Gestreckte Form, fast eineinhalb Meter lang, ziemlich unhandlich und häufig mit Ringen versehen zum Einhängen einer Fahne – das ist die Aida-Trompete.
Verdis “ägyptische” Oper “Aida” und die Eröffnung des Suezkanals – im allgemeinen Bewusstsein sind sie fast untrennbar miteinander verbunden. Tatsächlich hatte Giuseppe Verdi (1813 bis 1901), einer der berühmtesten Komponisten seiner Zeit, mehrfach eine Anfrage erhalten, ob er nicht zur festlichen Eröffnung des modernen Schiffsverkehrswegs sowie des neuen Kairoer Opernhauses etwas komponieren wolle. Verdi lehnte mehrfach ab. Das Opernhaus wurde daraufhin mit einer anderen Verdi-Oper eingeweiht, dem “Rigoletto”.
Doch damit war in Kairo der Wunsch nach einer “altägyptischen” Oper noch nicht zu Grabe getragen. Als man drohte, Richard Wagner mit der Komposition zu beauftragen, Verdis schärfstem Konkurrenten, änderte der Italiener schließlich seine Meinung. Ein Jahr zu spät für die ägyptischen Festlichkeiten lieferte er dann doch seine Oper “Aida” nach. Wegen des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 verzögerte sich die Uraufführung in Kairo noch um ein weiteres Jahr.
Der Triumphmarsch
Am Ende des 2. Akts von “Aida” wird der Kriegsheld Radamès vor den Toren der Stadt Theben ausgiebig gefeiert. Dazu gehört natürlich auch ein schmissiger Triumphmarsch – jedenfalls dachte man so im nationalistischen 19. Jahrhundert. Dieser Marsch sollte nicht einfach aus dem Orchestergraben erklingen, sondern die Bläser sollten Teil der antiken Spielszene sein. Zu den altägyptischen Kostümen aber, so fand Verdi, passten keine modernen Trompeten. Das Fanfaren-Instrument musste vielmehr “stilecht” aussehen. Auch Wagner, der große Konkurrent, hatte ja einst für seinen “Lohengrin” eigens eine Königstrompete bauen lassen.
Verdi wünschte sich für seinen Triumphmarsch daher ganz besondere Instrumente, die die nicht gebogene Gestalt der altägyptischen “scheneb” nachahmen, wie man sie von antiken Darstellungen und aus Grabfunden kennt. Verdi hatte sich diesbezüglich schlau gemacht. Die italienische Firma Pelitti baute daraufhin für die Uraufführung eine “gestreckte Trompete in altägyptischer Form” – allerdings mit einem Périnetventil versehen. Das Rohr ist 1,27 Meter lang und besitzt ein kurzes Schallstück.
Viele Hersteller haben die Aida-Trompete im Programm
Verdis Triumphmarsch verlangt drei solcher Aida-Trompeten in H und drei Aida-Trompeten in As. Das ist ein ziemlicher Herstellungsaufwand für ein Stück Musik von gerade mal eineinhalb Minuten Länge. Weil Opernhäuser rund um die Welt aber solche Instrumente benötigen, wenn sie “Aida” inszenieren, haben heute etliche Hersteller die Aida-Trompete im Programm.
Neben der Verdi-Oper gibt es für diese Instrumente jedoch kaum eine Verwendung. Daher hat man damit begonnen, vielseitigere Modelle zu bauen, etwa gestreckte Trompeten in B oder C mit drei Drehventilen. Diese Instrumente können dann auch bei anderen Bühnenmusiken eingesetzt werden. Vielfach betrachtet man die Aida-Trompete heute sogar nur noch als “Vorläuferin” der modernen Fanfaren-, Herolds- oder Krönungs-Trompete, wie sie in Spielmannszügen verwendet wird.
Was den Klang der Aida-Trompete angeht, so unterscheidet er sich nicht wesentlich von dem eines gebogenen Instruments. Der Fachmann Friedel Keim beschreibt diesen Klang zwar einmal als “schmetternd und scharf”, dann aber wieder als “weich und tragfähig”. Viel anfangen konnte er mit seiner Aida-Trompete übrigens nicht, weshalb er sie zu einer Stehlampe umfunktioniert hat.
Verdi war einst bei seinen Recherchen zur altägyptischen Fanfarentrompete auf Plutarchs Hinweis gestoßen, der Ton der “scheneb” hätte so manchen an Eselsrufe erinnert. Angeblich soll er daraufhin beim Instrumentenbauer Adolphe Sax angefragt haben, ob er ihm eine Trompete liefern könne, die wie ein Esel klingt. Sax soll tatsächlich ein paar Instrumente für ihn gebaut haben – was aus ihnen wurde, ist unklar.
Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk