Na klar, wo 120 fürs Viertel drüber steht, sollten beim Spielen auch 120 fürs Viertel drin sein! Und wenn sich mal keine Anweisung über den Noten findet, dann kommt mit Sicherheit irgendwer – vom Musiklehrer bis zum Kapellmeister – daher und verordnet eine Zahl. Ob’s dann in der Ausführung stimmt, dazu braucht man ja schließlich nur das Auskunft gebende Metronom zu Rate ziehen. Der ist Tempo-Coach, ist Vorgabe- und Kontrollinstanz zugleich. Ob in den neuen elektronischen Ausführungen mit Blinklicht und/oder Piepton oder der traditionellen mechanischen: das Metronom gehört heute einfach zum Musiker-, Musikliebhaber- und – manchmal auch als Schreckgespenst – zum Musikschülerleben dazu. Aber es ist mehr als ein heute so selbstverständlich scheinendes Arbeitsmittel, dessen Anwendung – vordergründig – kaum mehr infrage gestellt ist. Seinem Werden, aber auch seinem Wofür, Warum und Wohin will dieser Aufsatz nachspüren und schlittert damit, ganz von selbst, in musikologische Gegenden und Areale sowohl spieltechnischer wie musikhistorischer und musikaktueller Aufführungspraxis und -probleme.
Immer schon haben die Zeit und das Zeitmessen die Theoretiker und Praktiker der Musik beschäftigt. Kein Wunder, ist Musik doch die einzige Kunst, die ihrer Flüchtigkeit unterworfen ist. Zunächst waren es die Probleme der schriftlichen Fixierung, also der Notenschrift, in deren Mittelpunkt, neben der Tonhöhenzeichnung, die Organisation der Tonlängenverhältnisse und deren Abstimmung miteinander standen. Später wurde Zeit dann Gegenstand des Bemühens um eine komponisten- und kompositionsgerechte Aufführungsehrlichkeit, der sogenannten »Werktreue«, was nichts anderes meint, als die musikalischen Imaginationen und Ideen des Komponisten möglichst authentisch in den Aufführungen wiederzugeben. Das betrifft einerseits sowohl die rein technischen »Rahmenelementaria«, Metrum, Taktfestigkeit oder rhythmische Präzision, wie andererseits – unterstützt durch die zunehmende Personalisierung, also Autorenbezogenheit in der Musik – die Fragen des Tempos als wesentlichem Wiedergabe- , also Interpretationselement.