Die ersten hohen Ventiltrompeten entstanden mehr als 100 Jahre nach dem Tod von Johann Sebastian Bach. Dennoch hießen sie lange Zeit »Bachtrompeten«.
Trompeten der Barockzeit hatten noch keine Ventile. Ihr Tonvorrat war daher auf die Naturtonreihe beschränkt. Erst ab dem etwa achten Naturton aber liegen die Tonhöhen eng genug beisammen, dass eine diatonische Melodie spielbar wird. Erst ab dem etwa zwölften Naturton lassen sich auch chromatische Tonfolgen meistern.
Hoch hinaus mit der Trompete: Das Clarinblasen
In der Barockmusik sind Trompetenstimmen daher häufig sehr hoch notiert. Wie der Trompetenfachmann Friedel Keim aufzeigt, verlangten die meisten Komponisten der Barockzeit – etwa Biber, Corelli, Telemann, Vivaldi – ein Trompetenspiel (»Clarinblasen«) bis hinauf zum 18. Naturton.
In Einzelfällen – etwa bei Caldara, Fux, Richter – war sogar der 22. oder 24. Naturton vorgeschrieben. Auch in Johann Sebastian Bachs 2. Brandenburgischen Konzert ist für die F-Trompete im ersten Satz dreimal das klingende g³ notiert, der 18. Naturton.
Als das Clarinblasen aus der Mode kam und die Trompeter dank der Ventile eine ganz neue »Sprache« entwickelten, waren die hohen Barockpartien für viele von ihnen kaum mehr zu bewältigen. Im 19. Jahrhundert sprang häufig eine hohe Klarinette als Ersatz ein, später gelegentlich auch das Sopransaxofon – zum Beispiel Marcel Mule 1950 in Pau Casals’ rasend schneller Aufnahme des 2. Brandenburgischen Konzerts.
Die Entwicklung der Piccolotrompete
Um die hohen Barockpartien auch auf der Trompete wieder spielbar zu machen, wurden ab 1880 die ersten Piccolotrompeten entwickelt. Der wichtigste Pionier war Julius Kosleck (1825 bis 1905), Trompetenprofessor in Berlin und seinerzeit der populärste deutsche Trompeter. 1885 übernahm Kosleck auf seiner Hoch-A-Trompete die erste Trompetenstimme bei einer Aufführung von Bachs h-Moll-Messe in London.
Die erste Hoch-B-Trompete entwickelte 20 Jahre später Victor-Charles Mahillon (1841 bis 1925), der Begründer des Brüsseler Musikinstrumenten-Museums. Heute baut man Piccolotrompeten von Hoch-D bis hinauf zu Hoch-C (Tonumfang: fis¹ bis a³).
Da die hohen Trompeten vor allem für Bach-Aufführungen gebraucht wurden, nannte man das Instrument anfangs »Bachtrompete«. Adolf Scherbaum, Maurice André, Ludwig Güttler u. a. wurden durch ihre Bach-Interpretationen auf der Piccolotrompete berühmt.
Die Beatles, »Penny Lane« und ein achttaktiges Trompetensolo
Die vielleicht populärste Originalpartie für die Piccolotrompete stammt aus dem Januar 1967 – und sie hat indirekt ebenfalls mit dem 2. Brandenburgischen Konzert zu tun. Die Beatles arbeiteten damals im Studio tagelang an ihrem Song »Penny Lane«.
Kurz vor seiner Fertigstellung hörte Paul McCartney abends auf BBC eine Aufführung des 2. Brandenburgischen Konzerts mit David Mason an der Piccolotrompete. Mason wurde umgehend ins Studio in der Abbey Road bestellt, wo McCartney ihm ein paar Töne auf dem Klavier vorspielte.
Der Beatles-Produzent George Martin, ein studierter Musiker, notierte die Töne für den Trompeter, und David Mason blies sie auf der Hoch-A-Trompete. Das Ergebnis waren acht Takte Trompetensolo mitten im Song »Penny Lane« (von 1:10 bis 1:25), eine virtuose kleine Diskant-Fanfare. Die Prozedur soll volle drei Stunden gedauert haben.
Produzent Martin erzählte später: »Es war eine schwierige Session, und zwar aus zwei Gründen. Erstens ist diese kleine Trompete ein Teufel, was saubere Intonation angeht, weil sie nicht einmal in sich selbst richtig stimmt, sodass der Spieler jeden Ton mit dem Ansatz korrigieren muss. Und zweitens hatten wir ja gar keine Musik vorbereitet.
Aber das Ergebnis war einzigartig – so etwas war nie zuvor in der Rockmusik gemacht worden. Es gab ›Penny Lane‹ einen ganz eigenen Charakter.« Die Single erschien im Februar 1967 und wurde in vielen Ländern ein Nummer-eins-Hit. David Mason erhielt für sein Solo 27 britische Pfund.