Orchestra | Von Alexandra Link

Die WASBE-Konferenz in Prag

WASBE-Konferenz
Foto: Petr Dyrc

Zugegeben, man muss schon etwas verrückt sein, um als Blasmusikerin bzw. Blasmusiker in eine WASBE-Konferenz voll und ganz einzutauchen. Noch dazu, weil es bei einer WASBE-Konferenz nicht um alle Schattierungen und Ausprägungen der Blasmusik, sondern einzig und allein um die weltumspannende, sogenannte Sinfonische Blasmusik geht! Ein Bereich der Blasmusik, bei dem es um zeitgenössische Werke von meist noch lebenden Komponisten geht. Um Originalwerke für Blas­orchester hauptsächlich, die – jedenfalls überwiegend – nicht älter als etwa 50 bis 80 Jahre alt sind. Und bei einer WASBE-Konferenz geht es darüber hinaus auch nur um Werke, die nicht unbedingt von Blasorchestern aller Niveaus gespielt werden können.

Für alle in jedweder Form in der Blasmusik verankerten Menschen, die über den eigenen Blasmusiktellerrand hinausschauen wollen, war die diesjährige WASBE-Konferenz vom 19. bis 23. Juli in Prag der ideale Aufenthaltsort. Sie gab nicht nur Raum und Zeit für blasmusikalische Neuentdeckungen und frische Motivation für das eigene blasmusikalische Schaffen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sondern auch die einmalige Gelegenheit mit schon bekannten Blasmusik-Freunden zu fachsimpeln und viele neue aus den unterschiedlichsten Ländern (25 Länder!) dieser Erde kennenzulernen. Wer offen und aufnahmewillig durch die fünf Tage WASBE-Konferenz ging, wurde ge- und erfüllt mit wunderbarer Musik und dem Geist tiefer Freundschaften mit passionierten, leidenschaftlichen Menschen, die alle für eines brennen: Die Sinfonische Blasmusik.

“Musikalische Qualität war uns wichtig”

Joop Boerstoel aus den Niederlanden war der Vorsitzende des siebenköpfigen künstlerischen Planungskomitees. Er zeichnete somit für die Auswahl der Orchester und der Vorträge verantwortlich. Dazu Joop Boerstoel: “Bei der Auswahl der Orchester schauten wir zunächst auf das Portfolio der vergangenen Jahre und auf Videos, die die bewerbenden Orchester eingesandt haben. Musikalische Qualität war uns wichtig und der Programmvorschlag. Außerdem sollten die Orchester möglichst aus vielen unterschiedlichen Ländern kommen. Vier Konzert-Spots waren tschechischen Orchestern vorbehalten. Unser Wunsch an die Orchester war, die Konzerte im Rahmen der Themen Karel Husa 100+1, tschechische Musik oder mit Komponisten der jeweiligen Länder zu gestalten.”

Reminiszenzen an Karel Husa und andere tschechische Komponisten zogen sich also fast durchgängig wie ein roter Faden durch die Konzertprogramme der WASBE-Konferenz in Prag. Zweiter Schwerpunkt waren die einheimischen Kom­ponisten der jeweiligen Orchester. Sechs Werke feierten ihre Uraufführung. Insgesamt waren in Prag 21 Orchester aus neun Nationen, von drei Kontinenten mit jeweils etwa 50 bis 80 Musikerinnen und Musikern vor Ort. 

Hinzu noch das WASBE Youth Wind Orchestra: 75 junge Musikerinnen und Musiker aus 16 Nationen und 4 Kontinenten probten eine Woche lang mit den Dirigenten Marek Prášil und Timothy Reynish und präsentierten ihr Konzertprogramm als letzten Höhepunkt der WASBE-­Konferenz.

Highlight der WASBE-Konferenz: The President’s Own

Eines der vielen musikalischen Highlights war das Konzert der United States Marine Band “The President’s Own”. Eine Kooperation zwischen den Verantwortlichen der WASBE, dem künstlerischen Leiter der Innsbrucker Promenadenkonzerte Bernhard Schlögl und dem künstlerischen Leiter des WMC Björn Bus – “The Golden Triangle” genannt – hat die Europareise der US Marine Band möglich gemacht. So konnte das Orchester bei drei blasmusikalischen Großereignissen in Europa vor jeweils einem großen, interessierten Publikum konzertieren.

Neben dem Konzert der US Marine Band gehören ohne Zweifel die Konzerte des Sinfonischen Landesblasorchesters des Hessichen Turnverbands unter der Leitung von Oliver Nickel und des Sinfonischen Blasorchesters Bern unter der Leitung von Rolf Schumacher zu den Highlights in Prag. Beide Orchester stellten jeweils Komponisten aus ihren Ländern ins Rampenlicht. 

Das Programm der Hessen war klug überlegt. Die Eckpfeiler bildeten die zwei deutschen Komponisten Rolf Rudin und Hubert Hoche. Die Mitte gehörte Ludwig van Beethoven in Form des Werkes “Schattengänge” von Marco Pütz. Oliver Nickel zur Teilnahme des Sinfonischen Landesblasorchesters Hessen: “Das Konzert auf der WASBE Konferenz in Prag war für uns alle ein ganz besonderes Ereignis. Nachdem unsere Bewerbung angenommen wurde, wollten wir die deutsche Blasmusikszene, die auf internationaler Ebene nicht unbedingt stark wahrgenommen wird, würdig vertreten.

