Wood | Von Klaus Härtel

Die Oboistin Cristina Gómez Godoy mit ihrem Debüt

Cristina Gómez Godoy
Cristina Gómez Godoy (Foto: Felix Broede)

“Für mein erstes Album hätte ich mir keine bessere Konstellation vorstellen können”, verrät die Oboistin Cristina Gómez Godoy. Schließlich steht der Musikerin kein Geringerer als Daniel Barenboim mit dem “West-Eastern Divan Orchestra” zur Seite. Der Dirigent hatte der damals 22-Jährigen den Posten als 1. Solo-Oboistin in seiner Berliner Staatskapelle anvertraut. Wir sprachen mit der Spanierin über Barenboim, Mozart und Strauss – und über die aktuelle weltpolitische Lage.

Der Krieg in der Ukraine lässt die 31-Jäh­rige fassunglos und schockiert zurück. “Das macht mich wirklich sprachlos.” Es falle ihr unglaublich schwer, zu beschreiben, was sie empfinde, erklärt sie. Und das liegt nicht da­ran, dass sie das Gespräch auf Deutsch führt – das nämlich beherrscht sie akzentfrei. Es liegt daran, dass sie als Musikerin sehr genau weiß, dass Musik verbindet. “Musik ist exakt das Gegenteil von dem, was gerade passiert.” In der Musik könne man hören, “dass Gegenstimmen miteinander leben können und müssen. Von der Musik kann man in diesem Sinne nur lernen. Das sollte im täglichen Leben auch so sein.” 

Klar, Musikerinnen und Musiker wissen das in der Regel. Vor allem jene, die sich auf internationalem Parkett bewegen. Doch wenn man in der Berliner Staatskapelle spielt, ahnt man das vielleicht noch ein Stück weit mehr. Zum einen ist Berlin als ehemals geteilte Stadt schon allein wegen der Wiedervereinigung ein Symbol für den Frieden. (Vor dem Hintergrund hatte Cristina Gómez Godoy einmal auf die Frage, bei welchem Ereignis in der über 450-jährigen Geschichte der Staatskapelle Berlin sie gerne dabei gewesen wäre, geantwortet: “Beim ersten Konzert nach dem Mauerfall.”)

Völkervertändigung mit dem West-Eastern Divan Or­ches­tra

Und zum anderen setzt der Dirgent Daniel Barenboim in hohem Maße auf die Musik als Mittel zur Völkerverständigung. Das 1999 gegründete Sinfonieorchester “West-Eastern Divan Or­ches­tra” besteht zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikerinnen und Musikern und setzt sich für friedliche Lösungen im Nahost­konflikt ein. Es gastiert weltweit, hat seinen Sitz heute im spanischen Sevilla. Dass Cristina Gómez Godoy nun die Oboenkonzerte von Strauss und Mozart mit eben diesem Orchester aufgenommen hat, verleiht ihrem Debüt-Album vor dem Hintergrund des Krieges eine zusätzliche Aktualität. Eine Aktualität, die es wahrlich nicht gebraucht hätte. 

Cristina
Foto: Felix Broede

Dass die junge Spanierin einst die Oboe wählte, sei Zufall gewesen. Oder auch Schicksal, lacht sie. Strauss und Mozart waren daran nicht ganz unschuldig. “Ich komme nicht aus einer musikalischen Familie und als ich alte Aufnahmen dieser Konzerte hörte, wollte ich an­fangen, Oboe zu spielen. Wenn ich nur das Glücksgefühl von damals bei anderen Menschen auslösen könnte, wäre mein Wunsch erfüllt.” Für das Album ­wählte die Oboistin die beiden Werke aus, wegen derer sie sich einst in ihr In­strument ver­liebte: das jeweils einzige Oboenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart und Richard Strauss.

Übrigens: Das erste Album, das ihr Vater ihr zu Beginn des Musikstudiums schenkte, enthielt genau diese Konzerte von Mozart und Strauss. Beide Kompositionen eint eine Leichtigkeit und Anmut, die bei Strauss’ Alterswerk fast erstaunt, entstand es doch 1945 direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Vielleicht als er­leich­terte Reaktion darauf? Wie Strauss gibt auch Mozart mit transparenter Orchestrierung dem warmen Klang der Oboe viel Raum und lässt sie singen. In Mozarts Fall wortwörtlich: Er arbeitete die Arie “Welche Wonne, welche Lust” aus dem Singspiel “Entführung aus dem Serail” als Hauptthema in den dritten Satz ein.

Cristina Gómez Godoy schwärmt von Strauss und Mozart

Mit den beiden berühmten Konzerten sei sie “superglücklich”, schwärmt Cristina Gómez Godoy. Die seien sehr schwer, weil doch sehr technisch angelegt. Man brauche dafür eine gute Atemkontrolle und müsse sehr virtuos agieren. “Das verbindet die Werke”, findet sie, obwohl es sich um Werke aus völlig unterschiedlichen Epochen handelt. Mozarts Musik sei so transparent und so rein, dass jede Schwäche oder jeder Fehler sofort auffällt. “Und im Fall von Strauss fragt man sich manchmal, ob er Oboisten gehasst hat”, lacht sie. Strauss sei mit den schier unendlichen und beeindruckenden Melodie­linien sehr schwierig. Schon nach der ersten Partiturseite sei man erschöpft. Cristina Gómez Godoy besticht mit ihrer technischen Souveränität und mit ihrer gefühlvollen Gestaltung der lang­samen Sätze. Der warme, klare Ton ist quasi ihr Markenzeichen. Kritiker attestieren ihr spielerische Vir­tuosität mit künstlerischer Sensibilität mit “wunderbar leichter Natürlichkeit” (“Süddeutsche Zeitung”).

Und doch: Wenn man die Werke so dermaßen gut zu kennen meint – ist das nun leichter oder vielleicht sogar schwerer, diese als Debütaufnahme einzuspielen? Cristina Gómez Godoy überlegt lange. “Beides!”, lacht sie schließlich. Es sei natürlich vorteilhaft, die Werke gut zu ­kennen. “Aber ich habe auch eine große Verantwortung, gerade weil es schon einige Interpretationen gibt.” Und zahlreiche Aufnahmen seien durchaus Vorbilder und Inspirationen. Sich davon zu trennen, sei bisweilen eine komplizierte Herausforderung. Doch unter Druck setzt sie das nicht. Selbstbewusst fügt sie hinzu: “Ich habe so viele Erfahrungen gesammelt, dass ich sicher bin, dass die Aufnahmen zu einem guten Zeitpunkt stattfanden.” Zumal sie ja niemanden kopieren, sondern ihre eigene Stimme präsentieren wolle. 

Inzwischen gastierte Cristina Gómez Godoy als “Rising Star” der European Concert Hall Organisation an den großen Konzerthäusern Europas. In der aktuellen Saison präsentiert sie ihr eigenes Programm am Konzerthaus Dortmund in der auf drei Jahre angelegten Reihe “Junge Wilde”.

Foto: Felix Broede