Wer sich nun für die Teilnahme an einem Wertungsspiel angemeldet hat, der hat, und das sei mir bitte erlaubt, wertend bemerken zu dürfen, schon eine erste gute Entscheidung getroffen.

Ja, gespannte Unruhe kommt zunächst auf im Orchester. Neben dem in der Regel doch schon recht umfangreichen Organisationsaufwand, den die Reise darstellt, stellt sich die Frage: In welcher Kategorie treten wir an, welches Pflichtstück könnte uns liegen und welches Selbstwahlstück stellen wir dazu? In der Regel wird es nun vielstimmig im Orchester. Und jeder, der ja nun mitfahren möchte, verlässt zumindest für ein paar Momente gedanklich seine Komfortzone, ist angeregt und reflektiert. In der Summe werden dann die musikalischen Entscheidungsträger ein Konzept erstellen. Schon bis hierhin ist das ein klarer Identitätsgewinn für jedes Orchester. 

Und diese Prozesse laufen nicht nur bei den potenziellen Teilnehmern ab. Die Veranstalter werden von ähnlichen Gedanken geleitet. Sie wissen nicht nur um die »reine Lehre« eines solchen Ereignisses, sie wissen auch um die »Praxis« der Orchester und überdenken ihr Angebot nicht ohne kluge Analyse von Bedarf und Notwendigkeiten. Somit wird im Vorfeld ein inhalt­licher und organisatorischer Rahmen wohlwollend abgesteckt. Für den Erfolg, zum Beispiel des Deutschen Musikfestes 2025 in Ulm und Neu-Ulm, ist dann die ganze »Familie« verantwortlich. Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Republik und darüber hinaus, Organisatoren, Juroren und zuliefernde Helfer aller Art stehen in den Startlöchern und werden alles geben, um gemeinsam ein berührendes und fröhliches Musikfest mitzugestalten. Keine Frage, da ist die Vorfreude aller schon riesengroß.

Wertungsspielstücke: Das Prinzip von Pflicht und Kür

Es gibt sicher viele gute Gründe für und gegen die Herangehensweise, mit je einem Pflicht- und einem Selbstwahlstück ein Wertungsspiel auszugestalten. 

Ausschlaggebend für Ulm und Neu-Ulm 2025 sind unter anderem auch folgende Gedanken: Eine erste Vorgabe ist es, sich für eine Kategorie zu entscheiden, um somit sein Orchester im ansprechenden Lichte einer lösbaren Aufgabe präsentieren zu können. Um eine gewisse Übersicht und einen gewissen Ausgleich zu schaffen, werden in jeder Kategorie drei Werke vorab angeboten, von denen eines verpflichtend auszuwählen ist. In der Regel wird je ein Werk eines deutschsprachigen Komponisten, ein Werk aus der Abteilung der »Genre-Klassiker« und ein Werk, welches zu den beiden erstgenannten in etlichen Parametern noch einmal kontrastierend ist, angeboten. Dabei wird bewusst darauf geachtet, dass sich eine breite Streuung der Verlagswelt abbildet, nicht zuletzt mit dem Ziel, charakteristische Vielfalt aufzuzeigen.

Ein an anderen Stellen, zum Beispiel beim Wettbewerb, gewolltes Instrument einer »direkten Vergleichbarkeit« der Orchester durch ein »gleiches« Stück ist hier nicht angestrebt. Im Wertungsspiel geht es nicht um Platzierungen im Sinne einer Rangtabelle, es geht um Einordnungen im Sinne von allgemeiner Spiel- und Leistungsfähigkeit. 

Das zweite Werk, sinnvollerweise in der gleichen Kategorie verortet, ist frei auszuwählen. Fachlich für alle immer im Rücken ist die Selbstwahlliste für Blasorchester der BDMV. Sie dient als Orientierungshilfe. Dieses Nachschlagewerk wird jährlich überarbeitet, was Ergänzungen, Streichungen und Umstufungen beinhaltet, die sich aus der Praxis ergeben haben. Werke, die dort ggf. noch nicht verzeichnet sind, müssen dem Vorsitzenden der Literaturkommission der BDMV eingereicht werden, damit er sie sichten, einordnen und in Bezug auf die Tauglichkeit im angestrebten Wertungsspielsinn ggf. empfehlen oder bemängeln kann.  