Welturaufführung von “Reflection”

Nach dem sehr gelungenen Konzert in Kombination mit einem ebenfalls bestens aufgelegten Sinfonischen Blasorchester Bern unter Rolf Schumacher können wir behaupten, dass unsere ‘Mission’ äußerst erfolgreich war. Ich bin froh und sehr stolz auf meine Musikerinnen und Musiker des Sinfonischen Blasorchesters des Hessischen Turnverbands und auch auf die Komponisten, deren Werke wir hier vertreten durften. Ein ganz besonderer Dank mit einer großen Verneigung vor seinem Werk ‘Imperial Prelude’ gilt Rolf Rudin, der unsere Proben mehrfach begleitet und bereichert hat und natürlich Hubert Hoche. Die Weltur­aufführung seines großartigen und eindrucksvollen Marimbakonzerts ‘Reflection – What time we live in’ mit der unglaublichen Marta Klima­sara als Solistin war für uns alle eine phantastische Erfahrung.”

Die Berner zeigten mit der Uraufführung von Stephan Hodels Trompetenkonzert “Happenstance” ihre Begabung im kammermusikalischen Musizieren (Solist: Giuliano Sommerhalder) und mit der 3. Sinfonie von Franco Cesarini “Urban Landscapes” die Vielschichtigkeit der Klangfarben, Beweglichkeit und Charaktere ihres Orchesters.

33 Vorträge während der WASBE-Konferenz

Insgesamt 33 Vorträgen, sogenannten “Lectures” konnten die etwa 166 Teilnehmerinnen und Teilnhemer der WASBE-Konferenz in Prag lauschen. Auch bei der Auswahl der Vorträge folgte das künstlerische Planungskomitee einer Philosophie. Dazu Joop Boerstoel: “Wir haben aus etwa 78 Einsendungen möglichst unterschiedliche Themen gleichmäßig aus den Bereichen Dirigenten und dirigieren, Repertoire/Musik und Sonstiges gewählt.” 

WASBE-Konferenz
Julien Meisenzahl

Stéphane Delley, der Präsident der Schweizer Sektion der WASBE, war einer der Verantwortlichen für den WASBE-Kompositionswettbewerb, der in drei Kategorien ausgeschrieben war. Stéphane Delley: “Die dritte Auflage des WASBE-Kompositionswettbewerbs war ein sehr großer Erfolg! Insgesamt erhielten wir 72 Werke aus 21 Ländern. Die Auswahl war nicht leicht, da alle Stücke von hoher Qualität waren. Aufgeteilt in drei Kategorien hatten die neun Finalisten die Chance, ihr Werk in Prag aufgeführt zu sehen von zwei großartigen Ensembles: Die ›Prague Castle Guard & Czech Police Symphonic Band‹ und die ›Czech National Concert Band‹. Die Aufführung war von sehr hoher Qualität, vielen Dank für die großartige Arbeit. Die Partituren der Finalisten werden in Kürze auf der Website wasbe.org für 30 Dollar erhältlich sein. Genießen Sie es, diese schönen Werke zu spielen!” 

Auch ein deutscher Komponist war unter den Preisträgern: Julien Meisenzahl aus Stuttgart gewann in der Kategorie 3, Werke in Grad 5-6, den ersten Preis für sein Werk »2. Orchester-Sonate: Die Tageszeiten«.

“Große Verbeugung”

Jürgen Groh, Vize-Präsident der deutschen Sektion der WASBE, fasst seine Highlights der 19. WASBE-Konferenz wie folgt zusammen: “Für meine Frau Angela und mich war es die zwölfte WASBE-Konferenz, die wir erleben durften und meine ‘Handvoll Highlights’ waren diesmal Brian Lambs Vortrag ‘Flight of the Elephant’, weil hier die der Musik innewohnende Kraft zur konkreten Einflussnahme weltweit zur Geltung kommen kann und Mark Herons ‘An Introduction to ConductIT’, weil hier eine kostenfreie, didaktisch zeitgemäße, praxisnahe multimediale Möglichkeit zur Dirigentenweiterbildung vorgestellt wurde.

Das Sinfonische Landesblasorchester des Hessischen Turnverbands (Dirigent: Oliver Nickel) begeisterte mich mit Hubert Hoches ‘Re­flection (2019 bis 2021)’, weil hier ein emotional tiefgehendes und jeden aktuell betreffendes Thema kompositorisch und interpretatorisch auf höchstem Niveau so dargeboten wurde, dass man vollständig in die Musik hineingezogen wurde. Chapeau! Karel Husas ‘Cheetah’ bewegte mich auch über die Maßen und selbstverständlich Omar Thomas‘ ‘Come Sunday’. Wer bei Maria Schneider Big-Band-Sprache gelernt hat, darf auch für Sinfonische Blasorchester diesen ›Drive‹ mal übertragen und das University of Delaware Wind Ensemble zeigte ganz exzellent, dass es nicht nur möglich, sondern auch mitreißend gemacht werden kann. Große Verbeugung!”