Am 11. Juli 1971 zog durch New Orleans ein riesiger Leichenzug. Die »Onward Brass Band« spielte herzzerreißend »He rambled till the butcher cut him down«. Die Menge heulte sich die Augen aus dem Kopf, Taschentücher waren Mangelware. Sechs Tage zuvor war ihr Idol Louis Armstrong in New York gestorben, seine Geburtsstadt am Mississippi hisste die Trauerbeflaggung.
In der James Alley 723 war Louis Armstrong am 4. August 1901 in einem kleinen, einstöckigen Haus zur Welt gekommen. Auf dem Taufschein, unterzeichnet von Reverend J. M. Toohey, stand »niger, illegitimus«, offenbar weil Louis’ Vater das Weite gesucht hatte und bereits mit einer anderen Frau zusammenlebte. Seine Mutter, Mary Albert Armstrong, ließ den Jungen katholisch taufen, ging aus der Not weiter ihrem elenden Geschäft als Prostituierte nach und ließ den Kleinen von Großmutter Josephine erziehen. New Orleans war damals die internationalste und am wenigsten amerikanische Stadt in den Vereinigten Staaten, ein ganz besonderer Ort – eine Mischung französischer, spanischer, kanadischer und afrikanischer Kulturen, Bräuche, Sprachen, Religionen und Küchen. Besucher wurden von ihrer verträumten, gemächlichen Atmosphäre betört, als sei New Orleans ein kleiner Klumpen Europas, der unerklärlicherweise an die Mündung des Mississippi verpflanzt worden war. Die 1718 von Jean Baptiste LeMoyen gegründete und lange zu Frankreich gehörende Stadt hatte nach dem amerikanischen Bürgerkrieg all ihren Reichtum verloren. Die zwölf Sklavenmärkte waren geschlossen, die Baumwollpreise ins Bodenlose gefallen. Befreit, aber völlig mittellos strömten schwarze Plantagenarbeiter und ihre Familien in die Stadt, so auch Louis Armstrongs Vorfahren.