Brass, Szene | Von Hans-jürgen Schaal

Die Wärme in der Höhe – Abschied vom Trompeter Lew Soloff

Ersten Ruhm erntete er mit der Rockband Blood Sweat & Tears. Später war er einer der meistbeschäftigten Studiobläser in New York. Dann ging es mit der Studioszene abwärts – und bei Lew Soloff explodierte die Lust an der kreativen Improvisation.

Sein Vater war reisender Tänzer und Komiker. Die Familie kam oft in die Hotels, wo der Vater auftrat, und meist spielten dort mehrere Bands. Lew mochte als Jugendlicher vor allem die Latin Bands mit den virtuosen Trompetern. Mit 19, als er schon an der Eastman School of Music studierte, fiel ihm plötzlich ein, dass er aber schon viel früher für die Trompete geprägt worden war. Sein Onkel Jesse hatte ihm nämlich schon im Kindesalter Jazzplatten vorgespielt. »Ganz plötzlich begann ich Roy Eldridges Solo über ›After You’ve Gone‹ vor mich hin zu singen«, erzählte Lew Soloff gerne. »Und ich sang es Ton für Ton, während ich vom College nach Hause ging, dabei hatte ich es nicht mehr gehört, seit ich fünf Jahre alt war. Und dann sang ich ein Louis-Armstrong-Solo oder zwei, die ich ebenfalls von damals kannte. Und ich sagte mir: Deshalb habe ich mich für die Trompete entschieden! Ich hörte als kleines Kind Roy Eldridge und Louis Armstrong! Kann man mehr Glück haben?«

Seine Lehrer hielten viel von seinem Talent und planten für ihn eine Karriere in der klassischen Musik. Aber Lew Soloff zögerte. Er hatte immer ein wenig Angst davor, im richtigen Augenblick den richtigen Ton – und nur diesen – produzieren zu müssen. »Ich liebe die Freiheit der Improvisation, ich wollte nicht der 1. Trompeter in einem Sinfonieorchester sein. In der klassischen Musik ist der kleinste Fehler schon ein Fehler. Ich fühlte mich da nie relaxt.« Statt­dessen ging er 1965 – mit 21 Jahren – nach New York, spielte bei der Radio City vor, wurde in die Latin-Bands von Vincent Lopez und Machito empfohlen, kam dann auch bei den großen Jazz-Orchestern unter, bei Thad Jones, Gil Evans, Clark Terry, Joe Henderson. »Damals war ich noch einer von wenigen, die gleichermaßen Lead-Trompete, Improvisation und Klassik beherrschten. Heute können das viele.«

Der Trompeter als Rockstar

Eines Tages fragte ihn der Saxofonist Fred Lipsius, ob er auch Lust habe, bei einer neuen Rockband die Lead-Trompete zu spielen. Lew Soloff lehnte ab, der Kollege ­Randy Brecker bekam den Job. Die erste Platte der Band erschien 1968 und war nicht besonders erfolgreich. Lew Soloff aber gefiel sie, besonders der Song »I Can’t Quit Her«. Als Randy Brecker ein Angebot von Horace Silver erhielt und die Band wieder verließ, bewarb sich Soloff als sein Nachfolger.

Artikel in voller Länge als PDF downloaden