Brass | Von Joachim Kunze

Die Zunge – Fluch oder Segen? Jupiter-Workshop für hohes Blech

Zunge

Die Überschrift ist mit zwei Extremen bewusst gewählt. Wir neigen oft dazu, den Mittelweg zu verlassen und in Extreme zu verfallen. Immer wieder sind Aussagen zu lesen wie “Man braucht die Zunge ‘nur’ für die Artikulation” oder “Ohne Zunge geht gar nichts”, um nur einmal zwei Beispiele zu nennen. In diesem Artikel beschreibt der ­Autor die Möglichkeit, die Zunge zur Ver­ände­rung der Tonhöhe einzusetzen.

Fragen wir uns erst einmal: Wofür brauchen wir die Zunge im “normalen” Leben? Wo benutzen wir sie eigentlich unbewusst? Hier kommt man sofort auf zwei Nutzarten, nämlich beim Essen und beim Sprechen. Doch kaum jemand denkt dabei darüber nach, was die Zunge eigentlich macht – das ist wie beim Gehen. Wir haben es irgendwann gelernt und denken nicht mehr weiter darüber nach.

Der bewusste Einsatz der Zunge

Bewusst muss über den Einsatz der Zunge erst nachgedacht werden, wenn man zum Beispiel einen Sprachfehler korrigieren will. Wie schwierig der bewusste Einsatz der Zunge ist, merkt man beispielsweise beim Erlernen der eng­lischen Sprache: Viele haben ein Problem damit, das “th” sauber zu artikulieren. Einen bewussten Einsatz haben wir aber auch, zum Beispiel beim Pfeifen oder Obertonsingen. Auch beim Didgeridoospiel hilft der Einsatz der Zunge, um den Grundton im Klang zu variieren. Vielen Mitmenschen fällt das Pfeifen nicht leicht, manche können es nicht, man kann es trainieren und wir können uns beim Pfeifen die Arbeit der Zunge bewusst machen.

Zunge

Kommen wir doch jetzt zum Spielen eines Blechblasinstruments. Nehmen wir eine Trompete, spielen darauf ein c¹ und verändern die Zungenstellung, dann wird uns auffallen, dass sich die Tonhöhe nicht verändert, sondern allein der Klang. Haben wir die Zunge in der optimalen Position, klingt der Ton voluminös, nehmen wir die Zunge immer weiter nach vorne, wird der Ton immer nasaler und klanglich unsauberer. Spielen wir im Gegensatz ein c³ und verändern dabei die Zungenstellung, so kann man den Ton durchaus halten, jedoch vernehmen wir eine deutliche Veränderung des Klangs. Je weiter wir die Zunge nach hinten nehmen, desto dünner wird der Ton.

Auch wenn die Zungenstellung einen Einfluss auf die Fließgeschwindigkeit der Luft hat, so hat sie meines Erachtens nichts mit der Tonhöhenveränderung zu tun. Ebenso ist es schlüssig, dass die Tonhöhenveränderung immer an der primären Schwingungsquelle stattfindet, nämlich den Lippen. Ich möchte das am Beispiel ei­ner Saite darstellen. Ich kann die Saite quälen wie ich will, solange ich nicht Spannung oder Länge der Saite verändere, verändert sich die Tonhöhe nicht. 

Die Zunge beim Trompetespielen

Verschiedenste Faktoren haben eine Einwirkung auf die Tonerzeugung bei den Blechblasinstrumenten. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Einflussnahme der Zunge beim Trom­pete­spielen eingehen. Anhand des Oberton­singens werde ich meine Betrachtungsweise zur Wirkung der Zunge auf die Schwingungsquelle Lippe darstellen.

Dazu erst noch kurz folgende Erläuterung: Jeder einzelne Ton besteht aus ganz vielen Schwingungen, den sogenannten Teil- oder auch Ober­tönen. Diese haben eine gewisse Ordnung. Beim Obertonsingen wird ein tiefer Ton gesungen, durch die Zungenstellung kann der Resonanzraum in der Mundhöhle verändert werden. Dadurch werden Obertöne, die im gesungenen Ton enthalten sind, unterschiedlich hervor­ge­hoben, wodurch man diese deutlicher wahrnimmt.

