Orchestra | Von Klaus Härtel

Die Supergroup der Blasmusik

Supergroup
Foto: Raphael Mittendorfer

Die “Supergroup” sorgte und sorgt für Furore. Thomas Gansch versammelte dafür Blasmusikkollegen von “Ernst Hutter und die Egerländer Musikanten”, “Mnozil Brass”, vom “Blechhauf’n”, “LaBrassBanda”, von den Wiener Philharmonikern, dem Vereinigte Bühnen Orchester und dem Kärntner Symphonieorchester um sich und fing einfach an zu spielen. Der Grund ist eigentlich ganz einfach: “Blasmusik hat viel zu sagen!” Zu sagen haben auch die Protagonisten. Wir trafen uns vor dem Konzert in Rosenheim mit Thomas Gansch, Christoph Moschberger, Albert Wieder und Matthias Schorn

Der Begriff “Supergroup” ist kein geschützter. Die Band “Cream” mit Eric Clapton, Jack Bruce und Ginger Baker aus dem Jahr 1966 ist gewissermaßen der Urvater dieser Art Musikerformation. Auch “Die drei Tenöre” mit Plácido Domingo, Luciano Pavarotti und José Carreras gelten als “Supergroup”. “Im Grunde ist beides dasselbe”, findet Thomas Gansch. “Man holt sich aus verschiedenen, tollen Gruppen Leute und macht daraus eine ‘Supergroup’. Das ist das Prinzip.” Und genau das hat er gemacht. 

Thomas, wie bist du auf diese Idee gekommen, eine “Supergroup” zu realisieren?

Das war ein Kindheitstraum. Mein Bruder und ich reden seit 30 Jahren darüber. Wir wollten die besten Leute zusammentrommeln und dann diese Musik spielen. Das ist die Musik, die wir von unserem Vater mitbekommen haben: eine spezielle Ära der tschechischen Blasmusik. Groß, fast sinfonisch und orchestral. Das ist Musik des Zentralorchesters der Tschechischen Volksarmee, den Supraphon-Platten oder Amati Kraslice. Das ist Musik der großen Komponisten Zeman, Juchelka und natürlich Fučík. Die Literatur ist so schwer, die wird kaum gespielt. Und sie macht wahnsinnig viel Freude mit so einer Besetzung.

Ist es auch dein Ziel, diese Musik etwas zu “entstauben”?

Thomas Gansch: Ein Mal habe ich in den 1980ern das Zentralorchester gehört. In einem Zelt bin ich vor ihnen gesessen und habe meinen Ohren nicht getraut. Ich habe diese Musik im Alltag sonst nie gespielt gehört. Immer nur von Platten. Und jetzt machen wir das Projekt und meine Mama kam nach dem ersten Konzert zu mir und sagte “Weißt du Thomas, wenn ich die Augen zugemacht habe, dachte ich, da sitzen die Tschechen.” Das war das größte Kompliment, was ich je bekommen hab können zu diesem Projekt.

Supergroup
Klaus Härtel (2. von links) im Gespräch mit (von links) Christoph Moschberger, Thomas Gansch, Albert Wieder und Matthias Schorn
Ihr seid etwas jünger als der Bandleader – wie habt ihr diese Musik kennengelernt? 

Christoph Moschberger: Ich kannte die Musik ehrlicherweise gar nicht. Durch die Blechhauf’n-Jungs habe ich sie entdeckt. Mit dem Repertoire an sich hatte ich bisher kaum Kontakt. Ich glaub, ich habe drei Nummern gekannt. Eine neue Welt, die sich hier eröffnet und die ist megageil.

Albert Wieder: Bei ist es ähnlich. Ich kannte vom Zentralorchester ein paar Sachen, aber so richtig habe ich erst durch Thomas erfahren, was das für ein Universum ist. Da sind unglaubliche Kompositionen dabei, die nie verlegt oder aufgenommen wurden. Da gibt es sicherlich noch für einige Konzerte Programm!

Ist es euer der Wunsch, diese Musik ein bisschen ins rechte Licht zu rücken? Salonfähig zu machen?

