Wood | Von Dirko Juchem

Die Atmung: Mit Gähnen den Sound verbessern

Dirko Juchem
Fotos: Dirko Juchem

Für einen schönen Saxofon­sound braucht man sowohl Kraft und Stütze, aber auch ei­nen weiten und lockeren Hals. Wie kann man das trainieren und welche Rolle spielt das Gähnen dabei? Saxofon-Coach Dirko Juchem geht in diesem Workshop noch einmal auf die Grundlagen der Atmung ein, erläutert den Zusammenhang von Hals und Resonanzraum im Rachen und stellt einige Übungen vor. 

Bei meinen Workshops erlebe ich immer ­wieder, dass einige Teilnehmer einen etwas “gepressten” und “gequetschten” Saxofonsound haben und nicht so ganz genau wissen, woran das liegt. Da werden dann neue Mundstücke und Blätter ausprobiert oder man experimentiert am Ansatz – dabei liegt die Ur­sache womöglich einfach nur an einem verspannten Hals.

Wichtigste Grundlage: die richtige Atmung

Aber gehen wir ein paar Schritte zurück. Für einen stabilen Saxofonsound brauchen wir ­Power. Und wenn ich von Power spreche, meine ich nicht automatisch einen lauten und fetzigen Sound in einem Rocksong – ­Power braucht man auch für leise Passagen in einer Jazzballade oder in einem klassischen Stück. Wir sprechen hier auch von “Stütze” oder “Zwerchfellstütze”. In früheren Beiträgen zur Atmung habe ich dieses Thema schon sehr ausführlich behandelt, dennoch möchte hier zwei sehr gute Atemübungen noch einmal vorstellen.

Übung 1:

Stell dir vor, es ist dein Geburtstag und du sollst auf der Geburtstagstorte alle Kerzen mit einem einzigen Atemzug ausblasen. Du wirst ganz tief einatmen, damit du genügend Luft hast (man spricht hier von der vollen oder von der tiefen Einatmung) und die Luft mit viel Druck gegen die Kerzen blasen. Probier‘s einfach mal aus: Stell dir vor, du hast eine Torte direkt vor dir, atme tief ein und ­blase fest gegen die imaginären Kerzen auf der Torte. 

Übung 2:

Jetzt hast du nur noch eine einzige Kerze, die du ausblasen willst, und diese ist genau eine Armlänge entfernt. Zur Verdeutlichung kannst du einen Arm von dir weghalten und dabei den ­Daumen hochhalten, als wolltest du mit dem Daumen “alles super” anzeigen. Nun bläst du die imaginäre Kerze (also deinen Daumen) aus: Dabei wirst du wieder tief einatmen (volle Ein­atmung) und diesmal die Luft nicht in einem breiten Strom (für die vielen Kerzen auf der Torte), sondern in einem dünneren, fokussierten Strahl fest gegen den Daumen blasen. Diese Atemübung gibt dir schon ein ganz gutes Bild von ­deiner Atmung während des Saxofonspiels: Du atmest tief ein und bläst die Luft mit dem nötigen Druck (»Stütze«) in dein Instrument.

Hinweis: Wenn du dich intensiver mit dem Thema Atmung beschäftigen möchtest, empfehle ich dir die früheren Ausgaben dieser Workshop-Serie oder meine »Saxofon Praxis Tipps« bei YouTube: Hier habe ich eine vierteilige Reihe zum Thema »Die richtige ­Atmung« veröffentlicht.