Kommen wir nun zurück zu dem vorhin beispielhaft gespielten c¹. Auch beim Trompetespielen wirkt die Mundhöhle als Resonanzraum, da die am Schalltrichter reflektierten Schallwellen auch über das Mundstück wieder in die Mundhöhle kommen. Bewegen wir die Zunge aus der optimalen Position immer weiter nach vorne, ver­ändert sich der Ton und wird immer dünner, da wir die hohen Obertöne betonen, so als ob man an einem Mischpult die tiefen Frequenzen herausnimmt.

Die betonten Frequenzen verändern nun nicht nur den Klang – wenn man auch die Tonhöhe an der primären Schwingungsquelle, also der Lippe, verändern möchte, fällt es dieser leichter, in die angesteuerte Frequenz zu springen. Wir bekommen so zum Beispiel eine leichtere Bindung vom c¹ zum g¹ und natürlich auch zu allen anderen Tönen. Inwieweit die durch die Zungenstellung veränderte Luftgeschwindigkeit eine Auswirkung auf die Tonhöhe hat, möchte ich hier nicht weiter ausführen. Auf jeden Fall ist die positive Wirkung der Zunge auf die Tonhöhe nicht zu leugnen, aber sie ist nicht das heilbringende Mittel, wenn der Rest des Systems nicht funktioniert. 

Im Folgenden werden hier noch ein paar Möglichkeiten aufgezeigt, wie man den Einsatz der Zunge auf dem Blechblasinstrument üben kann. Zuerst einmal muss man sich die Zunge be-
wusst machen, da wir sie alltäglich unbewusst benutzen.

Übungen ohne Trompete

Macht euch die Zungenstellung bei den Vokalen a, ä, e, i bewusst. Pfeifen bzw. Flöten in allen Tonhöhen macht viel Sinn und somit sind auch jegliche Pfeifübungen sinnvoll. Eine Nasenflöte erfordert zur Tonhöhenveränderung auch einen sehr guten Zungeneinsatz und eignet sich ebenfalls super als Übungsmittel. Beim Üben ohne Trompete fokussiert man sich gezielt auf das Problem und wird nicht von anderen Problematiken abgelenkt.

Übungen mit Trompete

Hat man die Zunge in einem gewissen Maße im Griff, kann man, wenn nicht schon unbewusst geschehen, den Einsatz der Zunge beim Blechblasen üben. Hierzu empfehlen sich erst einmal Bindeübungen im Sekundabstand. Tonleitern im gemächlichen Tempo sind eine super Übung, wenn man versucht, die Zunge gleichmäßig mitzubewegen. Das kann man auch in einem kleineren Umfang beginnen, zum Beispiel eine Quinte von f¹ bis c2. Auch chromatisch lässt sich das Ganze üben. Später sollte man dann mal Akkordbrechungen probieren und die Intervallabstände erweitern. Der Ideenvielfalt sind kaum Grenzen gesetzt.

Viel Spaß beim Ausprobieren

Euer Joachim Kunze

www.jupiter.info

Joachim Kunze

Joachim Kunze

(*1966) studierte Instrumentalpädagogik in Mainz. Er gehört zu den vielseitigsten Trompetern Europas. Warme, gefühl­volle Töne bis hin zu Highnotes im viergestrichenen Bereich – sein Klangspek­trum füllt die ganze Bandbreite der ­Trompete aus. Dies machte ihn zu einem gefragten Trompeter in verschiedenen Funk-, Rock-, Jazz- und Bigbands. Inzwischen konzentriert er sich hauptsächlich auf seine eigenen Projekte, die “Firehorns”, “2play” sowie “Bummeldaun Syndrom”, in denen eigene Kompositionen gespielt werden. Er ist Musiklehrer an der Adolf-Reichwein-Schule in Friedberg.

www.jo-kunze.de