Saxofone grummeln und gurren, Trompeten röcheln und keuchen: Die Jazz-Avantgarde der 60er-Jahre entdeckte noch die abwegigsten Bläsertöne als Ausdrucksmittel ihrer neuen Freiheit. Begonnen hat alles mit dem Album »Free Jazz«, kurz vor Weihnachten 1960.In den 1950er-Jahren hätte man den Begriff »Free Jazz« wahrscheinlich noch mit »Jazz bei freiem Eintritt« übersetzt. Doch dann erschien dieses Album und gab dem Begriff »Free Jazz« eine ganz neue Bedeutung: Jazz, der frei ist von Formschablonen. Mancher Zeitgenosse zeigte dafür wenig Verständnis: Acht Nihilisten seien hier damit beschäftigt, die Musik zu zerstören, meinte ein Rezensent des Albums. Dabei ging es auf »Free Jazz« keineswegs um Zerstörung, sondern um das Aufzeigen neuer Möglichkeiten. Nicht umsonst gab dieses Album einer ganzen Bewegung den Namen – der innovativsten Bewegung in der Geschichte des Jazz.Worin bestand die Befreiung im Free Jazz? Vor dem Free Jazz fand Jazz ausschließlich in klar definierten Strophenformen über klar definierten Akkordwechseln statt. Diese Schablone bestimmte den Lauf der Musik: Einem Solisten mochten beim Spiel noch so geniale Ideen einfallen, letztlich musste er sie doch dem Gang der Harmonien unterordnen. Er war wie ein Skiläufer im Slalomkurs, ein Hamster im Rad, eine Ratte im Labyrinth – es gab kein Entkommen. Für Ornette Coleman, den viel zitierten »Vater des Free Jazz«, war das eine Fessel, die aus dem Hintergrund in den Vordergrund griff und das Geschehen bremste und einengte. »Lasst uns die Musik spielen, nicht den Background!«, so seine Losung. Jazz sollte sich vom Akkordgerüst befreien wie die abstrakte Malerei von den Gegenständen.