Brass | Von Hans-Jürgen Schaal

Die Wagnertuba. Das Stichwort

Wagnertuba
Eine F/B-Wagnertuba von Gebrüder Alexander Mainz (Foto: Zanetta - Eigenes Werk, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9923713)

Die Vision einer “Horntuba” hatte Richard Wagner vermutlich 1853 in der Schweiz. Es sollte aber über 20 Jahre dauern, ehe die Instrumentenbauer erste Lösungen anboten: Die Wagnertuba.

Wagner ist laut. Der Musikkritiker Eduard Hanslick hörte in den “Meistersingern” einst eine “Tonschlacht” und in der “Walküre” einen “Lärm der Instrumente”. Im Orchestergraben wurden bei Wagner-Opern durchaus schon über 120 Dezibel Lautstärke gemessen. Schuld an dem Krach sind natürlich vor allem die (tiefen) Blechbläser. Beim “Fliegenden Holländer” (1843) gab sich Richard Wagner noch mit zehnfachem Blech zufrieden, im “Ring des Nibelungen” (1869 bis 1874) waren es dann schon 16 bis 18 Blechbläser. Zusätzlich schrieb er für viele seiner Opern noch Bühnenmusik vor. Beim “Tannhäuser” braucht es dafür nicht weniger als 46 (!) Bläser, darunter 28 am Blech, und außerdem Perkussionsinstrumente. Ein britischer Flötist – Flötisten sitzen im Orchester ja gewöhnlich vor den Blechbläsern – beschrieb den Wagner’schen Blecheffekt als einen “Schlag ins Genick mit einem stumpfen Gegenstand”.

Als hätte Wagner von dieser geballten Blech-Power nie genug bekommen können, regte er auch noch den Bau der sogenannten “Wagnertuba” an. Man nennt sie auch “Wagnertube”, da es sich nicht um eine weitere Tuba, sondern um eine technische Neuerfindung handelt. Doch zu Wagners Verteidigung muss man sagen: Er wollte dieses Instrument nicht um der Lautstärke, sondern um der Klangfarbe willen. Wagner war ein Klangfarben-Spezialist und hat damit der In­strumentationskunst ganz neue Welten erschlossen. Sein Kollege Richard Strauss meinte einmal: “Die Bläserbehandlung im ‘Lohengrin’ bedeutet in ästhetischer Hinsicht einen vorher niemals erreichten Gipfelpunkt wahrhafter Vollendung.” Weil Wagner für seine Opern oft besondere Klangfarben suchte, hat er die Instrumentenbauer ständig beschäftigt. Für “Tristan und Isolde” zum Beispiel entstand die Tristantrompete bzw. Tristanschalmei, für den “Lohengrin” eine (eher optisch relevante) Königstrompete. Für Beckmessers Lautenklänge in den “Meistersingern” ließ Wagner eigens eine Stahlharfe bauen, für die Gralsglocken im “Parsifal” ein Glockenspielklavier.

Die Vision des Wagnertuba-Klangs hatte der Komponist bei der Arbeit an der “Walküre”. Für die düstersten Szenen darin schien ihm der Klang der Tenor- und Baritonhörner zu freundlich und in der Tiefe zu wenig deutlich. Die Klangfarbe, die ihm vorschwebte, sollte einen neuen Übergang zwischen den Hörnern und den Tuben bieten – weniger schmetternd als das Horn, aber schlanker und schärfer als die Tuba, damit näher an der Posaune. Schon bei “Rheingold”, dem Vorspiel zum “Ring”, wünschte er sich diesen besonderen Klang. In der Partitur sah er “Tenortuben in B” und “Basstuben in F” vor, die sich mit der tiefen Tuba zum Akkord verbinden sollten. Möglicherweise war Wagners Klangfantasie hier von Instrumenten angeregt, die er auf seinen Reisen bereits gehört hatte, etwa dem Saxhorn (einer Erfindung von Adolphe Sax mit weiterer Mensur) oder dem Cornon (einem tubaähnlichen Militärinstrument mit Horn-Mundstück). 

Die Wagnertuba – auch “Rheingoldtuba” oder “Ringtuba” – wurde dann tatsächlich ein Zwitter aus Waldhorn und Bügelhorn. Sie hat das Trichtermundstück des Horns, aber die Form der Tuba. Die Mensur ist weiter und stärker konisch als beim Horn, aber enger als bei der Tuba. Gespielt wird diese “Horntuba” von den Hornisten – die vier Ventile sind also für die linke Hand ausgelegt. Das Instrument ist in der Intonation etwas knifflig, erlaubt aber klare, schnelle Läufe. Natürlich braucht man mehr Luft als beim Horn. Ab 1890 bezog das Bayreuther Festspielhaus seine Wagnertuben von der Fa. Gebr. Alexander in Mainz. Vorher hatten sich die Opernhäuser mit Notlösungen behelfen müssen, etwa einem Cornon mit birnenförmigem Schallbecher oder einem Baritonhorn mit Waldhorn-Mundstück. Nach Wagner haben vor allem Klangfarbenmeister wie Richard Strauss und Igor Strawinsky die Wagnertuba eingesetzt. Heute sieht man sie meistens als Doppelinstrument (F/B). 

Bisher erschienen: “Stichwort Rohrblatt-Trio“, “Stichwort Saxofonquartett“, “Stichwort Marsyas” und “Stichwort Tristantrompete”, “Stichwort Naturtonreihe”, Stichwort Saxofonkonzert, Stichwort Sarrusofon, Stichwort Gucha, Stichwort Jazzsolo, Stichwort Orgel, Stichwort Posaune, Stichwort Multiphonics, Das Blechbläserquintett, Die Duduk. Die Aida-Trompete, Das Xaphoon, Der Rattenfänger, Der Zink, Die Sackpfeife, Der Hardbop, Das Flügelhorn, Der Stimmton, Die Windkapsel, Der Dämpfer, Das Flötenkonzert