Thomas Gansch: Das allerwichtigste ist mir das Menschliche. Ich mag mit Leuten spielen, mit denen ich mich gut verstehe und die sich untereinander gut verstehen. Natürlich müssen die alle super spielen, bei so einem Programm sowieso, aber an erster Stelle steht das Menschliche. Bei Blasmusik geht es um diese Kommunikationsebene oberhalb der Sprache. Solch eine Kapelle mit 20 Leuten ist auch ein Abbild der Gesellschaft. Wir haben alles drin, alle haben verschiedene Ansichten über das Leben. Aber wir treffen uns und nichts davon ist mehr ein Thema, weil wir alle gemeinsam schöne Musik machen. Für mich ist das ein wichtiger Faktor. Ich will also weniger versuchen, die Blasmusik ins rechte Licht zu rücken, als vielmehr uns untereinander wieder zu spüren. Nach diesen letzten zweieinhalb Jahren, in denen scheinbar alles nur noch ein Entweder-oder war. Wir alle haben wirklich verschiedenste Ansichten zum Impfen, zum Krieg, zur Welt. Aber das ist alles egal, weil wir etwas gemeinsam machen, das uns verbindet. Auch braucht es eine Alternative zu “Woodstock” und Co., wo es nur um Party geht. Es ist wichtig, dass man tolle Musik mit tollen Musikern in einem Rahmen spielt, in dem die Leute zuhören. Das ist mir wichtig. Man muss nicht schon besoffen zum Konzert kommen. Man kann auch erst danach Party machen. Oder man trinkt gar nichts. Es besteht keine Saufpflicht.

Wie entstand die Besetzung? Gab es eine Wunschliste und die wurde nacheinander abtelefoniert?

Thomas Gansch: Ja. Wir hatten eine Short-List, alles im Kopf besetzt. Dann haben wir alle angerufen und jeder Einzelne hat zugesagt. Und damit war es erledigt.

Albert Wieder: Es gibt keine B-Besetzung.

Thomas Gansch: Es gibt allerdings eine Ersatzbank, die schon mit den Füßen scharrt und wartet, bis endlich mal wer krank wird (lacht)

Stand überhaupt die Überlegung im Raum, nicht zuzusagen?

Matthias Schorn: Für mich war das gar keine Frage. Wenn Thomas was macht, bin ich immer gerne dabei. Das ist jedes Mal was Besonderes. Ich bin seit langer Zeit ein Fan von ihm und man kann viel voneinander lernen.

Eine Supergroup dürfte organisatorisch schwierig zu handhaben sein, oder? Allein die Terminsuche… 

Thomas Gansch: Durch Corona war das nicht so schwer, wurde ja eh alles abgesagt … Es wird ohnehin weit im Voraus geplant. Das heutige Konzert ist seit zweieinhalb Jahren geplant und eigentlich auch verkauft. Ein Problem durch die Pandemie ist der Vorverkauf generell. Wenn ein Veranstalter einen großen Saal mietet, der viel Miete kostet, kann er nicht noch zehn Tage vor dem Konzert hoffen, dass Leute kommen. Wir hatten glücklicherweise bis auf gestern immer ausverkauft, aber es wird immer schwerer kalkulierbar.

Wird es eine Fortsetzung der Blasmusik “Supergroup” geben?

Thomas Gansch: Ursprünglich war es als einmaliges Projekt geplant. Denn es ist dermaßen groß, dass es organistatorisch sehr aufwendig ist. Nächstes Jahr spielen wir noch vier Mal und beim Woodstock den krönenden Abschluss. Mittlerweile aber ist die Stimmung gekippt und es gibt einen Tourplan für 2024. Es gibt einfach so viel Repertoire.

Wer wählt das Repertoire eigentlich aus? Hat die Mannschaft Mitspracherecht?

Thomas Gansch: Das ist eine Diktatur. (Alle lachen). Nein: Wer was mitbringt, das spielen wir dann auch. Ideen haben wir alle viele. Ich selbst hab auch 10 000 Ideen. Aber wir müssen sie auch umsetzen. Wir haben einige Komponisten in unseren Reihen. Schiffko organisiert Noten in Tschechien und hat ohnehin sehr viele Originale daheim rumliegen. Sebastian Höglauer schreibt und arrangiert sehr viel. Von ihm sind auch einige Schätze. Es gibt eine tschechische Platte mit ausschließlich Musik für die Olympischen Spiele in Moskau 1980. Da sind nur so arge Sachen drauf! Und einen davon hat Wasti dahergebracht. Das ist jetzt der Schlussmarsch unseres Programms, weil der ist so unfassbar geil. 

Sind eigentlich auch Plattenaufnahmen geplant?

Thomas Gansch: Am Mittwoch nehmen wir das Konzert in Linz auf. Ich sehe zwar den Sinn von CDs nicht mehr so ganz – aber auf allgemeinen Wunsch wird das aufgenommen.

Nun ist die “Supergroup” recht blechlastig. Wie fühlt man sich da als Holzbläser?

Matthias Schorn: Super. Natürlich haben wir drei betroffenen Kollegen am Holz oft gedacht, ob sich das ausgeht… Wir sind manchmal etwas lästig und bitten die Blechbläser immer wieder, die kleinen »p« in den Noten ernst zu nehmen. Aber das spüren wir doch alle, dass die großen Momente noch größer sind, wenn man vorher wirklich leise spielt. Und es funktioniert!

Christoph Moschberger: Das Repertoire lässt einfach auch zu, dass man akustisch spielt. Es ist einfach sehr kammermusikalisch geschrieben. Wenn die Klarinetten glänzen, ist es meistens so geschrieben, dass auch der nötige Platz ist. In einer klassischen Polka gibt es oft das verzierende Element in den Hölzern. Und wenn 15 Blechbläser Gas geben, müsste man das Holz fast schon verstärken… Ich war erstaunt, als wir letztes Jahr im Konzerthaus gespielt hatten, dass das wirklich funktioniert hat.

Thomas Gansch: Ich finde es total schön, dass bei uns nicht jeder ein Mikro hat und alles gleich laut gemischt und auf Kompression abgestimmt ist. Denn dadurch gehen meiner Meinung nach die Nuancen verloren. Und das braucht diese Musik! Das alles muss einfach atmen.

Wie sieht denn dann ein Soundcheck aus?

Thomas Gansch: Der ist eher dafür da, dass wir uns an den Raum gewöhnen, in dem wir spielen. Wir lernen, mit dem Raum umzugehen. Wie laut kann man spielen, wie leise geht es sich aus? Heute zum Beispiel können wir sicher nicht so Gas geben, wie gestern, weil es gestern sehr trocken war. Heute scheppert der Raum mehr. Alle befinden sich hier im Zuhörmodus. Und es wird jeden Tag besser.

Die Musiker kommen alle aus unterschied­lichen Ensembles und Orchestern. Gibt es Dinge, die ihr aus der “Supergroup” wieder mitnehmt in die Stammformationen?

Albert Wieder: Man merkt, dass es hier besser geht, als bei den anderen (lacht). Spaß beiseite: Bei jedem Projekt lernt man etwas dazu. Wenn ich etwa mit Holger und Stefan spielen kann, ist es manchmal einfach nur beglückend.

Matthias Schorn: Hier sitzen plötzlich wieder 20 spielende Kinder auf der Bühne. Und wenn man von der Bühne runterkommt, stehen alle da und lächeln und haben eine wahnsinnig positive Ausstrahlung. Das nehme ich sehr mit. Alle wissen das, wenn man viel macht, gerät das Spielen manchmal etwas in den Hintergrund. Gerät vielleicht sogar ins Arbeiten. Aber so ein Gefühl hatte ich bisher noch bei keinem einzigen unserer Konzerte. 

Thomas Gansch: Ich habe eine diebische Freude daran, solche Kapellen zusammenzustellen. Und ich will – das habe ich von meinem Vater gelernt – immer von den Besten lernen. Ich gehe da als Schlechtester rein und will mich entwickeln. In der Tat ist es so, dass ich in dieser Trompeten- und Flügelhorn-Section nicht besonders auffalle. Das ist sehr geil. Starker Tobak, was dort gespielt wird.

Es ist vermutlich ein Klischee, dass ein Trompeter gerne auffallen möchte. Aber trotzdem: Gibt es unter den Trompetern Konkurrenzdenken, Neiddebatten?

Thomas Gansch: Noch nicht, aber es kann ja noch werden (lacht). Das menschliche Ego ist unendlich, aber bis jetzt ist es ein sehr familiärer Umgang. Ich freue mich immer wahnsinnig, wenn neben mir jemand durchdreht. Das gefällt mir ja. 

Christoph Moschberger: Mir geht es ähnlich. Es wirft jeder was ins Becken rein und man kann sich einfach mitfreuen. Ich sitze im Epizentrum, hinter mir drei Stiere. Jeder hat eine diebische Freude. Es tut manchmal fast weh, weil es so laut und energetisch ist, aber es macht einfach Spaß. Es spielt sich auch keiner in den Mittelpunkt. Meiner Erfahrung nach gibt es bei guten Leuten nie ein Egoproblem. Was dieses Projekt so speziell macht, ist, dass Thomas das Ganze so losgelassen hat. Wir haben das gesichtet und dann hat er darauf vertraut, dass da diese 20 Leute sitzen und einfach machen. Es kamen selten Ansagen, wie man etwas zu spielen habe. Es wird dirigiert, wenn’s nötig ist, aber ansonsten lässt man diesen Haufen von Individualisten sich finden. Das ist extrem geil. Deswegen ist es auch immer anders. Der ganze Koloss ist plötzlich flexibel. 

Termine

  • 27. Mai AT-Raiding Lisztzentrum
  • 28. Mai AT-Bad Schallerbach Atrium
  • 02. Juli AT-Ort im Innkreis, Woodstock der Blasmusik

ganschathome.com/projekt/blasmusik-supergroup

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Foto: Raphael Mittendorfer