Wood | Von Hans-Jürgen Schaal

Die Sackpfeife. Das Stichwort

Sackpfeife
Foto: simple / Pixabay

Dudelsäcke sind Blasinstrumente. Sie haben Rohrblätter, Grifflöcher, schwingende Luftsäulen. Und dann haben sie noch einen Luftsack. Und er ist es eigentlich, der ins In­stru­ment bläst.

Wie, wo und warum die Sackpfeife ­entstanden ist, weiß man nicht. Ging da etwa einem Schalmeienbläser im Alter die Luft aus, weshalb er einen Windsack brauchte? Oder konnte er eines Tages keinen Bordunspieler als Partner finden und wünschte sich deshalb eine zusätzliche Pfeife am Instrument? Alfred Hitchcock hatte seine eigene Theorie: “Der Erfinder der Sackpfeife bekam seine Inspiration, als er einen Mann sah, der ein wütendes, asthmatisches Schwein unter dem Arm trug.” So viel ist jedenfalls richtig: Man trägt den Dudelsack unterm Arm, denn mit dem Arm (meist dem linken) wird die Luft aus dem Sack in die diversen Pfeifen gedrückt. Vorher muss die Luft allerdings in den Sack hinein – und da bläst der Sackpfeifer meistens noch selbst. Nur in Ausnahmefällen lässt sich das ebenfalls mit dem Arm (dem rechten) oder dem Fuß erledigen. 

Dudelsäcke gibt es in ganz Europa, von Irland bis Griechenland, von Portugal bis Russland. Auch in Nordafrika, Vorderasien und Indien sind sie traditioneller­weise anzutreffen. Es scheint, dass das Vorkommen des Instruments ursprünglich überall mit Schäfer- und Hirtenkulturen zusammenhängt. Schon der griechische Historiker Strabon behauptete, das Spiel der Sackpfeife mache Schafe fett und schütze sie vor dem Wolf.

Um 1800 schrieb der Schafzüchter F. W. von Hastfer, dass Schafe “vor andern Thieren insbesonderheit die Musique lieben”, weshalb die Schäfer “mit gewissen Stückchen auf ihrer Sackpfeifen sie zusammen halten, selbige an sich rufen, und wieder wegtreiben”. Das Tier steckt schon im Instrument selbst drin. Denn nicht nur, dass der Ton des Dudelsacks mit dem Geschrei von Schweinen, Gänsen, Eseln usw. verglichen wurde – der Luftsack wird herkömmlicherweise aus Tierhaut gefertigt, vorzugsweise dem Leder von Schafen oder Ziegen. In vielen Ländern ist der Name des Dudelsacks abgeleitet vom dortigen Wort für “Fell”, “Haut”, “Esel”, “Ziege”, “Ziegenbock” oder “Maultier”.   

So vielfältig die Namen, so zahlreich die Bau­typen der Sackpfeife

So vielfältig die Namen, so zahlreich die Bau­typen. Der Musikwissenschaftler John Henry van der Meer unterscheidet grundsätzlich zwischen Sackpfeifen mit einfachen Rohrblättern, solchen mit doppelten und solchen mit gemischten Rohrblättern, aber auch zwischen solchen mit konischer und zylindrischer Pfeifenbohrung. In Westeuropa dominieren die doppelten Rohrblätter, in Osteuropa die einfachen. Van der Meer unterscheidet außerdem nach Sackpfeifen mit einer einzigen Spielpfeife, mit doppelt gebohrter Spielpfeife, mit zwei parallelen Spielpfeifen, mit zwei getrennten Spielpfeifen, mit Spielpfeife und Stimmer (Bordunpfeife oder “drone”), mit mehrfach gebohrter Spielpfeife und Stimmer, mit Spielpfeife und zwei Stimmern, mit zwei Spielpfeifen und zwei Stimmern usw. Schon Michael Praetorius kannte 1619 sechs grundsätzliche Typen von Dudelsäcken, darunter den Bock, das Hümmelchen und den Dudey.

Die früheste erhaltene Darstellung einer Sackpfeife stammt aus dem Hethiterreich um 1200 v. d. Z. Das Prinzip aber könnte noch um Jahrtausende älter sein. Auch wenn es Ausnahmen gibt: Typisch für die Dudelsackmusik sind die große Lautstärke, der nicht formbare, nicht abreißende Ton und die Begleitung der Melodie durch die Bordunpfeife. Diese Wesenszüge stoßen nicht immer nur auf Begeisterung. Speziell im englischsprachigen Raum kursieren unzählige Witze über das Instrument. Der Schriftsteller Neal ­Stephenson meint, Dudelsackmusik gehöre neben Whisky, Zigarren und Wollpullovern zu den schlimmsten Reizungen des menschlichen Körpers. Der Meisterflötist James Galway verglich das Hineinblasen in eine Sackpfeife mit dem Aufpusten eines Tintenfischs. Und der Schriftsteller Jack Finney schrieb: “Du musst nur ein Dudelsackstück hören, dann kennst du beide.”

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink