Das Festival »Clarinet & Friends« in Mühlhausen geht in die zweite Runde: ein Festival, klein, aber extrem kreativ, das sich mit Haut und Haaren der Idee des musikalischen Dialogs verschrieben hat.
Dass der Bedarf an Kommunikation in der Tat groß ist, erfahren wir immer häufiger – im Beruf und privat, vor allem aber in der bereichernden Begegnung mit fremden Kulturen. Das gilt auf der großen Bühne der Weltpolitik ebenso wie im alltäglichen Umgang mit dem Sitznachbarn im Bus, mit neuen Kollegen, mit den Nachbarn in der eigenen Straße.
Umso intensiver macht das Festival den Dialog zum Thema: in musikalischen Begegnungen unterschiedlicher Stile und Epochen und mit einem spannenden Konzertprojekt »Klezmer for the Sultan«, in dem israelische, türkische und deutsche Stilelemente, Instrumente und Interpreten vereint werden. Hauptakteure des Projekts sind der deutsche Klarinettist Helmut Eisel und der in der Türkei lebende Israeli Yinon Muallem. Wir haben uns mit beiden unterhalten.
Wenn Sie sich abends die Tagesschau ansehen – woraus schöpfen Sie die Hoffnung, dass sich doch noch alles zum Guten wendet?
Helmut Eisel: Wie schlecht oder gut etwas ist, ist eine Frage des Standpunkts. Nehmen wir die Flüchtlinge: Wollen wir uns darüber ärgern, dass 10 Prozent der Deutschen den Begriff Solidarität nicht verstanden haben, oder freuen wir uns lieber über die anderen 90 Prozent? Deutschland hat derzeit eine Vorreiterrolle in Europa für mehr Mitmenschlichkeit – das macht mich stolz auf mein Land.
Dass da gigantische Probleme zu lösen sind, steht außer Frage, aber ich bin zuversichtlich, dass sie gelöst werden können. Wir haben heute ganz unglaubliche technische Möglichkeiten, wir stehen wirtschaftlich sehr gut da. Daraus erwächst eine große Verantwortung, denen zu helfen, denen es nicht gut geht. Wir stehen an einem Punkt, von dem aus wir zurückschauen können, ja sogar müssen. Was für Entwicklungen sind passiert? Viel Wachstum, ja, aber einige hatten nie die Chance, davon zu profitieren.
Wer in einer Welt des Wohlstands Hunger leiden muss, in Sichtweite von Luxushotels und Villen in Lagern leben muss, der wird sich über kurz oder lang wehren. Der »Homo Oeconomicus« muss einsehen, dass es ihn teuer zu stehen kommt, wenn er seinen rein wirtschaftlichen Gewinn weiterhin maximiert. Wir sollten darüber nachdenken, ob »Gewinn« nicht auch ganz anders definierbar ist.
Yinon Muallem: Nun, die täglichen Nachrichten aus aller Welt und aus dem Mittelmeerraum speziell sind tatsächlich nicht besonders gut. Ich bin Israeli und ich habe mich dazu entschieden, in der Türkei zu leben. Diese beiden Nationen kommen nicht besonders gut miteinander aus, was mir auch privat – mit meiner türkischen Frau und den Kindern – Probleme bringt.
Aber ich versuche immer, mich auf meine Kunst zu konzentrieren, um damit gute Dinge voranzutreiben. Durch die Musik versuche ich Botschaften des Friedens und der Toleranz zu versenden. Ich weiß, dass ich dadurch nicht unbedingt die politische Situation ändern kann, aber bin optimistisch, dass diese Aktionen für positive Energie zwischen den Kulturen sorgen können.