Wood | Von Dirko Juchem

Die richtige Atmung ist Voraussetzung für einen schönen Ton

Atmung
Abb. 1: Stell dir vor, der Daumen wäre eine Kerze, die du ausblasen willst. Spürst du den Luftstrom?

Immer wieder erlebe ich in meinen Saxofon-Workshops Teilnehmende, die schon sehr gut und ansprechend spielen, aber mit ihrem Sound insgesamt noch nicht so ganz zufrieden sind. Da klingt der Saxofonton womöglich etwas hart und gepresst, Töne “kieksen” und beim genaueren Hinschauen sieht man vielleicht sogar, dass die Lippen (und der Unterkiefer) sehr angespannt sind oder der Hals verkrampft ist. In den allermeisten Fällen haben all diese Fehler ihren Ursprung in einer schlechten Atmung.

Um es einmal ganz simpel auszudrücken: zum Saxofonspielen brauchen wir viel Luft und auch den nötigen Druck. Ist der Druck von der Ausatmung her nicht stark genug, beginnt man automatisch diesen fehlenden Druck woanders herzuholen und das geschieht dann meistens durch eine übermäßige Spannung in den Lippen und dem Unterkiefer, oder mit dem Hals. Da macht es also auch keinen wirklichen Sinn, sich mit dem Ansatz oder der Lippenstellung zu beschäftigen, solange die Atmung noch nicht wirklich zufriedenstellen ist.

Die Einatmung

Schauen wir uns zuerst einmal die Einatmung an: Wichtig ist da zunächst einmal eine tiefe Einatmung. Beim Einatmen dehnt sich die Lunge aus. Bei vielen Menschen tut sie das aber leider nur “nach vorne” und wir sehen dann, wie sich der Brustkorb ein wenig weitet – man spricht hier von einer “flachen” Atmung oder von einer “Brustatmung”.

Für das Saxofonspielen ist es wichtig, dass wir möglichst unser komplettes Atemvolumen ausnützen und dies geschieht, indem wir nicht nur “nach vorne” einatmen, sondern auch “nach unten”: Die Lunge dehnt sich dann auch nach unten hin aus, dadurch wird der Bauch nach außen gedrückt. Wir sehen also, wie der Bauch größer (“dicker”) wird und sprechen deshalb von einer “Bauchatmung”. Optimal ist die Einatmung, wenn sogar die Flanken ein wenig nach außen gehen. Dies kannst du erfühlen, indem du deine Hände an den Flanken auflegst (seitlich unten am Rücken) und fühlst, ob sich die Flanken beim Ein- und Ausatmen bewegen.

Vergleich mit dem Wasserglas

Bei der vollen Atmung versuchen wir, das Atemvolumen ganz auszunutzen: Beim Einatmen füllt sich die Lunge zuerst nach unten hin und wir sehen, wie der Bauch nach vorne geht und sich die Flanken füllen. Danach füllt sich die Lunge nach oben hin und der Brustkorb wird größer. Man könnte das in etwa mit einem Wasserglas vergleichen, das sich immer von unten nach oben füllt.

Eine simple Übung:

Weil vielen Saxofonistinnen und Saxofonisten gerade die Vorstellung für die Bauchatmung schwer fällt, will ich hier eine ganz simple Übung zeigen: Leg dich auf den Rücken und lege dir ein paar schwere Bücher auf den Bauch. Diese sollen beim Einatmen hoch gehen und beim Aus­atmen wieder runterkommen. Du kannst auch deine beiden Hände flach auf den Bauch legen und beobachten, ob der Bauch beim Atmen hoch und runter geht. Und wenn du die Übung nicht so gerne im Liegen machen willst, kannst du dich vor einen Spiegel stellen, die Hände auf den Bauch legen und im Spiegel beobachten, ob und wie sich der Bauch bewegt.

Die Ausatmung – oder: Der Dudelsack

Und nun kommen wir zur Ausatmung: Wie bereits erwähnt brauchen wir für die Ausatmung einen gewissen Druck, damit der Luftstrom und damit auch der Saxofonton stabil ist. Dies können wir uns gut anhand eines Dudelsacks vorstellen: Beim Dudelsack bläst man die Luft durch das obere Anblasrohr in den Luftsack und drückt mit dem Arm die Luft aus dem Sack in das Spielrohr. Hierbei brauchen wir mit dem Arm einen stabilen und gleichmäßigen Druck, damit der Ton kräftig und schön klingt. Vielleicht hast du schon einmal gehört, wie in der Dudelsackmusik am Ende eines Liedes der Ton auf einmal ganz schlapp wird. Dies liegt daran, dass der Dudelsackspieler oder die Dudelsackspielerin am Ende eines Songs aufhört, mit dem Arm zu drücken, dadurch lässt der Luftdruck im Spielrohr nach und der Klang wird auf einmal ganz “schlapp”.