Fehler mit negativen Auswirkungen auf den Sound

Aber warum habe ich jetzt das Thema ­Atmung dazwischengeschoben? Eigentlich geht es ja um den Hals. Ganz einfach: Wie ich bereits erwähnt habe, brauchen wir für ­einen stabilen und schönen Saxofonsound genügend Kraft und Stütze, oder anders ausgedrückt: wir müssen den Ton “abstützen”. Fehlt uns diese Stütze von der ­Atmung her, dann fangen wir automatisch an, diese an irgend­einer anderen Stelle aufzubauen. Wir setzen also dort Kraft ein, wo sie nicht hingehört und schädlich ist. Und genau aus diesem Grund entstehen viele Fehler, die sich negativ auf den Saxofonsound auswirken:

  • Die Lippen und der Unterkiefer werden zu sehr angespannt oder sogar gepresst, mit dem Ergebnis, dass das Blatt nicht frei schwingen kann und der Ton kiekst, überbläst, manchmal überhaupt nicht anspricht oder einfach verkrampft klingt.
  • Man stößt mit der Zunge zu fest an und eine Passage klingt dann abgehackt statt elegant und weich.
  • Der Hals wird zu sehr angespannt, der Ton klingt gepresst und nicht “frei” und “offen”.

Der Hals

Es ist wichtig, diese Grundlagen zur Atmung zu kennen, denn erst wenn wir unsere Atmung kultivieren, werden wir in der Lage sein, in den anderen Bereichen, die für einen schönen Ton von Bedeutung sind, mit der ­nötigen Lockerheit zu spielen.

Was den Hals angeht, ist die erste Problem­beseitigung ganz einfach – und jetzt kommen wir endlich zum Gähnen. Wenn du einmal richtig tief und ausgiebig gähnst, dann wird dein Hals ganz weit und locker. Sehr interessant ist die Beobachtung, die ich an der Musikschule und in meinen Workshops gemacht habe: Nach dem Gähnen hat sich bei vielen Saxofonisten die Intonation verändert, der Ton ist etwa ein Viertelton tiefer als zuvor.

Aber warum ist ein lockerer Hals so wichtig? Ganz einfach: Wird der Hals weit, vergrößert sich der Resonanzraum im Rachen. Das ist wie bei einem Sänger. Wenn ein Sänger nur ­vorne heraus singt (also aus dem Mund heraus), dann klingt die Stimme bei weitem nicht so voll und schön wie bei einem aus­gebildeten Sänger, der seinen ganzen Resonanzraum einsetzen kann. Dein Saxofonton wird also voller, oder man ­könnte sogar noch besser sagen: dein Ton wird »größer«.

“Ih” und “Oh”

Neben dem Gähnen gibt es aber noch ein anderes Hilfsmittel, mit dem du dir einen großen Resonanzraum verdeutlichen kannst und das sind die unterschiedlichen Vokale. Wenn du dir ein “Ih” vorstellst, hast du einen sehr engen Hals, stellst du dir ein “Oh” vor (nicht wie in “Ofen”, sondern eher wie in “offen” oder “hoffen”), dann hast du einen weiten Hals.

Bei meinen Workshops vermittle ich dazu zwei Bilder:

  1. Stell dir vor, eine ziemlich fette und eklige Spinne seilt sich über dir von der Decke ­herab. Sofort wirst du ein angespanntes und verkrampftes “iiiiiiiih” denken.
  2. Stell dir nun vor, an Weihnachten ist das schönste Geschenk für dich und du denkst sofort: “ooooooooh”.

Mit diesen unterschiedlichen Vokalen können wir uns nun einmal eine Melodie vorstellen. Hierzu nimmst du einfach einen bekannten Song, ­sagen wir mal »Strangers in the Night«, oder auch den Song, den du im Saxofonunterricht, im Orchester oder in der Band gerade durchspielst. Sing dir den Song einmal vor:

  1. einmal mit: “Dih – Dih – Dih – Dih – ­Diiiiiiiiiiiiiiih…”
  2. und nun mit: “Doh – Doh – Doh – Doh – Dooooooooooh…”

In gleicher Weise kannst du diese Melodie nun auch mit deinem Saxofon spielen. Dabei wirst du merken, dass der Sound sehr unterschiedlich ist, je nachdem, ob du “Dih” oder “Doh” spielst.

Ich hoffe, dass du mit ein bisschen Gähnen und den richtigen “Dohs” deinen Hals lockern und somit deinen Saxofonsound verschönern kannst. Dabei wünsche ich dir viel Freude!

www.jupiter.info, www.dirko-juchem.de