Brass, Wood | Von Klaus Härtel

Die schwingende Luftsäule

Beim Saiteninstrument vibriert die Saite, bei der Trommel die Bespannung. Beim Blasinstrument aber schwingt nicht das feste Material, sondern die Luft im Instrument.

Länge, Dicke und Verlauf der schwingenden Luftsäule werden von der Hohlform eines Blasinstruments vorgegeben. Die schwingende Luftsäule im Instrument reicht vom Mundstück bis zum Schalltrichter (oder ein Stück darüber hinaus) bzw. bis zum ersten offenen Fingerloch. 

Druckwellen und Druckknoten

Zwischen diesen beiden Punkten wandert eine sinusförmige Druckwelle hin und her. Physiker sprechen dabei von einer »stehenden Längswelle mit Druckknoten an beiden Enden«. Bei der Hälfte der Welle wird am unteren Ende der Luftsäule der erste Druckknoten erreicht, von dort läuft die Welle zurück zum Mundstück. 

Die Druckwelle ist also grob gesagt doppelt so lang wie die beanspruchte Schallröhre des Instruments. Wenn wir den Blasdruck erhöhen, kann sich in der stehenden Längswelle ein zusätzlicher Druckknoten bilden. Damit wird eine höhere Teil­schwingung dominant – und wir überblasen das Instrument. 

Bei besonders eng gebohrten zylindrischen Instrumenten (zum Beispiel Klarinette, Krummhorn, Duduk) bildet sich am unteren Ende kein Druckknoten – die »geschlossene« Röhre funktioniert wie eine gedackte Orgelpfeife. In diesem Fall entsteht der ­erste Druckknoten erst bei der »Rückkehr« der Welle am Mundstück. 

Dadurch wird die Druckwelle viermal so lang wie die dafür benötigte Schallröhre. Und weil sich am unteren Ende kein Druckknoten bilden kann, lässt sich die Wellenlänge auch nicht halbieren. Beim Überblasen springt die Klarinette daher nicht in die Oktave, sondern in den nächsten Oberton, die Duodezime.

Die Länge der Schalwelle

Die Länge der Schallwelle im Instrument kann man übrigens leicht benennen. Man teilt dafür die Schallgeschwindigkeit (343,2 m/s) durch die Frequenz des gespielten Tons (zum Beispiel das kleine es = 155,5 Hz) und erhält so die Länge der Welle in Metern. Das sind beim kleinen es: 2,20 Meter, beim Kammerton a¹: 78 Zentimeter.

Wie die Luftsäule ins Schwingen gerät

Um ins Schwingen zu geraten, benötigt die Luftsäule im Instrument eine Anregung. Dieser Schwingungserzeuger oder An­regungs­mechanismus ist das Mundstück, das wir anblasen. Der Kantenton der Flöte, der Zungenton der Rohrblätter oder die Vi­bra­tion der Lippen bei Blechbläsern liefern die Energie für den »Lufthohlraumresonator«, die vibrierende Luft in der Röhre. 

Die Schwingung im Hohlraum des Instruments dominiert die Ausgangsschwingung am Mundstück, die sich der Luftsäule anpasst – ein gekoppeltes System. Beim Blechblas­instrument geschieht diese Anpassung aller­dings nicht automatisch: »Der Bläser muss die Vibration seiner Lippen in die Nähe der gewünschten Frequenz bringen, um die richtige Tonhöhe zu erzeugen«, schreibt der Physiker Juan Roederer. Das hat den Vorteil, dass man am Blechblasinstrument den Ton der schwingenden Luftsäule mit den Lippen gut korrigieren kann.

Klangverhalten und Klangfarbe

Auch die Beschaffenheit des Mundstücks (Bahn, Kammer, Material) und die Anatomie des Bläsers (Mundhöhle, Nebenhöhle, Lunge) nehmen Einfluss auf das Klangverhalten eines Blasinstruments. Vor allem aber hängt die Klangfarbe – also das Obertonspektrum – vom Formverlauf der schwingenden Luftsäule ab. 

Die Instrumentenbauer haben daher mit vielen Varianten experimentiert. Der Hohlraum der Flöte kennt parabolische und zylindrische Abschnitte, Trompete und Posaune besitzen konische Elemente im zylin­drischen Rohr, das Saxofon hat para­bolische Wölbungen im konischen Verlauf. 

Je enger die Röhre für die schwingende Luftsäule ist, desto mehr hohe Obertöne klingen mit und machen den Sound in der Höhe scharf und strahlend (Trompete, Klarinette). Ist der Hohlraum weit, wird der Ton weicher und schwammiger (Flügelhorn, Saxofon). 

Instrumente mit kleinen Tonlöchern brauchen übrigens eine größere Schall­stürze, damit die Schwingung der Luftsäule sich besser an die umgebende Luft über­tragen kann.