Auch beim Saxofonspielen brauchen wir den gleichmäßigen Druck und dafür ist das Zwerchfell zuständig: Das Zwerchfell ist ein Muskel, den wir aber leider nicht bewusst wahrnehmen und auch nicht bewusst betätigen können. Das Zwerchfell kommt aber öfter zum Einsatz, als man manchmal denkt: nämlich beim Schnuppern (diese ruckartige Bewegung, mit der wir Luft einziehen), beim Hecheln… und leider auch beim Schluckauf (eine Verkrampfung des Zwerchfells).

Ein paar hilfreiche Bilder

Weil wir das Zwerchfell nicht bewusst wahrnehmen können, wollen wir uns mit ein paar Bildern behelfen:

1. Stell dir vor, du hast ein kleines Segelschiffchen gebastelt und willst dieses auf dem Baggersee segeln lassen. Du wirst ganz tief ein­atmen (“volle Atmung”) und mit viel Druck und einem dicken und festen Luftstrom gegen das Segel blasen. Dieser Druck kommt vom Zwerchfell.

2. Oder du hast Geburtstag und willst die Kerzen der Geburtstagstorte ausblasen – da wirst du das Gleiche tun: tief einatmen und mit viel Druck gegen die vielen Kerzen blasen.

3. Nun stellen wir uns vor, wir haben nur eine einzige Kerze, diese ist aber eine Armlänge entfernt. Du wirst wieder tief einatmen und mit viel Druck, aber diesmal mit einem dünnen und fokussierten Luftstrom, gegen die Kerze blasen. 

Du kannst dies ganz praktisch ausprobieren, indem du den Arm nach vorne hin weg streckst und den Daumen hoch hältst, als sei dieser deine Kerze (siehe Abb. 1). Wenn du beim “Ausblasen” den Luftstrom spürst, dann ist das schon ein gutes Zeichen.

4. Beim Saxofonspielen geht das im Prinzip genauso, wie in unserem vorherigen Bild: Du atmest tief ein (“volle Einatmung”) und bläst die Luft in einem festen und fokussierten Strahl in dein Mundstück.

Wie kann man das üben?

Eine sehr gute Frage! Als Trockenübung kannst du natürlich immer wieder die oben beschriebene Übung (Bücher auf den Bauch legen) oder eins der eben beschriebenen Bilder ausprobieren (hier eignet sich besonders Bild Nr. 3). 

Wenn du die Atmung gerne mit deinem Saxofon trainieren willst, dann empfehle ich dir lange Töne. Nehmen wir zunächst einmal einen relativ leichten Ton, das mittlere H: Atme tief ein (“volle Atmung”) und versuche, das H in einer mittleren Lautstärke (also nicht zu laut) lange und gleichmäßig zu halten. Achte darauf, dass der Ton nicht wackelt oder zittert, denn Wackeln und Zittern sind ein Zeichen dafür, dass du die Luft nicht gleichmäßig mit dem Zwerchfell in dein Saxo­fon “drückst”. Je gleichmäßiger du den Ton halten kannst, desto besser arbeitet dein Zwerch­fell.

Atmung

Danach kannst du den nächsten Ton nehmen: Du könntest zum Beispiel Ton für Ton in einer Tonleiter runter oder hoch gehen (siehe Notenbeispiel) – oder du suchst dir einfach ein paar Töne in der mittleren Lage aus und dann ein paar ganz tiefe und ein paar ganz hohe Töne. Wenn du es bei dieser Übung schaffst, die Töne ganz gleich­mäßig zu spielen (ohne Zittern oder Verkrampfungen), dann ist das ein gutes Zeichen und zeigt dir, dass du die Luft mit dem Zwerchfell ganz gleichmäßig in dein Saxofon drückst.

Wie zu Beginn beschrieben haben viele Ansatzfehler ihren eigentlichen Ursprung in der Atmung, deshalb möchte ich dir diese Erklärungen und Übungen sehr ans Herz legen. Hast du deine Atmung im Griff, dann kannst du daran gehen, auch deinen Ansatz zu optimieren.

Dabei wünsche ich dir viel Spaß!

Dein Dirko

Dirko Juchem

Dirko Juchem 

ist als Live- und Studiomusiker ebenso gefragt wie als Autor zahlreicher Saxofon- und Flöten-Bücher. Auf der Bühne und im Studio hat er schon mit bekannten Größen wie Rolf Zuckowski, Thomas Anders und Barbara Dennerlein gearbeitet, auf internationaler Ebene mit der amerikanischen Jazzsängerin Sarah K. und Weltstar Paul Anka.

Unter seinen zahlreichen Buchveröffentlichungen ist besonders “Saxophon spielen – mein schönstes Hobby” hervor­zuheben, das sich inzwischen zu einer der meistverkauften Saxofonschulen in Deutschland entwickelt hat, aber auch die beliebten Mitspielhefte aus seiner “Schott Saxophone Lounge”-Reihe.

2008 wurde Dirko Juchem mit dem Europäischen Medienpreis ausgezeichnet, 2013 mit dem Burgener Kulturpreis.

www.dirko-juchem.de

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