Die Musikwelt trauert um Sammy Nestico

Er arbeitete mit den Großen des Showbusiness zusammen, legte aber selbst keinen großen Wert ­darauf, im Rampenlicht zu stehen. Der Arrangeur und Komponist Sammy Nestico starb Mitte Januar im Alter von 96 Jahren und hinterlässt ein großes musikalisches Erbe.

“Shadow Man” heißt ein Dokumentarfilm über den legendären Arrangeur und Komponisten Sammy Nestico. Und der Titel beschreibt sehr gut, was Nestico war: Er überließ gern anderen das Rampenlicht und sorgte mit seinen Arrangements dafür, dass die welt­berühmten Künstler glänzen konnten. Quincy ­Jones, Phil Collins, Barbra Streisand, Frank Si­natra, Pia Zadora, Goldie Hawn, Natalie Cole, ­Michael Bublé – sie alle arbeiteten eng mit ­Sammy Nestico zusammen. Sie alle hatten ihren Erfolg auch dem Arrangeur zu verdanken, der Mitte Januar starb, wenige Wochen vor seinem 97. Geburtstag.

Der junge Samuel Lewis “Sammy” Nestico wusste schon früh, was er wollte: Musik machen. Als er mit 13 Jahren erstmals mit seiner Posaune an einer Probe seines Schulorchesters teilnahm, war er von der Musik begeistert. Ein Jahr später wusste er, dass er nichts anderes mehr machen wollte als Musik. Den Erfolg der ersten eigenen Arrangements, an denen er sich bald versuchte, beschrieb er als “desaströs”. Entmutigen ließ er sich von den ersten Fehlschlägen nicht, ganz im Gegenteil. Nestico, der sich als “König des wechselnden Erfolgs” bezeichnete, lernte stets dazu – aus seinen Fehlern ebenso wie aus den Erfolgen –, und das solange er Musik schrieb. Seine ungeheuer produktive Karriere erstreckte sich auf mehr als acht Jahrzehnte.

Die große Ära des Swing

Sammy Nestico wurde in die große Ära des Swing hineingeboren, und diese Musik ließ ihn Zeit seines Lebens nicht mehr los. Als er mit 17 Jahren in die Rundfunk-Bigband seiner Heimatstadt Pittsburgh aufgenommen wurde, stand sein Entschluss endgültig fest, sein Leben der Musik zu widmen. Nach dem Militärdienst im Zweiten Weltkrieg studierte er Musikpädagogik. Nach dem Examen ging er wieder zum Militär, wo er 13 Jahre lang als Arrangeur für die U.S. Air Force Band arbeitete. 1963 wechselte er als Arrangeur und musikalischer Leiter zur U.S. Marine Band “The President’s Own”, für die er neben zahlreichen anderen Arrangements und Kompositionen auch eine Orchester-Hymne verfasste.

Nach seiner Militärzeit arbeitete Sammy Nestico freiberuflich und wurde vor allem durch seine ­Zusammenarbeit mit Count Basie weltbekannt. Vier der zehn Alben, die in dieser Konstellation entstanden, wurden mit einem Grammy ausgezeichnet. Nestico selbst blieb die Auszeichnung trotz vier Nominierungen verwehrt. Unter den vier Nominierungen war auch die CD “Fun Time”, die er gemeinsam mit der SWR Big Band aufgenommen hatte. Nestico selbst bezeichnete dieses Album als das beste, das er jemals aufgenommen habe – und das will etwas heißen.

In einem Interview wurde er gefragt, ob er nicht auch einmal gern selbst im Rampenlicht gestanden hätte. Schließlich hat er mit seinen Arrangements die Musik der Stars so in Szene gesetzt, dass diese glänzen konnten. »Ich wollte nie in der ersten Reihe stehen. Ich arbeite unheimlich gern mit den Musikern in den Proben zusammen. Mann, macht das Spaß!« Nestico wollte immer nur für die Musiker und das Publikum arbeiten. Und das konnte er schließlich auch im Hintergrund ganz gut – sogar ganz ausgezeichnet, wenn nicht unvergleichlich.

Nesticos Schwerpunkt pädagogischer Arbeit

Neben einem Ausflug in die Lehrprofession hatte Nes­ticos Tätigkeit einen großen Schwerpunkt in der pädagogischen Arbeit: Es war ihm immer wichtig, auch Musik für junge Leute zu schreiben, damit sie denselben begeisternden Zugang zur Musik finden können wie er selbst als 13-jähriger Posaunenschüler. Auch deshalb bedeutete ihm sein Buch “Der professionelle Arrangeur” so viel. Als er jung war, habe es so etwas einfach nicht gegeben. Darum wollte er vielen jungen Komponisten und Arrangeuren mit dem Buch weiterhelfen. “Ich glaube, das hat mein be­ruf­liches Schaffen ganz gut abgerundet.”

Seine Schaffenskraft blieb Sammy Nestico bis ins hohe Alter erhalten. Irgendwann, so erzählte er einmal, sei ­seine Arbeit langsamer geworden, aber trotzdem sei er immer ganz hibbelig gewesen, wenn er mit einem neuen Auftraggeber gesprochen habe und habe es kaum er­warten können, mit der Arbeit zu beginnen. Im Interview antwortete er auf die Frage, woher diese Energie wohl kam, es sei die Musik selbst, aus der er seine Energie beziehe, daher lasse er sich nicht davon abhalten, um die Welt zu reisen und Musik zu machen.

Sammy Nestico war eine Legende, wenn auch eine ganz bescheidene. “Ich habe mich auf der Legendenskala nie so weit oben gesehen. So bin ich einfach. Mein Wesen hält mich auf dem Boden der Tatsachen.” Die Musikwelt wird sich an diesen wunderbaren, bescheidenen und großartigen Musiker noch lange erinnern, denn er hat ein umfangreiches Werk hinterlassen. Und eine Überzeugung, die gleichzeitig ein Auftrag für alle Musiker der Welt sein könnte: “Wir verändern die Welt vielleicht nicht grundlegend. Aber wir verbessern sie mit jeder Note.”