Systemische Grundgedanken zum Wertungsspiel

Das Punktesystem sieht vor, dass ein Orchestervortrag leistungsabhängig in ein Rastersystem von fünf Prädikaten eingeordnet werden kann. Dabei geht man davon aus, dass das Erreichen von etwa zwei Dritteln der zu erreichenden Höchstpunktzahl das Einstiegsmaß für eine bewertende Einstufung ist. Man differenziert von diesem Moment an in einer Wertigkeit von »teilgenommen« bis »hervorragend«. Sicherlich vereinfacht, aber auch nicht abwegig, könnte man den kreativen Prozess von Vorspiel und Bewertung kurz wie folgt zusammenfassen: Es ist die Aufgabe des Orchesters, durch gelungene Werkinterpretationen der Jury Gelegenheit zu bieten, die musikalisch zu Grunde liegenden Parameter eines Werkes handwerklich wie künstlerisch mit einem Wertungsergebnis spiegeln zu dürfen.

Dabei ist die Diskussion über das Ausschöpfen der Punktezahlen im Spannungsfeld zwischen »stimmig« und »abwegig« so alt, so müßig und so absurd wie jegliches kluge Ersinnen von Bewertungssystemen. Meines Wissens behauptet kein System auf der Welt unfehlbar zu sein. Von allen Parteien ist daher ein respektvoller Umgang mit Leistungsmerkmalen und Werteeinschätzung gefordert. Sachverstand, Fairness, Freude- und Leidensfähigkeit werden stets Hand in Hand gehen. Gegenseitige Achtung und Beachtung auf Basis von vorab vereinbarten Kriterien wird daher nie eine Einbahnstraße sein, sondern immer das Ergebnis von aktiver, wechselseitig sich beeinflussender Kommunikation. 

Lust und Last eines Momentes im Wertungsspiel

Diskutiert wird immer, und das ist auch grundsätzlich nichts Verwerfliches. Dabei ein Dauerbrenner: Sollte die ganze Bandbreite der Prädikate stärker Abbildung finden? Orchester und Juroren haben dazu alle Möglichkeiten. Allen ist bewusst, wie stark Lust und Last eines Momentes im Wertungsspiel auf allen Beteiligten lasten. Aber so ist es nun mal. Punktuelle Erfolge und Misserfolge sind systemimmanent in der Vita eines jeden Kulturschaffenden. Sich immer wieder, Baustein für Baustein, neu ein-, aus- und auf­zurichten ist das »Perpetuum mobile« nicht nur in der Musik. Die Puzzleteile eines Gesamtvortrages zu beleuchten und die Wertigkeit der substanziellen Bausteine sinnvoll einander zu­zuordnen, ist Aufgabe der Juroren; selbige mit Spielfreude und Kompetenz so zu präsentieren, dass stimmungsvolle Musik daraus wird, die lustvolle Aufgabe des Orchesters.

Sinnstiftung und Motivation darüber zu befinden, ist ein Antrieb, der es immer frisch ermöglicht, aktuell Faktisches zu erkennen und zu hinterfragen, um sich vorausdenkend wieder motiviert aufzustellen zu wollen. Ein wichtiges Element der Wertschätzung für beide Seiten ist das gemeinsame Gespräch im Nachgang. Denn hier soll ergänzender, offener und fairer Umgang zur Sache gepflegt werden.

Zur Erinnerung hier noch einmal die Begrifflichkeit der Bewertungskriterien, die immer im Gesamtkontext eines vorgetragenen Werkes ordnende Leitschnur der Jurorengedanken sind: Intonation und Stimmung, Rhythmik und Zusammenspiel, Technische Ausführung, Dynamik und Klangausgleich, Ton- und Klangqualität, Phrasierung und Artikulation, Tempo und Agogik, Stückwahl im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit und Besetzung des Orchesters, Stilempfinden und Interpretation, Gesamteindruck.

Pflichtwerke 

Kategorie 2:
Enjoy Life Four, Wolfgang Wössner (Mitropa)
Sketches for Band, Marco Pütz (de Haske)
Sonatina for Band, Frank Erickson (Alfred)

Kategorie 3:
Klangfusion, Armin Kofler (Musikverlag Frank)
Crossroads, Carl Wittrock (Gobelin Music)
Seagate Overture, James Swearingen (Birch Island Music)

Kategorie 4:
Symphony No. 1 – The Borgias 1. Satz: Alexander VI,
Otto M. Schwarz (Symphonic Dimensions)
Don Quixote, Jean-Pierre Haeck (HaFaBra)
Third Suite, Robert Jager (Belwin)

Kategorie 5:
Steiger Variationen, Jörg Murschinski (HaFaBra)
Twin Ports Overture, Marc Camphouse (Kjos)
Resurgam »I Shall Rise Again«, Eric Ball (Bearb. G. Brand)
(R. Smith / G. & M. Brand)

Kategorie 6:
Mystikum I–II, Hubert Hoche (H.H. Musikverlag)
Colores, Jan van der Roost (de Haske)
La Fiesta Mexicana, Herbert O. – (Belwin)

www.deutsches-musikfest.de

Weitere Infos zu den Werken unter
www.blasmusik-shop.de/BDMV-2025